Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

lange Aequinoktialnacht schlaflos im Lärm der Raudals zu-
zubringen. Bonpland faßte den Entschluß, mich mit Don
Nicolas Soto auf der Insel zu lassen und über die Fluß-
arme zwischen den Granitdämmen zu schwimmen. Er hoffte
den Wald erreichen und in der Mission bei Pater Zea Bei-
stand holen zu können. Nur mit Mühe hielten wir ihn von
diesem gewagten Beginnen ab. Er war unbekannt mit dem
Labyrinth von Wasserrinnen, in die der Orinoko zerschlagen
ist und in denen meist starke Wirbel sind. Und was jetzt,
da wir eben über unsere Lage beratschlagten, unter unseren
Augen vorging, bewies hinreichend, daß die Indianer fälsch-
lich behauptet hatten, in den Katarakten gäbe es keine Kroko-
dile. Die kleinen Affen, die wir seit mehreren Monaten mit
uns führten, hatten wir auf die Spitze unserer Insel gestellt;
vom Gewitterregen durchnäßt und für die geringste Wärme-
abnahme empfindlich, wie sie sind, erhoben die zärtlichen Tiere
ein klägliches Geschrei und lockten damit zwei nach ihrer Größe
und ihrer bleigrauen Farbe sehr alte Krokodile herbei. Bei
dieser unerwarteten Erscheinung war uns der Gedanke, daß
wir bei unserem ersten Aufenthalt in Atures mitten im Rau-
dal gebadet, eben nicht behaglich. Nach langem Warten kamen
die Indianer endlich, als schon der Tag sich neigte. Die
Staffel, über die sie hatten herab wollen, um die Insel zu
umfahren, war wegen zu seichten Wassers nicht fahrbar, und
der Steuermann hatte im Gewirre von Felsen und kleinen
Inseln lange nach einer besseren Durchfahrt suchen müssen.
Zum Glück war unsere Piroge nicht beschädigt und in we-
niger als einer halben Stunde waren unsere Instrumente,
unsere Mundvorräte und unsere Tiere eingeschifft.

Wir fuhren einen Teil der Nacht durch, um unser Nacht-
lager wieder auf der Insel Panumana aufzuschlagen. Mit
Vergnügen erkannten wir die Plätze wieder, wo wir bei der
Fahrt den Orinoko hinauf botanisiert hatten. Wir unter-
suchten noch einmal am Ufer die kleine Sandsteinformation,
die unmittelbar dem Granit aufgelagert ist. Das Vorkommen
ist dasselbe wie beim Sandstein, den mein unglücklicher Lands-
mann Burckhardt an der Grenze von Nubien dem Granit
von Syene aufgelagert gesehen hat. Wir fuhren, ohne sie
zu betreten, an der neuen Mission San Borja vorüber und
hörten einige Tage darauf mit Bedauern, die kleine Kolonie
von Guahibosindianern sei al monte gelaufen, da sie sich
eingebildet, wir wollen sie fortschleppen und als Poitos, das

lange Aequinoktialnacht ſchlaflos im Lärm der Raudals zu-
zubringen. Bonpland faßte den Entſchluß, mich mit Don
Nicolas Soto auf der Inſel zu laſſen und über die Fluß-
arme zwiſchen den Granitdämmen zu ſchwimmen. Er hoffte
den Wald erreichen und in der Miſſion bei Pater Zea Bei-
ſtand holen zu können. Nur mit Mühe hielten wir ihn von
dieſem gewagten Beginnen ab. Er war unbekannt mit dem
Labyrinth von Waſſerrinnen, in die der Orinoko zerſchlagen
iſt und in denen meiſt ſtarke Wirbel ſind. Und was jetzt,
da wir eben über unſere Lage beratſchlagten, unter unſeren
Augen vorging, bewies hinreichend, daß die Indianer fälſch-
lich behauptet hatten, in den Katarakten gäbe es keine Kroko-
dile. Die kleinen Affen, die wir ſeit mehreren Monaten mit
uns führten, hatten wir auf die Spitze unſerer Inſel geſtellt;
vom Gewitterregen durchnäßt und für die geringſte Wärme-
abnahme empfindlich, wie ſie ſind, erhoben die zärtlichen Tiere
ein klägliches Geſchrei und lockten damit zwei nach ihrer Größe
und ihrer bleigrauen Farbe ſehr alte Krokodile herbei. Bei
dieſer unerwarteten Erſcheinung war uns der Gedanke, daß
wir bei unſerem erſten Aufenthalt in Atures mitten im Rau-
dal gebadet, eben nicht behaglich. Nach langem Warten kamen
die Indianer endlich, als ſchon der Tag ſich neigte. Die
Staffel, über die ſie hatten herab wollen, um die Inſel zu
umfahren, war wegen zu ſeichten Waſſers nicht fahrbar, und
der Steuermann hatte im Gewirre von Felſen und kleinen
Inſeln lange nach einer beſſeren Durchfahrt ſuchen müſſen.
Zum Glück war unſere Piroge nicht beſchädigt und in we-
niger als einer halben Stunde waren unſere Inſtrumente,
unſere Mundvorräte und unſere Tiere eingeſchifft.

Wir fuhren einen Teil der Nacht durch, um unſer Nacht-
lager wieder auf der Inſel Panumana aufzuſchlagen. Mit
Vergnügen erkannten wir die Plätze wieder, wo wir bei der
Fahrt den Orinoko hinauf botaniſiert hatten. Wir unter-
ſuchten noch einmal am Ufer die kleine Sandſteinformation,
die unmittelbar dem Granit aufgelagert iſt. Das Vorkommen
iſt dasſelbe wie beim Sandſtein, den mein unglücklicher Lands-
mann Burckhardt an der Grenze von Nubien dem Granit
von Syene aufgelagert geſehen hat. Wir fuhren, ohne ſie
zu betreten, an der neuen Miſſion San Borja vorüber und
hörten einige Tage darauf mit Bedauern, die kleine Kolonie
von Guahibosindianern ſei al monte gelaufen, da ſie ſich
eingebildet, wir wollen ſie fortſchleppen und als Poitos, das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0127" n="119"/>
lange Aequinoktialnacht &#x017F;chlaflos im Lärm der Raudals zu-<lb/>
zubringen. Bonpland faßte den Ent&#x017F;chluß, mich mit Don<lb/>
Nicolas Soto auf der In&#x017F;el zu la&#x017F;&#x017F;en und über die Fluß-<lb/>
arme zwi&#x017F;chen den Granitdämmen zu &#x017F;chwimmen. Er hoffte<lb/>
den Wald erreichen und in der Mi&#x017F;&#x017F;ion bei Pater Zea Bei-<lb/>
&#x017F;tand holen zu können. Nur mit Mühe hielten wir ihn von<lb/>
die&#x017F;em gewagten Beginnen ab. Er war unbekannt mit dem<lb/>
Labyrinth von Wa&#x017F;&#x017F;errinnen, in die der Orinoko zer&#x017F;chlagen<lb/>
i&#x017F;t und in denen mei&#x017F;t &#x017F;tarke Wirbel &#x017F;ind. Und was jetzt,<lb/>
da wir eben über un&#x017F;ere Lage berat&#x017F;chlagten, unter un&#x017F;eren<lb/>
Augen vorging, bewies hinreichend, daß die Indianer fäl&#x017F;ch-<lb/>
lich behauptet hatten, in den Katarakten gäbe es keine Kroko-<lb/>
dile. Die kleinen Affen, die wir &#x017F;eit mehreren Monaten mit<lb/>
uns führten, hatten wir auf die Spitze un&#x017F;erer In&#x017F;el ge&#x017F;tellt;<lb/>
vom Gewitterregen durchnäßt und für die gering&#x017F;te Wärme-<lb/>
abnahme empfindlich, wie &#x017F;ie &#x017F;ind, erhoben die zärtlichen Tiere<lb/>
ein klägliches Ge&#x017F;chrei und lockten damit zwei nach ihrer Größe<lb/>
und ihrer bleigrauen Farbe &#x017F;ehr alte Krokodile herbei. Bei<lb/>
die&#x017F;er unerwarteten Er&#x017F;cheinung war uns der Gedanke, daß<lb/>
wir bei un&#x017F;erem er&#x017F;ten Aufenthalt in Atures mitten im Rau-<lb/>
dal gebadet, eben nicht behaglich. Nach langem Warten kamen<lb/>
die Indianer endlich, als &#x017F;chon der Tag &#x017F;ich neigte. Die<lb/>
Staffel, über die &#x017F;ie hatten herab wollen, um die In&#x017F;el zu<lb/>
umfahren, war wegen zu &#x017F;eichten Wa&#x017F;&#x017F;ers nicht fahrbar, und<lb/>
der Steuermann hatte im Gewirre von Fel&#x017F;en und kleinen<lb/>
In&#x017F;eln lange nach einer be&#x017F;&#x017F;eren Durchfahrt &#x017F;uchen mü&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Zum Glück war un&#x017F;ere Piroge nicht be&#x017F;chädigt und in we-<lb/>
niger als einer halben Stunde waren un&#x017F;ere In&#x017F;trumente,<lb/>
un&#x017F;ere Mundvorräte und un&#x017F;ere Tiere einge&#x017F;chifft.</p><lb/>
          <p>Wir fuhren einen Teil der Nacht durch, um un&#x017F;er Nacht-<lb/>
lager wieder auf der In&#x017F;el Panumana aufzu&#x017F;chlagen. Mit<lb/>
Vergnügen erkannten wir die Plätze wieder, wo wir bei der<lb/>
Fahrt den Orinoko hinauf botani&#x017F;iert hatten. Wir unter-<lb/>
&#x017F;uchten noch einmal am Ufer die kleine Sand&#x017F;teinformation,<lb/>
die unmittelbar dem Granit aufgelagert i&#x017F;t. Das Vorkommen<lb/>
i&#x017F;t das&#x017F;elbe wie beim Sand&#x017F;tein, den mein unglücklicher Lands-<lb/>
mann Burckhardt an der Grenze von Nubien dem Granit<lb/>
von Syene aufgelagert ge&#x017F;ehen hat. Wir fuhren, ohne &#x017F;ie<lb/>
zu betreten, an der neuen Mi&#x017F;&#x017F;ion San Borja vorüber und<lb/>
hörten einige Tage darauf mit Bedauern, die kleine Kolonie<lb/>
von Guahibosindianern &#x017F;ei <hi rendition="#aq">al monte</hi> gelaufen, da &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
eingebildet, wir wollen &#x017F;ie fort&#x017F;chleppen und als Poitos, das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0127] lange Aequinoktialnacht ſchlaflos im Lärm der Raudals zu- zubringen. Bonpland faßte den Entſchluß, mich mit Don Nicolas Soto auf der Inſel zu laſſen und über die Fluß- arme zwiſchen den Granitdämmen zu ſchwimmen. Er hoffte den Wald erreichen und in der Miſſion bei Pater Zea Bei- ſtand holen zu können. Nur mit Mühe hielten wir ihn von dieſem gewagten Beginnen ab. Er war unbekannt mit dem Labyrinth von Waſſerrinnen, in die der Orinoko zerſchlagen iſt und in denen meiſt ſtarke Wirbel ſind. Und was jetzt, da wir eben über unſere Lage beratſchlagten, unter unſeren Augen vorging, bewies hinreichend, daß die Indianer fälſch- lich behauptet hatten, in den Katarakten gäbe es keine Kroko- dile. Die kleinen Affen, die wir ſeit mehreren Monaten mit uns führten, hatten wir auf die Spitze unſerer Inſel geſtellt; vom Gewitterregen durchnäßt und für die geringſte Wärme- abnahme empfindlich, wie ſie ſind, erhoben die zärtlichen Tiere ein klägliches Geſchrei und lockten damit zwei nach ihrer Größe und ihrer bleigrauen Farbe ſehr alte Krokodile herbei. Bei dieſer unerwarteten Erſcheinung war uns der Gedanke, daß wir bei unſerem erſten Aufenthalt in Atures mitten im Rau- dal gebadet, eben nicht behaglich. Nach langem Warten kamen die Indianer endlich, als ſchon der Tag ſich neigte. Die Staffel, über die ſie hatten herab wollen, um die Inſel zu umfahren, war wegen zu ſeichten Waſſers nicht fahrbar, und der Steuermann hatte im Gewirre von Felſen und kleinen Inſeln lange nach einer beſſeren Durchfahrt ſuchen müſſen. Zum Glück war unſere Piroge nicht beſchädigt und in we- niger als einer halben Stunde waren unſere Inſtrumente, unſere Mundvorräte und unſere Tiere eingeſchifft. Wir fuhren einen Teil der Nacht durch, um unſer Nacht- lager wieder auf der Inſel Panumana aufzuſchlagen. Mit Vergnügen erkannten wir die Plätze wieder, wo wir bei der Fahrt den Orinoko hinauf botaniſiert hatten. Wir unter- ſuchten noch einmal am Ufer die kleine Sandſteinformation, die unmittelbar dem Granit aufgelagert iſt. Das Vorkommen iſt dasſelbe wie beim Sandſtein, den mein unglücklicher Lands- mann Burckhardt an der Grenze von Nubien dem Granit von Syene aufgelagert geſehen hat. Wir fuhren, ohne ſie zu betreten, an der neuen Miſſion San Borja vorüber und hörten einige Tage darauf mit Bedauern, die kleine Kolonie von Guahibosindianern ſei al monte gelaufen, da ſie ſich eingebildet, wir wollen ſie fortſchleppen und als Poitos, das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/127
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/127>, abgerufen am 18.05.2024.