Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.gehüllt. "Wie soll einer glauben," sagte er, "daß ihr euer Wir umgingen die Insel in Begleitung des Missionärs A. v. Humboldt, Reise. III. 4
gehüllt. „Wie ſoll einer glauben,“ ſagte er, „daß ihr euer Wir umgingen die Inſel in Begleitung des Miſſionärs A. v. Humboldt, Reiſe. III. 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0057" n="49"/> gehüllt. „Wie ſoll einer glauben,“ ſagte er, „daß ihr euer<lb/> Vaterland verlaſſen habt, um euch auf dieſem Fluſſe von den<lb/> Moskiten aufzehren zu laſſen und Land zu vermeſſen, das<lb/> euch nicht gehört?“ Zum Glück hatten wir Empfehlungen<lb/> vom Pater Gardian der Franziskaner-Miſſion bei uns, und<lb/> der Schwager des Statthalters von Varinas, der bei uns war,<lb/> machte bald den Bedenken ein Ende, die durch unſere Tracht,<lb/> unſern Accent und unſere Ankunft auf dieſem ſandigen Eiland<lb/> unter den Weißen aufgetaucht waren. Der Miſſionär lud<lb/> uns zu ſeinem frugalen Mahle aus Bananen und Fiſchen ein<lb/> und erzählte uns, er ſei mit den Indianern über die „Eier-<lb/> ernte“ herübergekommen, „um jeden Morgen unter freiem<lb/> Himmel die Meſſe zu leſen und ſich das Oel für die Altar-<lb/> lampe zu verſchaffen, beſonders aber um dieſe <hi rendition="#aq">Republica de<lb/> Indios y Castellanos</hi> in Ordnung zu halten, in der jeder<lb/> für ſich allein haben wollte, was Gott allen beſchert“.</p><lb/> <p>Wir umgingen die Inſel in Begleitung des Miſſionärs<lb/> und eines Pulpero, der ſich rühmte, daß er ſeit zehn Jahren<lb/> ins Lager der Indianer und zur Pesca de Tortugas komme.<lb/> Man beſucht dieſes Stück des Orinoko, wie man bei uns<lb/> die Meſſen von Frankfurt und Beaucaire beſucht. Wir be-<lb/> fanden uns auf einem ganz ebenen Sandſtriche. Man ſagte<lb/> uns: „So weit das Auge an den Ufern hin reicht, liegen<lb/> Schildkröteneier unter einer Erdſchicht.“ Der Miſſionär trug<lb/> eine lange Stange in der Hand. Er zeigte uns, wie man<lb/> mit der Stange (<hi rendition="#aq">vara</hi>) ſondiert, um zu ſehen, wie weit die<lb/> Eier <hi rendition="#g">ſchicht</hi> reicht, wie der Bergmann die Grenzen eines<lb/> Lagers von Mergel, Raſeneiſenſtein oder Steinkohle ermittelt.<lb/> Stößt man die Vara ſenkrecht in den Boden, ſo ſpürt man<lb/> daran, daß der Widerſtand auf einmal aufhört, daß man in<lb/> die Höhlung oder das loſe Erdreich, in dem die Eier liegen,<lb/> gedrungen iſt. Wie wir ſahen, iſt die <hi rendition="#g">Schicht</hi> im ganzen ſo<lb/> gleichförmig verbreitet, daß die Sonde in einem Halbmeſſer<lb/> von 19,5 <hi rendition="#aq">m</hi> rings um einen gegebenen Punkt ſicher darauf<lb/> ſtößt. Auch ſpricht man hier nur von <hi rendition="#g">Quadratſtangen<lb/> Eiern</hi>, wie wenn man ein Bodenſtück, unter dem Mine-<lb/> ralien liegen, in Loſe teilte und ganz regelmäßig abbaute.<lb/> Indeſſen bedeckt die Eierſchicht bei weitem nicht die ganze<lb/> Inſel; ſie hört überall auf, wo der Boden raſch anſteigt,<lb/> weil die Schildkröte auf dieſe kleinen Plateaus nicht hinauf-<lb/> kriechen kann. Ich erzählte meinen Führern von den hoch-<lb/> trabenden Beſchreibungen Pater Gumillas, wie die Ufer des<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A. v. <hi rendition="#g">Humboldt</hi>, Reiſe. <hi rendition="#aq">III.</hi> 4</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0057]
gehüllt. „Wie ſoll einer glauben,“ ſagte er, „daß ihr euer
Vaterland verlaſſen habt, um euch auf dieſem Fluſſe von den
Moskiten aufzehren zu laſſen und Land zu vermeſſen, das
euch nicht gehört?“ Zum Glück hatten wir Empfehlungen
vom Pater Gardian der Franziskaner-Miſſion bei uns, und
der Schwager des Statthalters von Varinas, der bei uns war,
machte bald den Bedenken ein Ende, die durch unſere Tracht,
unſern Accent und unſere Ankunft auf dieſem ſandigen Eiland
unter den Weißen aufgetaucht waren. Der Miſſionär lud
uns zu ſeinem frugalen Mahle aus Bananen und Fiſchen ein
und erzählte uns, er ſei mit den Indianern über die „Eier-
ernte“ herübergekommen, „um jeden Morgen unter freiem
Himmel die Meſſe zu leſen und ſich das Oel für die Altar-
lampe zu verſchaffen, beſonders aber um dieſe Republica de
Indios y Castellanos in Ordnung zu halten, in der jeder
für ſich allein haben wollte, was Gott allen beſchert“.
Wir umgingen die Inſel in Begleitung des Miſſionärs
und eines Pulpero, der ſich rühmte, daß er ſeit zehn Jahren
ins Lager der Indianer und zur Pesca de Tortugas komme.
Man beſucht dieſes Stück des Orinoko, wie man bei uns
die Meſſen von Frankfurt und Beaucaire beſucht. Wir be-
fanden uns auf einem ganz ebenen Sandſtriche. Man ſagte
uns: „So weit das Auge an den Ufern hin reicht, liegen
Schildkröteneier unter einer Erdſchicht.“ Der Miſſionär trug
eine lange Stange in der Hand. Er zeigte uns, wie man
mit der Stange (vara) ſondiert, um zu ſehen, wie weit die
Eier ſchicht reicht, wie der Bergmann die Grenzen eines
Lagers von Mergel, Raſeneiſenſtein oder Steinkohle ermittelt.
Stößt man die Vara ſenkrecht in den Boden, ſo ſpürt man
daran, daß der Widerſtand auf einmal aufhört, daß man in
die Höhlung oder das loſe Erdreich, in dem die Eier liegen,
gedrungen iſt. Wie wir ſahen, iſt die Schicht im ganzen ſo
gleichförmig verbreitet, daß die Sonde in einem Halbmeſſer
von 19,5 m rings um einen gegebenen Punkt ſicher darauf
ſtößt. Auch ſpricht man hier nur von Quadratſtangen
Eiern, wie wenn man ein Bodenſtück, unter dem Mine-
ralien liegen, in Loſe teilte und ganz regelmäßig abbaute.
Indeſſen bedeckt die Eierſchicht bei weitem nicht die ganze
Inſel; ſie hört überall auf, wo der Boden raſch anſteigt,
weil die Schildkröte auf dieſe kleinen Plateaus nicht hinauf-
kriechen kann. Ich erzählte meinen Führern von den hoch-
trabenden Beſchreibungen Pater Gumillas, wie die Ufer des
A. v. Humboldt, Reiſe. III. 4
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