Kaiman, desto bitterer ist seine Rinde." Ich bezweifle nicht, daß die Aase dieser großen Reptilien, die der Seekühe, die 250 kg wiegen, und der Umstand, daß die im Flusse lebenden Delphine eine schleimige Haut haben, das Wasser verderben mögen, zumal in Buchten, wo die Strömung schwach ist. Indessen waren die Punkte, wo man das übelriechendste Wasser antraf, nicht immer solche, wo wir viele tote Tiere am Ufer liegen sahen. Wenn man in diesem heißen Klima, wo man fortwährend vom Durst geplagt ist, Flußwasser mit einer Temperatur von 27 bis 28° trinken muß, so wünscht man natürlich, daß ein so warmes, mit Sand verunreinigtes Wasser wenigstens geruchlos sein möchte.
Am 8. April. Im Weiterfahren lagen gegen Ost die Einmündungen des Suapure oder Sivapuri und des Caripo, gegen West die des Sinaruco. Letzterer Fluß ist nach dem Rio Arauca der bedeutendste zwischen Apure und Meta. Der Suapure, der eine Menge kleiner Fälle bildet, ist bei den Indianern wegen des vielen wilden Honigs berühmt, den die Waldungen liefern. Die Meliponen hängen dort ihre unge- heuren Stöcke an die Baumäste. Pater Gili hat im Jahre 1766 den Suapure und den Turiva, der sich in jenen er- gießt, befahren. Er fand dort Stämme der Nation der Areverier. Wir übernachteten ein wenig unterhalb der Insel Macupina.
Am 9. April. Wir langten frühmorgens am Strande von Pararuma an und fanden daselbst ein Lager von In- dianern, ähnlich dem, das wir an der Boca de la Tortuga gesehen. Man war beisammen, um den Sand aufzugraben, die Schildkröteneier zu sammeln und das Oel zu gewinnen, aber man war leider ein paar Tage zu spät daran. Die jungen Schildkröten waren ausgekrochen, ehe die Indianer ihr Lager aufgeschlagen hatten. Auch hatten sich die Krokodile und die Garzes, eine große weiße Reiherart, das Säumnis zu nutze gemacht. Diese Tiere lieben das Fleisch der jungen Schildkröten sehr und verzehren unzählige. Sie gehen auf diesen Fang bei Nacht aus, da die Tortuguillos erst nach der Abenddämmerung aus dem Boden kriechen und dem nahen Flusse zulaufen. Die Zamurosgeier sind zu träge, um nach Sonnenuntergang zu jagen. Bei Tage streifen sie an den Ufern umher und kommen mitten ins Lager der Indianer herein, um Eßwaren zu entwenden, und meist bleibt ihnen, um ihren Heißhunger zu stillen, nichts übrig, als auf dem
Kaiman, deſto bitterer iſt ſeine Rinde.“ Ich bezweifle nicht, daß die Aaſe dieſer großen Reptilien, die der Seekühe, die 250 kg wiegen, und der Umſtand, daß die im Fluſſe lebenden Delphine eine ſchleimige Haut haben, das Waſſer verderben mögen, zumal in Buchten, wo die Strömung ſchwach iſt. Indeſſen waren die Punkte, wo man das übelriechendſte Waſſer antraf, nicht immer ſolche, wo wir viele tote Tiere am Ufer liegen ſahen. Wenn man in dieſem heißen Klima, wo man fortwährend vom Durſt geplagt iſt, Flußwaſſer mit einer Temperatur von 27 bis 28° trinken muß, ſo wünſcht man natürlich, daß ein ſo warmes, mit Sand verunreinigtes Waſſer wenigſtens geruchlos ſein möchte.
Am 8. April. Im Weiterfahren lagen gegen Oſt die Einmündungen des Suapure oder Sivapuri und des Caripo, gegen Weſt die des Sinaruco. Letzterer Fluß iſt nach dem Rio Arauca der bedeutendſte zwiſchen Apure und Meta. Der Suapure, der eine Menge kleiner Fälle bildet, iſt bei den Indianern wegen des vielen wilden Honigs berühmt, den die Waldungen liefern. Die Meliponen hängen dort ihre unge- heuren Stöcke an die Baumäſte. Pater Gili hat im Jahre 1766 den Suapure und den Turiva, der ſich in jenen er- gießt, befahren. Er fand dort Stämme der Nation der Areverier. Wir übernachteten ein wenig unterhalb der Inſel Macupina.
Am 9. April. Wir langten frühmorgens am Strande von Pararuma an und fanden daſelbſt ein Lager von In- dianern, ähnlich dem, das wir an der Boca de la Tortuga geſehen. Man war beiſammen, um den Sand aufzugraben, die Schildkröteneier zu ſammeln und das Oel zu gewinnen, aber man war leider ein paar Tage zu ſpät daran. Die jungen Schildkröten waren ausgekrochen, ehe die Indianer ihr Lager aufgeſchlagen hatten. Auch hatten ſich die Krokodile und die Garzes, eine große weiße Reiherart, das Säumnis zu nutze gemacht. Dieſe Tiere lieben das Fleiſch der jungen Schildkröten ſehr und verzehren unzählige. Sie gehen auf dieſen Fang bei Nacht aus, da die Tortuguillos erſt nach der Abenddämmerung aus dem Boden kriechen und dem nahen Fluſſe zulaufen. Die Zamurosgeier ſind zu träge, um nach Sonnenuntergang zu jagen. Bei Tage ſtreifen ſie an den Ufern umher und kommen mitten ins Lager der Indianer herein, um Eßwaren zu entwenden, und meiſt bleibt ihnen, um ihren Heißhunger zu ſtillen, nichts übrig, als auf dem
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Kaiman, deſto bitterer iſt ſeine Rinde.“ Ich bezweifle
nicht, daß die Aaſe dieſer großen Reptilien, die der Seekühe,
die 250 kg wiegen, und der Umſtand, daß die im Fluſſe
lebenden Delphine eine ſchleimige Haut haben, das Waſſer
verderben mögen, zumal in Buchten, wo die Strömung ſchwach
iſt. Indeſſen waren die Punkte, wo man das übelriechendſte
Waſſer antraf, nicht immer ſolche, wo wir viele tote Tiere
am Ufer liegen ſahen. Wenn man in dieſem heißen Klima,
wo man fortwährend vom Durſt geplagt iſt, Flußwaſſer mit
einer Temperatur von 27 bis 28° trinken muß, ſo wünſcht
man natürlich, daß ein ſo warmes, mit Sand verunreinigtes
Waſſer wenigſtens geruchlos ſein möchte.
Am 8. April. Im Weiterfahren lagen gegen Oſt die
Einmündungen des Suapure oder Sivapuri und des Caripo,
gegen Weſt die des Sinaruco. Letzterer Fluß iſt nach dem
Rio Arauca der bedeutendſte zwiſchen Apure und Meta. Der
Suapure, der eine Menge kleiner Fälle bildet, iſt bei den
Indianern wegen des vielen wilden Honigs berühmt, den die
Waldungen liefern. Die Meliponen hängen dort ihre unge-
heuren Stöcke an die Baumäſte. Pater Gili hat im Jahre
1766 den Suapure und den Turiva, der ſich in jenen er-
gießt, befahren. Er fand dort Stämme der Nation der
Areverier. Wir übernachteten ein wenig unterhalb der Inſel
Macupina.
Am 9. April. Wir langten frühmorgens am Strande
von Pararuma an und fanden daſelbſt ein Lager von In-
dianern, ähnlich dem, das wir an der Boca de la Tortuga
geſehen. Man war beiſammen, um den Sand aufzugraben,
die Schildkröteneier zu ſammeln und das Oel zu gewinnen,
aber man war leider ein paar Tage zu ſpät daran. Die
jungen Schildkröten waren ausgekrochen, ehe die Indianer
ihr Lager aufgeſchlagen hatten. Auch hatten ſich die Krokodile
und die Garzes, eine große weiße Reiherart, das Säumnis
zu nutze gemacht. Dieſe Tiere lieben das Fleiſch der jungen
Schildkröten ſehr und verzehren unzählige. Sie gehen auf
dieſen Fang bei Nacht aus, da die Tortuguillos erſt nach der
Abenddämmerung aus dem Boden kriechen und dem nahen
Fluſſe zulaufen. Die Zamurosgeier ſind zu träge, um nach
Sonnenuntergang zu jagen. Bei Tage ſtreifen ſie an den
Ufern umher und kommen mitten ins Lager der Indianer
herein, um Eßwaren zu entwenden, und meiſt bleibt ihnen,
um ihren Heißhunger zu ſtillen, nichts übrig, als auf dem
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/72>, abgerufen am 16.02.2025.
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