Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.nen belehrender und sicherer ist als der mittels des Dol- Die Umgegend der Mission Carichana schien uns aus- nen belehrender und ſicherer iſt als der mittels des Dol- Die Umgegend der Miſſion Carichana ſchien uns aus- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0095" n="87"/> nen belehrender und ſicherer iſt als der mittels des Dol-<lb/> metſchers, wenn man nur ſeine Fragen zu vereinfachen weiß und<lb/> dieſelben hintereinander an mehrere Individuen in verſchiedener<lb/> Geſtalt richtet. Zudem ſind der Mundarten, welche am Meta,<lb/> Orinoko, Caſſiquiare und Rio Negro geſprochen werden, ſo<lb/> unglaublich viele, daß der Reiſende ſelbſt mit dem bedeutend-<lb/> ſten Sprachtalent nie ſo viele derſelben ſich aneignen könnte,<lb/> um ſich längs der ſchiffbaren Ströme von Angoſtura bis zum<lb/> Fort San Carlos am Rio Negro verſtändlich zu machen. In<lb/> Peru und Quito kommt man mit der Kenntnis der Quichua-<lb/> oder Inkaſprache aus, in Chile mit dem Araukaniſchen, in<lb/> Paraguay mit dem Guarani; man kann ſich wenigſtens der<lb/> Mehrzahl der Bevölkerung verſtändlich machen. Ganz anders<lb/> in den Miſſionen in ſpaniſch Guyana, wo im ſelben Dorfe<lb/> Völker verſchiedenen Stammes untereinander wohnen. Hier<lb/> wäre es nicht einmal genug, wenn man folgende Sprachen<lb/> verſtünde: Karibiſch oder Carina, Guamo, Guahiva, Jaruro,<lb/> Otomaco, Maypure, Saliva, Marivitano, Maquiritare und<lb/> Guaica, zehn Sprachen, von denen es nur ganz rohe Sprach-<lb/> lehren gibt und die untereinander weniger verwandt ſind als<lb/> Griechiſch, Deutſch und Perſiſch.</p><lb/> <p>Die Umgegend der Miſſion Carichana ſchien uns aus-<lb/> gezeichnet ſchön. Das kleine Dorf liegt auf einer der gras-<lb/> bewachſenen Ebenen, wie ſie von Encaramada bis über die<lb/> Katarakte von Maypures hinauf ſich zwiſchen all den Ketten<lb/> der Granitberge hinziehen. Der Waldſaum zeigt ſich nur in<lb/> der Ferne. Ringsum iſt der Horizont von Bergen begrenzt,<lb/> zum Teil bewaldet, von düſterer Färbung, zum Teil kahl mit<lb/> felſigen Gipfeln, die der Strahl der untergehenden Sonne<lb/> vergoldet. Einen ganz eigentümlichen Charakter erhält die<lb/> Gegend durch die faſt ganz kahlen Felsbänke, die oft 260 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/> im Umfang haben und ſich kaum ein paar Centimeter über<lb/> die umgebende Grasflur erheben. Sie machen gegenwärtig<lb/> einen Teil der Ebene aus. Man fragt ſich mit Verwunde-<lb/> rung, ob hier ein ungewöhnlich ſtürmiſches Ereignis Damm-<lb/> erde und Gewächſe weggeriſſen, oder ob der Granitkern unſeres<lb/> Planeten hier nackt zu Tage tritt, weil ſich die Keime des<lb/> Lebens noch nicht auf allen Punkten entwickelt haben. Die-<lb/> ſelbe Erſcheinung ſcheint in <hi rendition="#g">Schamo</hi> zwiſchen der Mongolei<lb/> und China vorzukommen. Dieſe in der Wüſte zerſtreuten<lb/> Felsbänke heißen <hi rendition="#g">Tſy</hi>. Es wären, wie mir ſcheint, eigentliche<lb/> Plateaus, wären von der Ebene umher der Sand und die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0095]
nen belehrender und ſicherer iſt als der mittels des Dol-
metſchers, wenn man nur ſeine Fragen zu vereinfachen weiß und
dieſelben hintereinander an mehrere Individuen in verſchiedener
Geſtalt richtet. Zudem ſind der Mundarten, welche am Meta,
Orinoko, Caſſiquiare und Rio Negro geſprochen werden, ſo
unglaublich viele, daß der Reiſende ſelbſt mit dem bedeutend-
ſten Sprachtalent nie ſo viele derſelben ſich aneignen könnte,
um ſich längs der ſchiffbaren Ströme von Angoſtura bis zum
Fort San Carlos am Rio Negro verſtändlich zu machen. In
Peru und Quito kommt man mit der Kenntnis der Quichua-
oder Inkaſprache aus, in Chile mit dem Araukaniſchen, in
Paraguay mit dem Guarani; man kann ſich wenigſtens der
Mehrzahl der Bevölkerung verſtändlich machen. Ganz anders
in den Miſſionen in ſpaniſch Guyana, wo im ſelben Dorfe
Völker verſchiedenen Stammes untereinander wohnen. Hier
wäre es nicht einmal genug, wenn man folgende Sprachen
verſtünde: Karibiſch oder Carina, Guamo, Guahiva, Jaruro,
Otomaco, Maypure, Saliva, Marivitano, Maquiritare und
Guaica, zehn Sprachen, von denen es nur ganz rohe Sprach-
lehren gibt und die untereinander weniger verwandt ſind als
Griechiſch, Deutſch und Perſiſch.
Die Umgegend der Miſſion Carichana ſchien uns aus-
gezeichnet ſchön. Das kleine Dorf liegt auf einer der gras-
bewachſenen Ebenen, wie ſie von Encaramada bis über die
Katarakte von Maypures hinauf ſich zwiſchen all den Ketten
der Granitberge hinziehen. Der Waldſaum zeigt ſich nur in
der Ferne. Ringsum iſt der Horizont von Bergen begrenzt,
zum Teil bewaldet, von düſterer Färbung, zum Teil kahl mit
felſigen Gipfeln, die der Strahl der untergehenden Sonne
vergoldet. Einen ganz eigentümlichen Charakter erhält die
Gegend durch die faſt ganz kahlen Felsbänke, die oft 260 m
im Umfang haben und ſich kaum ein paar Centimeter über
die umgebende Grasflur erheben. Sie machen gegenwärtig
einen Teil der Ebene aus. Man fragt ſich mit Verwunde-
rung, ob hier ein ungewöhnlich ſtürmiſches Ereignis Damm-
erde und Gewächſe weggeriſſen, oder ob der Granitkern unſeres
Planeten hier nackt zu Tage tritt, weil ſich die Keime des
Lebens noch nicht auf allen Punkten entwickelt haben. Die-
ſelbe Erſcheinung ſcheint in Schamo zwiſchen der Mongolei
und China vorzukommen. Dieſe in der Wüſte zerſtreuten
Felsbänke heißen Tſy. Es wären, wie mir ſcheint, eigentliche
Plateaus, wären von der Ebene umher der Sand und die
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