Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.wein an den Rio Negro, und da Madera auf spanisch Wir kauften in Davipe einigen Mundvorrat, namentlich wein an den Rio Negro, und da Madera auf ſpaniſch Wir kauften in Davipe einigen Mundvorrat, namentlich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0282" n="274"/> wein an den Rio Negro, und da <hi rendition="#g">Madera</hi> auf ſpaniſch<lb/><hi rendition="#g">Holz</hi> bedeutet, ſo hatten ſchon arme, in der Geographie nicht<lb/> ſehr bewanderte Miſſionäre Bedenken, ob ſie mit Maderawein<lb/> das Meßopfer verrichten dürften; ſie hielten denſelben für ein<lb/> irgend einem Baume abgezapftes gegorenes Getränk, wie<lb/> Palmwein, und forderten den Guardian der Miſſionen auf,<lb/> ſich darüber auszuſprechen, ob der <hi rendition="#aq">vino de Madera</hi> Wein<lb/> aus Trauben (<hi rendition="#aq">de uvas</hi>) ſei oder aber der Saft eines Baumes<lb/> (<hi rendition="#aq">vino de algun palo</hi>). Schon zu Anfang der Eroberung<lb/> war die Frage aufgeworfen worden, ob es den Prieſtern ge-<lb/> ſtattet ſei, mit einem gegorenen, dem Traubenwein ähnlichen<lb/> Saft das Meßopfer zu verrichten. Wie vorauszuſehen, wurde<lb/> die Frage verneint.</p><lb/> <p>Wir kauften in Davipe einigen Mundvorrat, namentlich<lb/> Hühner und ein Schwein. Dieſer Einkauf war unſeren In-<lb/> dianern ſehr wichtig, da ſie ſchon lange kein Fleiſch mehr ge-<lb/> geſſen hatten. Sie drängten zum Aufbruch, damit wir zeitig<lb/> auf die Inſel Dapa kämen, wo das Schwein geſchlachtet und<lb/> in der Nacht gebraten werden ſollte. Kaum hatten wir Zeit,<lb/> im Kloſter (<hi rendition="#aq">convento</hi>) große Haufen <hi rendition="#g">Maniharz</hi> zu betrach-<lb/> ten, ſowie Seilwerk aus der Chiquichiquipalme, das in Europa<lb/> beſſer bekannt zu ſein verdiente. Dasſelbe iſt ausnehmend<lb/> leicht, ſchwimmt auf dem Waſſer und iſt auf der Flußfahrt<lb/> dauerhafter als Tauwerk aus Hanf. Zur See muß man es,<lb/> wenn es halten ſoll, öfter anfeuchten und es nicht oft der<lb/> tropiſchen Sonne ausſetzen. Don Antonio Santos, der im<lb/> Lande wegen ſeiner Reiſe zur Auffindung des Parimeſees<lb/> viel genannt wird, lehrte die Indianer am ſpaniſchen Rio<lb/> Negro die Blattſtiele des Chiquichiqui benützen, einer Palme<lb/> mit gefiederten Blättern, von der wir weder Blüten noch<lb/> Früchte zu Geſicht bekommen haben. Dieſer Offizier iſt der<lb/> einzige weiße Menſch, der, um von Angoſtura nach Gran-Para<lb/> zu kommen, von den Quellen des Rio Carony zu denen des<lb/> Rio Branco den Landweg gemacht hat. Er hatte ſich in den<lb/> portugieſiſchen Kolonien mit der Fabrikation der Chiquichiqui-<lb/> taue bekannt gemacht und führte, als er vom Amazonenſtrom<lb/> zurückkam, den Gewerbszweig in den Miſſionen in Guyana<lb/> ein. Es wäre zu wünſchen, daß am Rio Negro und Caſſi-<lb/> quiare große Seilbahnen angelegt werden könnten, um dieſe<lb/> Taue in den europäiſchen Handel zu bringen. Etwas weniges<lb/> wird bereits von Angoſtura auf die Antillen ausgeführt.<lb/> Sie koſten dort 50 bis 60 Prozent weniger als Hanf-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [274/0282]
wein an den Rio Negro, und da Madera auf ſpaniſch
Holz bedeutet, ſo hatten ſchon arme, in der Geographie nicht
ſehr bewanderte Miſſionäre Bedenken, ob ſie mit Maderawein
das Meßopfer verrichten dürften; ſie hielten denſelben für ein
irgend einem Baume abgezapftes gegorenes Getränk, wie
Palmwein, und forderten den Guardian der Miſſionen auf,
ſich darüber auszuſprechen, ob der vino de Madera Wein
aus Trauben (de uvas) ſei oder aber der Saft eines Baumes
(vino de algun palo). Schon zu Anfang der Eroberung
war die Frage aufgeworfen worden, ob es den Prieſtern ge-
ſtattet ſei, mit einem gegorenen, dem Traubenwein ähnlichen
Saft das Meßopfer zu verrichten. Wie vorauszuſehen, wurde
die Frage verneint.
Wir kauften in Davipe einigen Mundvorrat, namentlich
Hühner und ein Schwein. Dieſer Einkauf war unſeren In-
dianern ſehr wichtig, da ſie ſchon lange kein Fleiſch mehr ge-
geſſen hatten. Sie drängten zum Aufbruch, damit wir zeitig
auf die Inſel Dapa kämen, wo das Schwein geſchlachtet und
in der Nacht gebraten werden ſollte. Kaum hatten wir Zeit,
im Kloſter (convento) große Haufen Maniharz zu betrach-
ten, ſowie Seilwerk aus der Chiquichiquipalme, das in Europa
beſſer bekannt zu ſein verdiente. Dasſelbe iſt ausnehmend
leicht, ſchwimmt auf dem Waſſer und iſt auf der Flußfahrt
dauerhafter als Tauwerk aus Hanf. Zur See muß man es,
wenn es halten ſoll, öfter anfeuchten und es nicht oft der
tropiſchen Sonne ausſetzen. Don Antonio Santos, der im
Lande wegen ſeiner Reiſe zur Auffindung des Parimeſees
viel genannt wird, lehrte die Indianer am ſpaniſchen Rio
Negro die Blattſtiele des Chiquichiqui benützen, einer Palme
mit gefiederten Blättern, von der wir weder Blüten noch
Früchte zu Geſicht bekommen haben. Dieſer Offizier iſt der
einzige weiße Menſch, der, um von Angoſtura nach Gran-Para
zu kommen, von den Quellen des Rio Carony zu denen des
Rio Branco den Landweg gemacht hat. Er hatte ſich in den
portugieſiſchen Kolonien mit der Fabrikation der Chiquichiqui-
taue bekannt gemacht und führte, als er vom Amazonenſtrom
zurückkam, den Gewerbszweig in den Miſſionen in Guyana
ein. Es wäre zu wünſchen, daß am Rio Negro und Caſſi-
quiare große Seilbahnen angelegt werden könnten, um dieſe
Taue in den europäiſchen Handel zu bringen. Etwas weniges
wird bereits von Angoſtura auf die Antillen ausgeführt.
Sie koſten dort 50 bis 60 Prozent weniger als Hanf-
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