Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.rasche Uebergang von Freude zu Trauer. Seine großen Augen 1 Ich führe bei dieser Gelegenheit an, daß ich niemals bemerkt
habe, daß ein Gemälde, auf dem Hasen und Rehe in natürlicher Größe und vortrefflich abgebildet waren, auf Jagdhunde, bei denen doch der Verstand sehr entwickelt schien, den mindesten Eindruck gemacht hätte. Gibt es einen beglaubigten Fall, wo ein Hund das Porträt seines Herrn in ganzer Figur erkannt hätte? In allen diesen Fällen wird das Gesicht nicht vom Geruch unterstützt. raſche Uebergang von Freude zu Trauer. Seine großen Augen 1 Ich führe bei dieſer Gelegenheit an, daß ich niemals bemerkt
habe, daß ein Gemälde, auf dem Haſen und Rehe in natürlicher Größe und vortrefflich abgebildet waren, auf Jagdhunde, bei denen doch der Verſtand ſehr entwickelt ſchien, den mindeſten Eindruck gemacht hätte. Gibt es einen beglaubigten Fall, wo ein Hund das Porträt ſeines Herrn in ganzer Figur erkannt hätte? In allen dieſen Fällen wird das Geſicht nicht vom Geruch unterſtützt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0083" n="75"/> raſche Uebergang von Freude zu Trauer. Seine großen Augen<lb/> füllen ſich mit Thränen, ſobald er über etwas ängſtlich wird.<lb/> Er iſt ſehr lüſtern nach Inſekten, beſonders nach Spinnen.<lb/> Das kleine Tier iſt ſo klug, daß ein Titi, den wir auf un-<lb/> ſerem Kanoe nach Angoſtura brachten, die Tafeln zu Cuviers<lb/><hi rendition="#aq">Tableau élémentaire d’histoire naturelle</hi> ganz gut unter-<lb/> ſchied. Dieſe Kupfer ſind nicht koloriert, und doch ſtreckte der<lb/> Titi raſch die kleine Hand aus, in der Hoffnung, eine Heu-<lb/> ſchrecke oder eine Weſpe zu erhaſchen, ſo oft wir ihm die<lb/> 11. Tafel vorhielten, auf der dieſe Inſekten abgebildet ſind.<lb/> Zeigte man ihm Skelette oder Köpfe von Säugetieren, blieb<lb/> er völlig gleichgültig. <note place="foot" n="1">Ich führe bei dieſer Gelegenheit an, daß ich niemals bemerkt<lb/> habe, daß ein Gemälde, auf dem Haſen und Rehe in natürlicher<lb/> Größe und vortrefflich abgebildet waren, auf Jagdhunde, bei denen<lb/> doch der Verſtand ſehr entwickelt ſchien, den mindeſten Eindruck<lb/> gemacht hätte. Gibt es einen beglaubigten Fall, wo ein Hund das<lb/> Porträt ſeines Herrn in ganzer Figur erkannt hätte? In allen<lb/> dieſen Fällen wird das Geſicht nicht vom Geruch unterſtützt.</note> Setzt man mehrere dieſer kleinen Affen,<lb/> die im ſelben Käfig beiſammen ſind, dem Regen aus, und<lb/> fällt die gewöhnliche Lufttemperatur raſch um 2 bis 3°, ſo<lb/> ſchlingen ſie ſich den Schwanz, der übrigens kein Wickelſchwanz<lb/> iſt, um den Hals und verſchränken Arme und Beine, um ſich<lb/> gegenſeitig zu erwärmen. Die indianiſchen Jäger erzählten<lb/> uns, man finde in den Wäldern häufig Haufen von 10, 12<lb/> ſolcher Affen, die erbärmlich ſchreien, weil die auswärts Stehen-<lb/> den in den Knäuel hinein möchten, um Wärme und Schutz<lb/> zu finden. Schießt man mit Pfeilen, die in <hi rendition="#aq">Curare des-<lb/> templado</hi> (in verdünntes Gift) getaucht ſind, auf einen ſolchen<lb/> Knäuel, ſo fängt man viele junge Affen auf einmal lebendig.<lb/> Der junge Titi bleibt im Fallen an ſeiner Mutter hängen,<lb/> und wird er durch den Sturz nicht verletzt, ſo weicht er nicht<lb/> von Schulter und Hals des toten Tieres. Die meiſten, die<lb/> man in den Hütten der Indianer lebend antrifft, ſind auf<lb/> dieſe Weiſe von den Leichen ihrer Mütter geriſſen worden.<lb/> Erwachſene Tiere, wenn ſie auch von leichten Wunden geneſen<lb/> ſind, gehen meiſt zu Grunde, ehe ſie ſich an den Zuſtand der<lb/> Gefangenſchaft gewöhnt haben. Die Titi ſind meiſt zarte,<lb/> furchtſame kleine Tiere. Sie ſind aus den Miſſionen am<lb/> Orinoko ſchwer an die Küſten von Cumana und Caracas zu<lb/> bringen. Sobald man die Waldregion hinter ſich hat und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0083]
raſche Uebergang von Freude zu Trauer. Seine großen Augen
füllen ſich mit Thränen, ſobald er über etwas ängſtlich wird.
Er iſt ſehr lüſtern nach Inſekten, beſonders nach Spinnen.
Das kleine Tier iſt ſo klug, daß ein Titi, den wir auf un-
ſerem Kanoe nach Angoſtura brachten, die Tafeln zu Cuviers
Tableau élémentaire d’histoire naturelle ganz gut unter-
ſchied. Dieſe Kupfer ſind nicht koloriert, und doch ſtreckte der
Titi raſch die kleine Hand aus, in der Hoffnung, eine Heu-
ſchrecke oder eine Weſpe zu erhaſchen, ſo oft wir ihm die
11. Tafel vorhielten, auf der dieſe Inſekten abgebildet ſind.
Zeigte man ihm Skelette oder Köpfe von Säugetieren, blieb
er völlig gleichgültig. 1 Setzt man mehrere dieſer kleinen Affen,
die im ſelben Käfig beiſammen ſind, dem Regen aus, und
fällt die gewöhnliche Lufttemperatur raſch um 2 bis 3°, ſo
ſchlingen ſie ſich den Schwanz, der übrigens kein Wickelſchwanz
iſt, um den Hals und verſchränken Arme und Beine, um ſich
gegenſeitig zu erwärmen. Die indianiſchen Jäger erzählten
uns, man finde in den Wäldern häufig Haufen von 10, 12
ſolcher Affen, die erbärmlich ſchreien, weil die auswärts Stehen-
den in den Knäuel hinein möchten, um Wärme und Schutz
zu finden. Schießt man mit Pfeilen, die in Curare des-
templado (in verdünntes Gift) getaucht ſind, auf einen ſolchen
Knäuel, ſo fängt man viele junge Affen auf einmal lebendig.
Der junge Titi bleibt im Fallen an ſeiner Mutter hängen,
und wird er durch den Sturz nicht verletzt, ſo weicht er nicht
von Schulter und Hals des toten Tieres. Die meiſten, die
man in den Hütten der Indianer lebend antrifft, ſind auf
dieſe Weiſe von den Leichen ihrer Mütter geriſſen worden.
Erwachſene Tiere, wenn ſie auch von leichten Wunden geneſen
ſind, gehen meiſt zu Grunde, ehe ſie ſich an den Zuſtand der
Gefangenſchaft gewöhnt haben. Die Titi ſind meiſt zarte,
furchtſame kleine Tiere. Sie ſind aus den Miſſionen am
Orinoko ſchwer an die Küſten von Cumana und Caracas zu
bringen. Sobald man die Waldregion hinter ſich hat und
1 Ich führe bei dieſer Gelegenheit an, daß ich niemals bemerkt
habe, daß ein Gemälde, auf dem Haſen und Rehe in natürlicher
Größe und vortrefflich abgebildet waren, auf Jagdhunde, bei denen
doch der Verſtand ſehr entwickelt ſchien, den mindeſten Eindruck
gemacht hätte. Gibt es einen beglaubigten Fall, wo ein Hund das
Porträt ſeines Herrn in ganzer Figur erkannt hätte? In allen
dieſen Fällen wird das Geſicht nicht vom Geruch unterſtützt.
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