Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.des Occidents, werden die ersten Herrscher, die Priesterkönige, Wir haben oben gesehen, daß die Region der Felsen mit des Occidents, werden die erſten Herrſcher, die Prieſterkönige, Wir haben oben geſehen, daß die Region der Felſen mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0110" n="102"/> des Occidents, werden die erſten Herrſcher, die Prieſterkönige,<lb/> deſſen, was menſchlich an ihnen iſt, entkleidet und zu National-<lb/> gottheiten erhoben. Amalivaca war ein Fremdling, wie Manco-<lb/> Capac, Bochica und Quetzalcohuatl, dieſe außerordentlichen<lb/> Menſchen, die im alpiniſchen oder civiliſierten Striche Ame-<lb/> rikas, auf den Hochebenen von Peru, Neugranada und Ana-<lb/> huac, die bürgerliche Geſellſchaft geordnet, den Opferdienſt<lb/> eingerichtet und religiöſe Brüderſchaften geſtiftet haben. Der<lb/> mexikaniſche Quetzalcohuatl, deſſen Nachkommen Montezuma<lb/> in den Begleitern des Cortez zu erkennen glaubte, hat noch<lb/> einen weiteren Zug mit Amalivaca, der mythiſchen Perſon<lb/> des barbariſchen Amerikas, der Ebenen der heißen Zone, ge-<lb/> mein. In hohem Alter verließ der Hoheprieſter von Tula das<lb/> Land Anahuac, das er mit ſeinen Wundern erfüllt, und ging<lb/> zurück in ein unbekanntes Land, genannt Tlalpallan. Als<lb/> der Mönch Bernhard von Sahagun nach Mexiko kam, richtete<lb/> man genau dieſelben Fragen an ihn, wie zweihundert Jahre<lb/> ſpäter in den Wäldern am Orinoko an den Miſſionär Gili:<lb/> man wollte wiſſen, ob er vom <hi rendition="#g">anderen Ufer</hi> komme, aus<lb/> dem Lande, wohin Quetzalcohuatl gegangen.</p><lb/> <p>Wir haben oben geſehen, daß die Region der Felſen mit<lb/> Bildwerk oder der <hi rendition="#g">gemalten Steine</hi> weit über den unteren<lb/> Orinoko, über den Landſtrich (7° 5′ bis 7° 40′ der Breite,<lb/> 68° 50′ bis 69° 45′ der Länge) hinausreicht, dem die Sage<lb/> angehört, die man als den <hi rendition="#g">Lokalmythus</hi> der Tamanaken<lb/> bezeichnen kann. Man findet dergleichen Felſen mit Bildern<lb/> zwiſchen dem Caſſiquiare und Atabapo (2° 5′ bis 3° 20′ der<lb/> Breite, 69° bis 70° der Länge), zwiſchen den Quellen des<lb/> Eſſequibo und des Rio Branco (3° 50′ der Breite, 62° 32′<lb/> der Länge). Ich behaupte nicht, daß dieſe Bilder beweiſen,<lb/> daß ihre Verfertiger den Gebrauch des Eiſens gekannt, auch<lb/> nicht, daß ſie auf eine bedeutende Kulturſtufe hinweiſen;<lb/> ſetzte man aber auch voraus, ſie haben keine ſymboliſche Be-<lb/> deutung, ſondern ſeien rein Erzeugniſſe müßiger Jägervölker,<lb/> ſo müßte man doch immer annehmen, daß vor den Völkern,<lb/> die jetzt am Orinoko und Rupunuri leben, eine ganz andere<lb/> Menſchenart hier gelebt. Je weniger in einem Lande Er-<lb/> innerungen an vergangene Geſchlechter leben, deſto wichtiger<lb/> iſt es, wo man ein Denkmal vor ſich zu haben glaubt, auch<lb/> die unbedeutendſten Spuren zu verfolgen. Auf den Ebenen<lb/> im Oſten Nordamerikas findet man nur jene merkwürdigen<lb/> Ringwälle, die an die feſten Lager (die angeblichen Städte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0110]
des Occidents, werden die erſten Herrſcher, die Prieſterkönige,
deſſen, was menſchlich an ihnen iſt, entkleidet und zu National-
gottheiten erhoben. Amalivaca war ein Fremdling, wie Manco-
Capac, Bochica und Quetzalcohuatl, dieſe außerordentlichen
Menſchen, die im alpiniſchen oder civiliſierten Striche Ame-
rikas, auf den Hochebenen von Peru, Neugranada und Ana-
huac, die bürgerliche Geſellſchaft geordnet, den Opferdienſt
eingerichtet und religiöſe Brüderſchaften geſtiftet haben. Der
mexikaniſche Quetzalcohuatl, deſſen Nachkommen Montezuma
in den Begleitern des Cortez zu erkennen glaubte, hat noch
einen weiteren Zug mit Amalivaca, der mythiſchen Perſon
des barbariſchen Amerikas, der Ebenen der heißen Zone, ge-
mein. In hohem Alter verließ der Hoheprieſter von Tula das
Land Anahuac, das er mit ſeinen Wundern erfüllt, und ging
zurück in ein unbekanntes Land, genannt Tlalpallan. Als
der Mönch Bernhard von Sahagun nach Mexiko kam, richtete
man genau dieſelben Fragen an ihn, wie zweihundert Jahre
ſpäter in den Wäldern am Orinoko an den Miſſionär Gili:
man wollte wiſſen, ob er vom anderen Ufer komme, aus
dem Lande, wohin Quetzalcohuatl gegangen.
Wir haben oben geſehen, daß die Region der Felſen mit
Bildwerk oder der gemalten Steine weit über den unteren
Orinoko, über den Landſtrich (7° 5′ bis 7° 40′ der Breite,
68° 50′ bis 69° 45′ der Länge) hinausreicht, dem die Sage
angehört, die man als den Lokalmythus der Tamanaken
bezeichnen kann. Man findet dergleichen Felſen mit Bildern
zwiſchen dem Caſſiquiare und Atabapo (2° 5′ bis 3° 20′ der
Breite, 69° bis 70° der Länge), zwiſchen den Quellen des
Eſſequibo und des Rio Branco (3° 50′ der Breite, 62° 32′
der Länge). Ich behaupte nicht, daß dieſe Bilder beweiſen,
daß ihre Verfertiger den Gebrauch des Eiſens gekannt, auch
nicht, daß ſie auf eine bedeutende Kulturſtufe hinweiſen;
ſetzte man aber auch voraus, ſie haben keine ſymboliſche Be-
deutung, ſondern ſeien rein Erzeugniſſe müßiger Jägervölker,
ſo müßte man doch immer annehmen, daß vor den Völkern,
die jetzt am Orinoko und Rupunuri leben, eine ganz andere
Menſchenart hier gelebt. Je weniger in einem Lande Er-
innerungen an vergangene Geſchlechter leben, deſto wichtiger
iſt es, wo man ein Denkmal vor ſich zu haben glaubt, auch
die unbedeutendſten Spuren zu verfolgen. Auf den Ebenen
im Oſten Nordamerikas findet man nur jene merkwürdigen
Ringwälle, die an die feſten Lager (die angeblichen Städte
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