Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.geschieht oft, wenn das Tier sehr groß ist, mitten auf dem Wir übernachteten der Insel Conserva gegenüber. Als geſchieht oft, wenn das Tier ſehr groß iſt, mitten auf dem Wir übernachteten der Inſel Conſerva gegenüber. Als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0043" n="35"/> geſchieht oft, wenn das Tier ſehr groß iſt, mitten auf dem<lb/> Fluſſe, und zwar ſo, daß man die Piroge zu zwei Dritt-<lb/> teilen mit Waſſer füllt, ſie unter das Tier ſchiebt und mit<lb/> einer Kürbisflaſche wieder ausſchöpft. Am leichteſten ſind<lb/> ſie am Ende der großen Ueberſchwemmungen zu fangen, wenn<lb/> ſie aus den Strömen in die umliegenden Seen und Sümpfe<lb/> geraten ſind und das Waſſer ſchnell fällt. Zur Zeit, wo die<lb/> Jeſuiten den Miſſionen am unteren Orinoko vorſtanden, kamen<lb/> dieſe alle Jahre in Cabruta unterhalb dem Apure zuſammen,<lb/> um mit den Indianern aus ihren Miſſionen am Fuße des<lb/> Berges, der gegenwärtig el Capuchino heißt, eine große See-<lb/> kuhjagd anzuſtellen. Das Fett des Tiers, die Manteca de<lb/> Manati, wird in den Kirchenlampen gebrannt, und man kocht<lb/> auch damit. Es hat nicht den widrigen Geruch des Walfiſch-<lb/> thranes oder des Fettes anderer Cetaceen mit Spritzlöchern.<lb/> Die Haut der Seekuh, die über 4 <hi rendition="#aq">cm</hi> dick iſt, wird in<lb/> Streifen zerſchnitten, und dieſe dienen in den Llanos, wie die<lb/> Streifen von Ochſenhaut, als Stricke. Kommt ſie ins Waſſer,<lb/> ſo hat ſie den Fehler, daß ſie zu faulen anfängt. Man macht<lb/> in den ſpaniſchen Kolonieen Peitſchen daraus, daher auch die<lb/> Worte Latigo und Manati gleichbedeutend ſind. Dieſe Peit-<lb/> ſchen aus Seekuhhaut ſind ein ſchreckliches Werkzeug zur Züch-<lb/> tigung der unglücklichen Sklaven, ja der Indianer in den<lb/> Miſſionen, die nach den Geſetzen als freie Menſchen behandelt<lb/> werden ſollten.</p><lb/> <p>Wir übernachteten der Inſel Conſerva gegenüber. Als<lb/> wir am Waldſaume hingingen, fiel uns ein ungeheurer, 22 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/> hoher, mit veräſteten Dornen bedeckter Baum auf. Die In-<lb/> dianer nennen ihn Barba de Tigre. Es iſt vielleicht ein Baum<lb/> aus der Familie der Berberideen oder Sauerdorne. Die In-<lb/> dianer hatten unſere Feuer dicht am Waſſer angezündet; da<lb/> fanden wir wieder, daß ſein Glanz die Krokodile herlockte,<lb/> und ſogar die Delphine (Toninas), deren Lärm uns nicht<lb/> ſchlafen ließ, bis man das Feuer auslöſchte. Wir wurden in<lb/> dieſer Nacht zweimal auf die Beine gebracht, was ich nur<lb/> anführe, weil es ein paar Züge zum Bilde dieſer Wildnis<lb/> liefert. Ein weiblicher Jaguar kam unſerem Nachtlager nahe,<lb/> um ſein Junges am Strome trinken zu laſſen. Die Indianer<lb/> verjagten ihn; aber noch geraume Zeit hörten wir das Ge-<lb/> ſchrei des Jungen, das wie das Miauen einer jungen Katze<lb/> klang. Bald darauf wurde unſere große Dogge von unge-<lb/> heuren Fledermäuſen, die um unſere Hängematten flatterten,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0043]
geſchieht oft, wenn das Tier ſehr groß iſt, mitten auf dem
Fluſſe, und zwar ſo, daß man die Piroge zu zwei Dritt-
teilen mit Waſſer füllt, ſie unter das Tier ſchiebt und mit
einer Kürbisflaſche wieder ausſchöpft. Am leichteſten ſind
ſie am Ende der großen Ueberſchwemmungen zu fangen, wenn
ſie aus den Strömen in die umliegenden Seen und Sümpfe
geraten ſind und das Waſſer ſchnell fällt. Zur Zeit, wo die
Jeſuiten den Miſſionen am unteren Orinoko vorſtanden, kamen
dieſe alle Jahre in Cabruta unterhalb dem Apure zuſammen,
um mit den Indianern aus ihren Miſſionen am Fuße des
Berges, der gegenwärtig el Capuchino heißt, eine große See-
kuhjagd anzuſtellen. Das Fett des Tiers, die Manteca de
Manati, wird in den Kirchenlampen gebrannt, und man kocht
auch damit. Es hat nicht den widrigen Geruch des Walfiſch-
thranes oder des Fettes anderer Cetaceen mit Spritzlöchern.
Die Haut der Seekuh, die über 4 cm dick iſt, wird in
Streifen zerſchnitten, und dieſe dienen in den Llanos, wie die
Streifen von Ochſenhaut, als Stricke. Kommt ſie ins Waſſer,
ſo hat ſie den Fehler, daß ſie zu faulen anfängt. Man macht
in den ſpaniſchen Kolonieen Peitſchen daraus, daher auch die
Worte Latigo und Manati gleichbedeutend ſind. Dieſe Peit-
ſchen aus Seekuhhaut ſind ein ſchreckliches Werkzeug zur Züch-
tigung der unglücklichen Sklaven, ja der Indianer in den
Miſſionen, die nach den Geſetzen als freie Menſchen behandelt
werden ſollten.
Wir übernachteten der Inſel Conſerva gegenüber. Als
wir am Waldſaume hingingen, fiel uns ein ungeheurer, 22 m
hoher, mit veräſteten Dornen bedeckter Baum auf. Die In-
dianer nennen ihn Barba de Tigre. Es iſt vielleicht ein Baum
aus der Familie der Berberideen oder Sauerdorne. Die In-
dianer hatten unſere Feuer dicht am Waſſer angezündet; da
fanden wir wieder, daß ſein Glanz die Krokodile herlockte,
und ſogar die Delphine (Toninas), deren Lärm uns nicht
ſchlafen ließ, bis man das Feuer auslöſchte. Wir wurden in
dieſer Nacht zweimal auf die Beine gebracht, was ich nur
anführe, weil es ein paar Züge zum Bilde dieſer Wildnis
liefert. Ein weiblicher Jaguar kam unſerem Nachtlager nahe,
um ſein Junges am Strome trinken zu laſſen. Die Indianer
verjagten ihn; aber noch geraume Zeit hörten wir das Ge-
ſchrei des Jungen, das wie das Miauen einer jungen Katze
klang. Bald darauf wurde unſere große Dogge von unge-
heuren Fledermäuſen, die um unſere Hängematten flatterten,
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