Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.vorne an der Schnauze gebissen oder, wie die Eingeborenen Am 4. April. Dies war unser letzter Tag auf dem Wir wollten in der Vuelta del Palmito übernachten, 1 Latreille hat gefunden, daß die Moustiques in Südkarolina
zur Gattung Simulium (Atractocera, Meigen) gehören. vorne an der Schnauze gebiſſen oder, wie die Eingeborenen Am 4. April. Dies war unſer letzter Tag auf dem Wir wollten in der Vuelta del Palmito übernachten, 1 Latreille hat gefunden, daß die Mouſtiques in Südkarolina
zur Gattung Simulium (Atractocera, Meigen) gehören. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0044" n="36"/> vorne an der Schnauze gebiſſen oder, wie die Eingeborenen<lb/> ſagen, <hi rendition="#g">geſtochen</hi>. Sie hatten lange Schwänze wie die Mo-<lb/> loſſen; ich glaube aber, daß es Phylloſtomen waren, deren<lb/> mit Warzen beſetzte Zunge ein Saugorgan iſt, das ſie be-<lb/> deutend verlängern können. Die Wunde war ganz klein und<lb/> rund. Der Hund heulte kläglich, ſobald er den Biß fühlte,<lb/> aber nicht aus Schmerz, ſondern weil er über die Fledermäuſe,<lb/> als ſie unter unſeren Hängematten hervorkamen, erſchrak.<lb/> Dergleichen Fälle ſind weit ſeltener, als man im Lande ſelbſt<lb/> glaubt. Obgleich wir in Ländern, wo die Vampyre und ähn-<lb/> liche Fledermausarten ſo häufig ſind, ſo manche Nacht unter<lb/> freiem Himmel geſchlafen haben, ſind wir doch nie von ihnen<lb/> gebiſſen worden. Ueberdem iſt der <hi rendition="#g">Stich</hi> keineswegs gefähr-<lb/> lich und der Schmerz meiſt ſo unbedeutend, daß man erſt<lb/> aufwacht, wenn die Fledermaus ſich bereits davongemacht hat.</p><lb/> <p>Am 4. April. Dies war unſer letzter Tag auf dem<lb/> Apure. Der Pflanzenwuchs an den Ufern wurde immer ein-<lb/> förmiger. Seit einigen Tagen, beſonders ſeit der Miſſion<lb/> Arichuna, fingen wir an, arg von den Inſekten gequält zu<lb/> werden, die ſich uns auf Geſicht und Hände ſetzten. Es waren<lb/> keine <hi rendition="#g">Moskiten</hi>, die den Habitus kleiner Mücken von der<lb/> Gattung Simulium haben, <note place="foot" n="1">Latreille hat gefunden, daß die Mouſtiques in Südkarolina<lb/> zur Gattung Simulium (<hi rendition="#aq">Atractocera,</hi> Meigen) gehören.</note> ſondern <hi rendition="#g">Zancudos</hi>, echte Schna-<lb/> ken, aber von unſerem <hi rendition="#aq">Culex pipiens</hi> ganz verſchieden. Sie<lb/> kommen erſt nach Sonnenuntergang zum Vorſchein; ihr Saug-<lb/> rüſſel iſt ſo lang, daß, wenn ſie ſich an die Unterſeite der<lb/> Hängematte ſetzen, ihr Stachel durch die Hängematte und die<lb/> dickſten Kleider dringt.</p><lb/> <p>Wir wollten in der Vuelta del Palmito übernachten,<lb/> aber an dieſem Strich des Apure gibt es ſo viele Jaguare,<lb/> daß unſere Indianer, als ſie unſere Hängematten befeſtigen<lb/> wollten, ihrer zwei hinter einem Courbarilſtamm verſteckt<lb/> fanden. Man riet uns, das Schiff wieder zu beſteigen und unſer<lb/> Nachtlager auf der Inſel Apurito, ganz nahe beim Einfluß in<lb/> den Orinoko, aufzuſchlagen. Dieſer Teil der Inſel gehört zu der<lb/> Provinz Caracas, dagegen das rechte Ufer des Apure zu der<lb/> Provinz Varinas und das rechte Ufer des Orinoko zu Spaniſch-<lb/> Guyana. Wir fanden keine Bäume, um unſere Hängematten<lb/> zu befeſtigen, und mußten am Boden auf Ochſenhäuten ſchlafen.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0044]
vorne an der Schnauze gebiſſen oder, wie die Eingeborenen
ſagen, geſtochen. Sie hatten lange Schwänze wie die Mo-
loſſen; ich glaube aber, daß es Phylloſtomen waren, deren
mit Warzen beſetzte Zunge ein Saugorgan iſt, das ſie be-
deutend verlängern können. Die Wunde war ganz klein und
rund. Der Hund heulte kläglich, ſobald er den Biß fühlte,
aber nicht aus Schmerz, ſondern weil er über die Fledermäuſe,
als ſie unter unſeren Hängematten hervorkamen, erſchrak.
Dergleichen Fälle ſind weit ſeltener, als man im Lande ſelbſt
glaubt. Obgleich wir in Ländern, wo die Vampyre und ähn-
liche Fledermausarten ſo häufig ſind, ſo manche Nacht unter
freiem Himmel geſchlafen haben, ſind wir doch nie von ihnen
gebiſſen worden. Ueberdem iſt der Stich keineswegs gefähr-
lich und der Schmerz meiſt ſo unbedeutend, daß man erſt
aufwacht, wenn die Fledermaus ſich bereits davongemacht hat.
Am 4. April. Dies war unſer letzter Tag auf dem
Apure. Der Pflanzenwuchs an den Ufern wurde immer ein-
förmiger. Seit einigen Tagen, beſonders ſeit der Miſſion
Arichuna, fingen wir an, arg von den Inſekten gequält zu
werden, die ſich uns auf Geſicht und Hände ſetzten. Es waren
keine Moskiten, die den Habitus kleiner Mücken von der
Gattung Simulium haben, 1 ſondern Zancudos, echte Schna-
ken, aber von unſerem Culex pipiens ganz verſchieden. Sie
kommen erſt nach Sonnenuntergang zum Vorſchein; ihr Saug-
rüſſel iſt ſo lang, daß, wenn ſie ſich an die Unterſeite der
Hängematte ſetzen, ihr Stachel durch die Hängematte und die
dickſten Kleider dringt.
Wir wollten in der Vuelta del Palmito übernachten,
aber an dieſem Strich des Apure gibt es ſo viele Jaguare,
daß unſere Indianer, als ſie unſere Hängematten befeſtigen
wollten, ihrer zwei hinter einem Courbarilſtamm verſteckt
fanden. Man riet uns, das Schiff wieder zu beſteigen und unſer
Nachtlager auf der Inſel Apurito, ganz nahe beim Einfluß in
den Orinoko, aufzuſchlagen. Dieſer Teil der Inſel gehört zu der
Provinz Caracas, dagegen das rechte Ufer des Apure zu der
Provinz Varinas und das rechte Ufer des Orinoko zu Spaniſch-
Guyana. Wir fanden keine Bäume, um unſere Hängematten
zu befeſtigen, und mußten am Boden auf Ochſenhäuten ſchlafen.
1 Latreille hat gefunden, daß die Mouſtiques in Südkarolina
zur Gattung Simulium (Atractocera, Meigen) gehören.
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