Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.wie man zwei dieser Seen (den Cassipa und den Parime) seit Als wir im Begriffe waren, uns einzuschiffen, drängten Halten sich die Reisenden nur an ihr eigenes Gefühl, so wie man zwei dieſer Seen (den Caſſipa und den Parime) ſeit Als wir im Begriffe waren, uns einzuſchiffen, drängten Halten ſich die Reiſenden nur an ihr eigenes Gefühl, ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0102" n="94"/> wie man zwei dieſer Seen (den Caſſipa und den Parime) ſeit<lb/> dem 16. Jahrhundert verwechſelte und hin und her ſchob,<lb/> wie man endlich in den Namen der Nebenflüſſe des Rio<lb/> Branco den Schlüſſel zu den meiſten dieſer uralten Fiktionen<lb/> findet.</p><lb/> <p>Als wir im Begriffe waren, uns einzuſchiffen, drängten<lb/> ſich die Einwohner um uns, die weiß und von ſpaniſcher Ab-<lb/> kunft ſein wollen. Die armen Leute beſchworen uns, beim<lb/> Statthalter von Angoſtura ein gutes Wort für ſie einzulegen,<lb/> daß ſie in die Steppen (Llanos) zurückkehren dürften, oder,<lb/> wenn man ihnen dieſe Gnade verſage, daß man ſie in die<lb/> Miſſionen am Rio Negro verſetze, wo es doch kühler ſei und<lb/> nicht ſo viele Inſekten gebe. „Wie ſehr wir uns auch ver-<lb/> fehlt haben mögen,“ ſagten ſie, „wir haben es abgebüßt durch<lb/> zwanzig Jahre der Qual in dieſem Moskitoſchwarm.“ Ich<lb/> nahm mich in einem Berichte an die Regierung über die in-<lb/> duſtriellen und kommerziellen Verhältniſſe dieſer Länder der<lb/> Verwieſenen an, aber die Schritte, die ich that, blieben er-<lb/> folglos. Die Regierung war zur Zeit meiner Reiſe mild und<lb/> zu gelinden Maßregeln geneigt; wer aber das verwickelte<lb/> Räderwerk der alten ſpaniſchen Monarchie kennt, weiß auch,<lb/> daß der Geiſt eines Miniſteriums auf das Wohl der Bevölke-<lb/> rung am Orinoko, in Neukalifornien und auf den Philippinen<lb/> von ſehr geringem Einfluſſe war.</p><lb/> <p>Halten ſich die Reiſenden nur an ihr eigenes Gefühl, ſo<lb/> ſtreiten ſie ſich über die Menge der Moskiten, wie über die<lb/> allmähliche Zunahme und Abnahme der Temperatur. Die<lb/> Stimmung unſerer Organe, die Bewegung der Luft, das Maß<lb/> der Feuchtigkeit oder Trockenheit, die elektriſche Spannung<lb/> tauſenderlei Umſtände wirken zuſammen, daß wir von der<lb/> Hitze und den Inſekten bald mehr, bald weniger leiden. Meine<lb/> Reiſegefährten waren einſtimmig der Meinung, in Esmeralda<lb/> peinigen die Moskiten ärger als am Caſſiquiare und ſelbſt<lb/> in den beiden Miſſionen an den großen Katarakten; mir meiner-<lb/> ſeits, der ich für die hohe Lufttemperatur weniger empfindlich<lb/> war als ſie, ſchien der Hautreiz, den die Inſekten verurſachen,<lb/> in Esmeralda nicht ſo ſtark als an der Grenze des oberen<lb/> Orinoko. Wir brauchten kühlende Waſchwaſſer; Zitronenſaft<lb/> und noch mehr der Saft der Ananas lindern das Jucken der<lb/> alten Stiche bedeutend; die Geſchwulſt vergeht nicht davon,<lb/> wird aber weniger ſchmerzhaft. Hört man von dieſen leidigen<lb/> Inſekten der heißen Länder ſprechen, ſo findet man es kaum<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0102]
wie man zwei dieſer Seen (den Caſſipa und den Parime) ſeit
dem 16. Jahrhundert verwechſelte und hin und her ſchob,
wie man endlich in den Namen der Nebenflüſſe des Rio
Branco den Schlüſſel zu den meiſten dieſer uralten Fiktionen
findet.
Als wir im Begriffe waren, uns einzuſchiffen, drängten
ſich die Einwohner um uns, die weiß und von ſpaniſcher Ab-
kunft ſein wollen. Die armen Leute beſchworen uns, beim
Statthalter von Angoſtura ein gutes Wort für ſie einzulegen,
daß ſie in die Steppen (Llanos) zurückkehren dürften, oder,
wenn man ihnen dieſe Gnade verſage, daß man ſie in die
Miſſionen am Rio Negro verſetze, wo es doch kühler ſei und
nicht ſo viele Inſekten gebe. „Wie ſehr wir uns auch ver-
fehlt haben mögen,“ ſagten ſie, „wir haben es abgebüßt durch
zwanzig Jahre der Qual in dieſem Moskitoſchwarm.“ Ich
nahm mich in einem Berichte an die Regierung über die in-
duſtriellen und kommerziellen Verhältniſſe dieſer Länder der
Verwieſenen an, aber die Schritte, die ich that, blieben er-
folglos. Die Regierung war zur Zeit meiner Reiſe mild und
zu gelinden Maßregeln geneigt; wer aber das verwickelte
Räderwerk der alten ſpaniſchen Monarchie kennt, weiß auch,
daß der Geiſt eines Miniſteriums auf das Wohl der Bevölke-
rung am Orinoko, in Neukalifornien und auf den Philippinen
von ſehr geringem Einfluſſe war.
Halten ſich die Reiſenden nur an ihr eigenes Gefühl, ſo
ſtreiten ſie ſich über die Menge der Moskiten, wie über die
allmähliche Zunahme und Abnahme der Temperatur. Die
Stimmung unſerer Organe, die Bewegung der Luft, das Maß
der Feuchtigkeit oder Trockenheit, die elektriſche Spannung
tauſenderlei Umſtände wirken zuſammen, daß wir von der
Hitze und den Inſekten bald mehr, bald weniger leiden. Meine
Reiſegefährten waren einſtimmig der Meinung, in Esmeralda
peinigen die Moskiten ärger als am Caſſiquiare und ſelbſt
in den beiden Miſſionen an den großen Katarakten; mir meiner-
ſeits, der ich für die hohe Lufttemperatur weniger empfindlich
war als ſie, ſchien der Hautreiz, den die Inſekten verurſachen,
in Esmeralda nicht ſo ſtark als an der Grenze des oberen
Orinoko. Wir brauchten kühlende Waſchwaſſer; Zitronenſaft
und noch mehr der Saft der Ananas lindern das Jucken der
alten Stiche bedeutend; die Geſchwulſt vergeht nicht davon,
wird aber weniger ſchmerzhaft. Hört man von dieſen leidigen
Inſekten der heißen Länder ſprechen, ſo findet man es kaum
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