über 330 m hoch, aber durch ihre Lage inmitten einer kleinen Ebene, durch ihre steilen, kahlen Abhänge erhalten sie etwas Großartiges. Auch hier sind wieder ungeheure, an den Rändern abgerundete Granitmassen, in Form von Parallelipi- peden, übereinander getürmt. Die Blöcke sind häufig 25 m lang und 6 bis 10 m breit. Man müßte glauben, sie seien durch eine äußere Gewalt übereinander gehäuft, wenn nicht ein ganz gleichartiges, nicht in Blöcke geteiltes, aber von Gänzen durchzogenes Gestein anstünde und deutlich verriete, daß das Zerfallen in Parallelipipede von atmosphärischen Einflüssen herrührt. Jene 5 bis 8 cm mächtigen Gänge be- stehen aus einem quarzreichen, feinkörnigen Granit im grob- körnigen, fast porphyrartigen, an schönen roten Feldspatkristallen reichen Granit. Umsonst habe ich mich in der Kordillere des Baraguan nach der Hornblende und den Specksteinmassen um- gesehen, die für mehrere Granite der Schweizer Alpen charak- teristisch sind.
Mitten in der Stromenge beim Baraguan gingen wir ans Land, um dieselbe zu messen. Die Felsen stehen so dicht am Flusse, daß ich nur mit Mühe eine Standlinie von 156 m abmessen konnte. Ich fand den Strom 1733 m breit. Um begreiflich zu finden, wie man diese Strecke eine Strom- enge nennen kann, muß man bedenken, daß der Strom von Uruana bis zum Einfluß des Meta meist 2920 bis 4870 m breit ist. Am selben, außerordentlich heißen und trockenen Punkte maß ich zwei ganz runde Granitgipfel, und fand sie nur 214 und 166 m hoch. Im Inneren der Bergkette sind wohl höhere Gipfel, im ganzen aber sind diese so wild aus- sehenden Berge lange nicht so hoch, als die Missionäre angeben.
In den Ritzen des Gesteines, das steil wie Mauern da- steht und Spuren von Schichtung zeigt, suchten wir vergeblich nach Pflanzen. Wir fanden nichts als einen alten Stamm der Aubletia Tiburda mit großer birnförmiger Frucht, und eine neue Art aus der Familie der Apocyneen (Allamanda salici- folia). Das ganze Gestein war mit zahllosen Leguanen und Gecko mit breiten, häutigen Zehen bedeckt. Regungslos, mit aufgerichtetem Kopfe und offenem Maule saßen die Eidechsen da und schienen sich von der heißen Luft durchströmen zu lassen. Der Thermometer, an die Felswand gehalten, stieg auf 50,2°. 1 Der Boden schien infolge der Luftspiegelung
1 40,1° R.
über 330 m hoch, aber durch ihre Lage inmitten einer kleinen Ebene, durch ihre ſteilen, kahlen Abhänge erhalten ſie etwas Großartiges. Auch hier ſind wieder ungeheure, an den Rändern abgerundete Granitmaſſen, in Form von Parallelipi- peden, übereinander getürmt. Die Blöcke ſind häufig 25 m lang und 6 bis 10 m breit. Man müßte glauben, ſie ſeien durch eine äußere Gewalt übereinander gehäuft, wenn nicht ein ganz gleichartiges, nicht in Blöcke geteiltes, aber von Gänzen durchzogenes Geſtein anſtünde und deutlich verriete, daß das Zerfallen in Parallelipipede von atmoſphäriſchen Einflüſſen herrührt. Jene 5 bis 8 cm mächtigen Gänge be- ſtehen aus einem quarzreichen, feinkörnigen Granit im grob- körnigen, faſt porphyrartigen, an ſchönen roten Feldſpatkriſtallen reichen Granit. Umſonſt habe ich mich in der Kordillere des Baraguan nach der Hornblende und den Speckſteinmaſſen um- geſehen, die für mehrere Granite der Schweizer Alpen charak- teriſtiſch ſind.
Mitten in der Stromenge beim Baraguan gingen wir ans Land, um dieſelbe zu meſſen. Die Felſen ſtehen ſo dicht am Fluſſe, daß ich nur mit Mühe eine Standlinie von 156 m abmeſſen konnte. Ich fand den Strom 1733 m breit. Um begreiflich zu finden, wie man dieſe Strecke eine Strom- enge nennen kann, muß man bedenken, daß der Strom von Uruana bis zum Einfluß des Meta meiſt 2920 bis 4870 m breit iſt. Am ſelben, außerordentlich heißen und trockenen Punkte maß ich zwei ganz runde Granitgipfel, und fand ſie nur 214 und 166 m hoch. Im Inneren der Bergkette ſind wohl höhere Gipfel, im ganzen aber ſind dieſe ſo wild aus- ſehenden Berge lange nicht ſo hoch, als die Miſſionäre angeben.
In den Ritzen des Geſteines, das ſteil wie Mauern da- ſteht und Spuren von Schichtung zeigt, ſuchten wir vergeblich nach Pflanzen. Wir fanden nichts als einen alten Stamm der Aubletia Tiburda mit großer birnförmiger Frucht, und eine neue Art aus der Familie der Apocyneen (Allamanda salici- folia). Das ganze Geſtein war mit zahlloſen Leguanen und Gecko mit breiten, häutigen Zehen bedeckt. Regungslos, mit aufgerichtetem Kopfe und offenem Maule ſaßen die Eidechſen da und ſchienen ſich von der heißen Luft durchſtrömen zu laſſen. Der Thermometer, an die Felswand gehalten, ſtieg auf 50,2°. 1 Der Boden ſchien infolge der Luftſpiegelung
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[62/0070]
über 330 m hoch, aber durch ihre Lage inmitten einer kleinen
Ebene, durch ihre ſteilen, kahlen Abhänge erhalten ſie etwas
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Rändern abgerundete Granitmaſſen, in Form von Parallelipi-
peden, übereinander getürmt. Die Blöcke ſind häufig 25 m
lang und 6 bis 10 m breit. Man müßte glauben, ſie ſeien
durch eine äußere Gewalt übereinander gehäuft, wenn nicht
ein ganz gleichartiges, nicht in Blöcke geteiltes, aber von
Gänzen durchzogenes Geſtein anſtünde und deutlich verriete,
daß das Zerfallen in Parallelipipede von atmoſphäriſchen
Einflüſſen herrührt. Jene 5 bis 8 cm mächtigen Gänge be-
ſtehen aus einem quarzreichen, feinkörnigen Granit im grob-
körnigen, faſt porphyrartigen, an ſchönen roten Feldſpatkriſtallen
reichen Granit. Umſonſt habe ich mich in der Kordillere des
Baraguan nach der Hornblende und den Speckſteinmaſſen um-
geſehen, die für mehrere Granite der Schweizer Alpen charak-
teriſtiſch ſind.
Mitten in der Stromenge beim Baraguan gingen wir
ans Land, um dieſelbe zu meſſen. Die Felſen ſtehen ſo dicht
am Fluſſe, daß ich nur mit Mühe eine Standlinie von 156 m
abmeſſen konnte. Ich fand den Strom 1733 m breit. Um
begreiflich zu finden, wie man dieſe Strecke eine Strom-
enge nennen kann, muß man bedenken, daß der Strom von
Uruana bis zum Einfluß des Meta meiſt 2920 bis 4870 m
breit iſt. Am ſelben, außerordentlich heißen und trockenen
Punkte maß ich zwei ganz runde Granitgipfel, und fand ſie
nur 214 und 166 m hoch. Im Inneren der Bergkette ſind
wohl höhere Gipfel, im ganzen aber ſind dieſe ſo wild aus-
ſehenden Berge lange nicht ſo hoch, als die Miſſionäre angeben.
In den Ritzen des Geſteines, das ſteil wie Mauern da-
ſteht und Spuren von Schichtung zeigt, ſuchten wir vergeblich
nach Pflanzen. Wir fanden nichts als einen alten Stamm der
Aubletia Tiburda mit großer birnförmiger Frucht, und eine
neue Art aus der Familie der Apocyneen (Allamanda salici-
folia). Das ganze Geſtein war mit zahlloſen Leguanen und
Gecko mit breiten, häutigen Zehen bedeckt. Regungslos, mit
aufgerichtetem Kopfe und offenem Maule ſaßen die Eidechſen
da und ſchienen ſich von der heißen Luft durchſtrömen zu
laſſen. Der Thermometer, an die Felswand gehalten, ſtieg
auf 50,2°. 1 Der Boden ſchien infolge der Luftſpiegelung
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/70>, abgerufen am 16.02.2025.
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