Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.brachte um, was Widerstand zu leisten wagte, man brannte 1 Cartas edificantes de la Compannia de Jesus 1757.
brachte um, was Widerſtand zu leiſten wagte, man brannte 1 Cartas edificantes de la Compañia de Jesus 1757.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0091" n="83"/> brachte um, was Widerſtand zu leiſten wagte, man brannte<lb/> die Hütten nieder, zerſtörte die Pflanzungen und ſchleppte<lb/> Greiſe, Weiber und Kinder als Gefangene fort. Die Ge-<lb/> fangenen wurden ſofort in die Miſſionen am Meta, Rio<lb/> Negro und oberen Orinoko verteilt. Man wählte die ent-<lb/> legenſten Orte, damit ſie nicht in Verſuchung kämen, wieder<lb/> in ihr Heimatland zu entlaufen. Dieſes gewaltſame Mittel,<lb/><hi rendition="#g">Seelen zu erobern</hi>, war zwar nach ſpaniſchem Geſetz<lb/> verboten, wurde aber von den bürgerlichen Behörden geduldet<lb/> und von den Oberen der <hi rendition="#g">Geſellſchaft</hi>, als der Religion<lb/> und dem Aufkommen der Miſſionen förderlich, höchlich ge-<lb/> prieſen. „Die Stimme des Evangeliums,“ ſagt ein Jeſuit<lb/> vom Orinoko in den ‚erbaulichen Briefen‘ <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Cartas edificantes de la Compañia de Jesus</hi> 1757.</note> äußerſt naiv, „wird<lb/> nur da vernommen, wo die Indianer Pulver haben knallen<lb/> hören (<hi rendition="#aq">el eco de la polvora</hi>). Sanftmut iſt ein gar lang-<lb/> ſames Mittel. Durch Züchtigung erleichtert man ſich die Be-<lb/> kehrung der Eingeborenen.“ Dergleichen die Menſchheit ſchän-<lb/> dende Grundſätze wurden ſicher nicht von allen Gliedern<lb/> einer Geſellſchaft geteilt, die in der Neuen Welt und überall,<lb/> wo die Erziehung ausſchließlich in den Händen von Mönchen<lb/> geblieben iſt, der Wiſſenſchaft und der Kultur Dienſte geleiſtet<lb/> hat. Aber die <hi rendition="#g">Entradas</hi>, die <hi rendition="#g">geiſtlichen Eroberungen</hi><lb/> mit dem Bajonett waren einmal ein von einem Regiment,<lb/> bei dem es nur auf raſche Ausbreitung der Miſſionen ankam,<lb/> unzertrennlicher Greuel. Es thut dem Gemüte wohl, daß die<lb/> Franziskaner, Dominikaner und Auguſtiner, welche gegenwärtig<lb/> einen großen Teil von Südamerika regieren und, je nachdem<lb/> ſie von milder oder roher Sinnesart ſind, auf das Geſchick<lb/> von vielen Tauſenden von Eingeborenen den mächtigſten Ein-<lb/> fluß üben, nicht nach jenem Syſtem verfahren. Die Einfälle<lb/> mit bewaffneter Hand ſind faſt ganz abgeſtellt, und wo ſie<lb/> noch vorkommen, werden ſie von den Ordensoberen mißbilligt.<lb/> Wir wollen hier nicht ausmachen, ob dieſe Wendung des<lb/> Mönchregimentes zum Beſſeren daher rührt, daß die frühere<lb/> Thätigkeit erſchlafft iſt und der Lauheit und Indolenz Platz<lb/> gemacht hat, oder ob man darin, was man ſo gern thäte,<lb/> einen Beweis ſehen ſoll, daß die Aufklärung zunimmt und<lb/> eine höhere, dem wahren Geiſte des Chriſtentums entſprechen-<lb/> dere Geſinnung Platz greift.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [83/0091]
brachte um, was Widerſtand zu leiſten wagte, man brannte
die Hütten nieder, zerſtörte die Pflanzungen und ſchleppte
Greiſe, Weiber und Kinder als Gefangene fort. Die Ge-
fangenen wurden ſofort in die Miſſionen am Meta, Rio
Negro und oberen Orinoko verteilt. Man wählte die ent-
legenſten Orte, damit ſie nicht in Verſuchung kämen, wieder
in ihr Heimatland zu entlaufen. Dieſes gewaltſame Mittel,
Seelen zu erobern, war zwar nach ſpaniſchem Geſetz
verboten, wurde aber von den bürgerlichen Behörden geduldet
und von den Oberen der Geſellſchaft, als der Religion
und dem Aufkommen der Miſſionen förderlich, höchlich ge-
prieſen. „Die Stimme des Evangeliums,“ ſagt ein Jeſuit
vom Orinoko in den ‚erbaulichen Briefen‘ 1 äußerſt naiv, „wird
nur da vernommen, wo die Indianer Pulver haben knallen
hören (el eco de la polvora). Sanftmut iſt ein gar lang-
ſames Mittel. Durch Züchtigung erleichtert man ſich die Be-
kehrung der Eingeborenen.“ Dergleichen die Menſchheit ſchän-
dende Grundſätze wurden ſicher nicht von allen Gliedern
einer Geſellſchaft geteilt, die in der Neuen Welt und überall,
wo die Erziehung ausſchließlich in den Händen von Mönchen
geblieben iſt, der Wiſſenſchaft und der Kultur Dienſte geleiſtet
hat. Aber die Entradas, die geiſtlichen Eroberungen
mit dem Bajonett waren einmal ein von einem Regiment,
bei dem es nur auf raſche Ausbreitung der Miſſionen ankam,
unzertrennlicher Greuel. Es thut dem Gemüte wohl, daß die
Franziskaner, Dominikaner und Auguſtiner, welche gegenwärtig
einen großen Teil von Südamerika regieren und, je nachdem
ſie von milder oder roher Sinnesart ſind, auf das Geſchick
von vielen Tauſenden von Eingeborenen den mächtigſten Ein-
fluß üben, nicht nach jenem Syſtem verfahren. Die Einfälle
mit bewaffneter Hand ſind faſt ganz abgeſtellt, und wo ſie
noch vorkommen, werden ſie von den Ordensoberen mißbilligt.
Wir wollen hier nicht ausmachen, ob dieſe Wendung des
Mönchregimentes zum Beſſeren daher rührt, daß die frühere
Thätigkeit erſchlafft iſt und der Lauheit und Indolenz Platz
gemacht hat, oder ob man darin, was man ſo gern thäte,
einen Beweis ſehen ſoll, daß die Aufklärung zunimmt und
eine höhere, dem wahren Geiſte des Chriſtentums entſprechen-
dere Geſinnung Platz greift.
1 Cartas edificantes de la Compañia de Jesus 1757.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |