Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.der Missionen am Rio Negro machten demselben ein Ende. Nachdem wir von der Mündung des Conorichite und der der Miſſionen am Rio Negro machten demſelben ein Ende. Nachdem wir von der Mündung des Conorichite und der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0284" n="276"/> der Miſſionen am Rio Negro machten demſelben ein Ende.<lb/> Alte Geſetze von Karl <hi rendition="#aq">V.</hi> und Philipp <hi rendition="#aq">III.</hi> verboten unter<lb/> Androhung der ſchwerſten Strafen (wie Verluſt bürgerlicher<lb/> Aemter und 2000 Piaſter Geldbuße), „Eingeborene durch ge-<lb/> waltſame Mittel zu bekehren und Bewaffnete gegen ſie zu<lb/> ſchicken“; aber dieſen weiſen, menſchenfreundlichen Geſetzen<lb/> zum Trotz hatte der Rio Negro noch in der Mitte des vorigen<lb/> Jahrhunderts, wie ſich La Condamine ausdrückt, für die<lb/> europäiſche Politik nur inſofern Intereſſe, als er die <hi rendition="#g">Entra-<lb/> das</hi> oder feindlichen Einfälle erleichterte und dem Sklaven-<lb/> handel Vorſchub that. Die Kariben, ein kriegeriſches Handels-<lb/> volk, erhielten von den Portugieſen und den Holländern<lb/> Meſſer, Fiſchangeln, kleine Spiegel und Glaswaren aller Art.<lb/> Dafür hetzten ſie die indianiſchen Häuptlinge gegeneinander<lb/> auf, ſo daß es zum Kriege kam; ſie kauften ihnen die Ge-<lb/> fangenen ab und ſchleppten ſelbſt mit Liſt oder Gewalt alles<lb/> fort, was ihnen in den Weg kam. Dieſe Streifzüge der<lb/> Kariben erſtreckten ſich über ein ungeheures Gebiet. Dieſelben<lb/> gingen vom Eſſequibo und Carony aus auf dem Rupunuri<lb/> und dem Paraguamuzi einerſeits gerade nach Süd dem Rio<lb/> Branco zu, andererſeits nach Südweſt über die Trageplätze<lb/> zwiſchen dem Rio Paragua, dem Caura und dem Ventuario.<lb/> Waren ſie einmal bei den zahlreichen Völkerſchaften am oberen<lb/> Orinoko, ſo teilten ſie ſich in mehrere Banden und kamen<lb/> über den Caſſiquiare, Cababury, Itinivini und Atabapo an<lb/> vielen Punkten zugleich an den Guainia oder Rio Negro und<lb/> trieben mit den Portugieſen Sklavenhandel. So empfanden<lb/> die unglücklichen Eingeborenen die Nachbarſchaft der Europäer<lb/> ſchwer, lange ehe ſie mit dieſen ſelbſt in Berührung kamen.<lb/> Dieſelben Urſachen haben überall dieſelben Folgen. Der bar-<lb/> bariſche Handel, den die civiliſierten Völker an der afrikani-<lb/> ſchen Küſte trieben und zum Teil noch treiben, wirkt ver-<lb/> derbenbringend bis in die Länder zurück, wo man vom Daſein<lb/> weißer Menſchen gar nichts weiß.</p><lb/> <p>Nachdem wir von der Mündung des Conorichite und der<lb/> Miſſion Davipe aufgebrochen, langten wir bei Sonnenunter-<lb/> gang bei der Inſel Dapa an, die ungemein maleriſch mitten<lb/> im Strome liegt. Wir fanden daſelbſt zu unſerer nicht ge-<lb/> ringen Verwunderung einige angebaute Grundſtücke und auf<lb/> einem kleinen Hügel eine indianiſche Hütte. Vier Eingeborene<lb/> ſaßen um ein Feuer von Buſchwerk und aßen eine Art weißen,<lb/> ſchwarzgefleckten Teigs, der unſere Neugierde nicht wenig<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [276/0284]
der Miſſionen am Rio Negro machten demſelben ein Ende.
Alte Geſetze von Karl V. und Philipp III. verboten unter
Androhung der ſchwerſten Strafen (wie Verluſt bürgerlicher
Aemter und 2000 Piaſter Geldbuße), „Eingeborene durch ge-
waltſame Mittel zu bekehren und Bewaffnete gegen ſie zu
ſchicken“; aber dieſen weiſen, menſchenfreundlichen Geſetzen
zum Trotz hatte der Rio Negro noch in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts, wie ſich La Condamine ausdrückt, für die
europäiſche Politik nur inſofern Intereſſe, als er die Entra-
das oder feindlichen Einfälle erleichterte und dem Sklaven-
handel Vorſchub that. Die Kariben, ein kriegeriſches Handels-
volk, erhielten von den Portugieſen und den Holländern
Meſſer, Fiſchangeln, kleine Spiegel und Glaswaren aller Art.
Dafür hetzten ſie die indianiſchen Häuptlinge gegeneinander
auf, ſo daß es zum Kriege kam; ſie kauften ihnen die Ge-
fangenen ab und ſchleppten ſelbſt mit Liſt oder Gewalt alles
fort, was ihnen in den Weg kam. Dieſe Streifzüge der
Kariben erſtreckten ſich über ein ungeheures Gebiet. Dieſelben
gingen vom Eſſequibo und Carony aus auf dem Rupunuri
und dem Paraguamuzi einerſeits gerade nach Süd dem Rio
Branco zu, andererſeits nach Südweſt über die Trageplätze
zwiſchen dem Rio Paragua, dem Caura und dem Ventuario.
Waren ſie einmal bei den zahlreichen Völkerſchaften am oberen
Orinoko, ſo teilten ſie ſich in mehrere Banden und kamen
über den Caſſiquiare, Cababury, Itinivini und Atabapo an
vielen Punkten zugleich an den Guainia oder Rio Negro und
trieben mit den Portugieſen Sklavenhandel. So empfanden
die unglücklichen Eingeborenen die Nachbarſchaft der Europäer
ſchwer, lange ehe ſie mit dieſen ſelbſt in Berührung kamen.
Dieſelben Urſachen haben überall dieſelben Folgen. Der bar-
bariſche Handel, den die civiliſierten Völker an der afrikani-
ſchen Küſte trieben und zum Teil noch treiben, wirkt ver-
derbenbringend bis in die Länder zurück, wo man vom Daſein
weißer Menſchen gar nichts weiß.
Nachdem wir von der Mündung des Conorichite und der
Miſſion Davipe aufgebrochen, langten wir bei Sonnenunter-
gang bei der Inſel Dapa an, die ungemein maleriſch mitten
im Strome liegt. Wir fanden daſelbſt zu unſerer nicht ge-
ringen Verwunderung einige angebaute Grundſtücke und auf
einem kleinen Hügel eine indianiſche Hütte. Vier Eingeborene
ſaßen um ein Feuer von Buſchwerk und aßen eine Art weißen,
ſchwarzgefleckten Teigs, der unſere Neugierde nicht wenig
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