Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.von ungeheurem Umfang) der alten und der heutigen noma- Ich glaubte, bevor ich vom wildesten Striche des oberen von ungeheurem Umfang) der alten und der heutigen noma- Ich glaubte, bevor ich vom wildeſten Striche des oberen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0111" n="103"/> von ungeheurem Umfang) der alten und der heutigen noma-<lb/> diſchen Völker in Aſien erinnern. Auf den öſtlichen Ebenen<lb/> Südamerikas iſt durch die Uebermacht des Pflanzenwuchſes,<lb/> des heißen Klimas und die allzu große Freigebigkeit der Natur<lb/> der Fortſchritt der menſchlichen Kultur in noch engeren Schran-<lb/> ken gehalten worden. Zwiſchen Orinoko und Amazonenſtrom<lb/> habe ich von keinem Erdwall, von keinem Ueberbleibſel eines<lb/> Dammes, von keinem Grabhügel ſprechen hören; nur auf den<lb/> Felſen, und zwar auf einer weiten Landſtrecke, ſieht man, in<lb/> unbekannter Zeit von Menſchenhand eingegraben, rohe Um-<lb/> riſſe, die ſich an religiöſe Ueberlieferungen knüpfen. Wenn<lb/> einmal die Bewohner des doppelten Amerikas mit weniger<lb/> Geringſchätzung auf den Boden ſehen, der ſie ernährt, ſo wer-<lb/> den ſich die Spuren früherer Jahrhunderte unter unſeren Augen<lb/> von Tag zu Tag mehren. Ein ſchwacher Schimmer wird<lb/> ſich dann über die Geſchichte dieſer barbariſchen Völker ver-<lb/> breiten, über die Felswände, die uns verkünden, daß dieſe<lb/> jetzt ſo öden Länder einſt von thätigeren, geiſteskräftigeren<lb/> Geſchlechtern bewohnt waren.</p><lb/> <p>Ich glaubte, bevor ich vom wildeſten Striche des oberen<lb/> Orinoko ſcheide, Erſcheinungen beſprechen zu müſſen, die nur<lb/> dann von Bedeutung werden, wenn man ſie aus <hi rendition="#g">einem</hi> Ge-<lb/> ſichtspunkte betrachtet. Was ich von unſerer Fahrt von Es-<lb/> meralda bis zum Einfluſſe des Atabapo berichten könnte, wäre<lb/> nur trockene Aufzählung von Flüſſen und unbewohnten Orten.<lb/> Vom 24. bis 27. Mai ſchliefen wir nur zweimal am Lande,<lb/> und zwar das erſtemal am Einfluß des Rio Jao und dann<lb/> oberhalb der Miſſion Santa Barbara auf der Inſel Miniſi.<lb/> Da der Orinoko hier frei von Klippen iſt, führte uns der<lb/> indianiſche Steuermann die Nacht durch fort, indem er die<lb/> Piroge der Strömung überließ. Dieſes Stück meiner Karte<lb/> zwiſchen dem Jao und dem Ventuari iſt daher auch hinſicht-<lb/> lich der Krümmungen des Fluſſes nicht ſehr genau. Rechnet<lb/> man den Aufenthalt am Ufer, um den Reis und die Ba-<lb/> nanen zuzubereiten, ab, ſo brauchten wir von Esmeralda nach<lb/> Santa Barbara nur 35 Stunden. Dieſe Miſſion liegt nach<lb/> dem Chronometer unter 70° 3′ der Länge; wir hatten alſo<lb/> gegen 7,5 <hi rendition="#aq">km</hi> in der Stunde zurückgelegt, eine Geſchwindig-<lb/> keit (2,05 <hi rendition="#aq">m</hi> in der Sekunde), die zugleich auf Rechnung<lb/> der Strömung und der Bewegung der Ruder kommt. Die<lb/> Indianer behaupten, die Krokodile gehen im Orinoko nicht<lb/> über den Einfluß des Rio Jao hinauf, und die Seekühe<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0111]
von ungeheurem Umfang) der alten und der heutigen noma-
diſchen Völker in Aſien erinnern. Auf den öſtlichen Ebenen
Südamerikas iſt durch die Uebermacht des Pflanzenwuchſes,
des heißen Klimas und die allzu große Freigebigkeit der Natur
der Fortſchritt der menſchlichen Kultur in noch engeren Schran-
ken gehalten worden. Zwiſchen Orinoko und Amazonenſtrom
habe ich von keinem Erdwall, von keinem Ueberbleibſel eines
Dammes, von keinem Grabhügel ſprechen hören; nur auf den
Felſen, und zwar auf einer weiten Landſtrecke, ſieht man, in
unbekannter Zeit von Menſchenhand eingegraben, rohe Um-
riſſe, die ſich an religiöſe Ueberlieferungen knüpfen. Wenn
einmal die Bewohner des doppelten Amerikas mit weniger
Geringſchätzung auf den Boden ſehen, der ſie ernährt, ſo wer-
den ſich die Spuren früherer Jahrhunderte unter unſeren Augen
von Tag zu Tag mehren. Ein ſchwacher Schimmer wird
ſich dann über die Geſchichte dieſer barbariſchen Völker ver-
breiten, über die Felswände, die uns verkünden, daß dieſe
jetzt ſo öden Länder einſt von thätigeren, geiſteskräftigeren
Geſchlechtern bewohnt waren.
Ich glaubte, bevor ich vom wildeſten Striche des oberen
Orinoko ſcheide, Erſcheinungen beſprechen zu müſſen, die nur
dann von Bedeutung werden, wenn man ſie aus einem Ge-
ſichtspunkte betrachtet. Was ich von unſerer Fahrt von Es-
meralda bis zum Einfluſſe des Atabapo berichten könnte, wäre
nur trockene Aufzählung von Flüſſen und unbewohnten Orten.
Vom 24. bis 27. Mai ſchliefen wir nur zweimal am Lande,
und zwar das erſtemal am Einfluß des Rio Jao und dann
oberhalb der Miſſion Santa Barbara auf der Inſel Miniſi.
Da der Orinoko hier frei von Klippen iſt, führte uns der
indianiſche Steuermann die Nacht durch fort, indem er die
Piroge der Strömung überließ. Dieſes Stück meiner Karte
zwiſchen dem Jao und dem Ventuari iſt daher auch hinſicht-
lich der Krümmungen des Fluſſes nicht ſehr genau. Rechnet
man den Aufenthalt am Ufer, um den Reis und die Ba-
nanen zuzubereiten, ab, ſo brauchten wir von Esmeralda nach
Santa Barbara nur 35 Stunden. Dieſe Miſſion liegt nach
dem Chronometer unter 70° 3′ der Länge; wir hatten alſo
gegen 7,5 km in der Stunde zurückgelegt, eine Geſchwindig-
keit (2,05 m in der Sekunde), die zugleich auf Rechnung
der Strömung und der Bewegung der Ruder kommt. Die
Indianer behaupten, die Krokodile gehen im Orinoko nicht
über den Einfluß des Rio Jao hinauf, und die Seekühe
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |