Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.bissen eine gelbliche Erde, die sie Caouac nennen. Die Im Indischen Archipel, auf Java, sah Labillardiere zwi- biſſen eine gelbliche Erde, die ſie Caouac nennen. Die Im Indiſchen Archipel, auf Java, ſah Labillardière zwi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0134" n="126"/> biſſen eine gelbliche Erde, die ſie <hi rendition="#g">Caouac</hi> nennen. Die<lb/> nach Amerika gebrachten Sklaven ſuchen ſich denſelben Genuß<lb/> zu verſchaffen, aber immer auf Koſten ihrer Geſundheit. Sie<lb/> ſagen, „die Erde auf den Antillen ſei nicht ſo verdaulich, wie<lb/> die in ihrem Lande“. Thibaut de Chanvalon äußert in ſeiner<lb/> Reiſe nach Martinique über dieſe pathologiſche Erſcheinung<lb/> ſehr richtig: „Eine andere Urſache des Magenwehs iſt, daß<lb/> manche Neger, die von der Küſte von Guinea herüberkommen,<lb/> Erde eſſen. Es iſt dies bei ihnen nicht verdorbener Geſchmack<lb/> oder Folge einer Krankheit, ſondern Gewöhnung von Afrika<lb/> her, wo ſie, wie ſie ſagen, eine gewiſſe Erde eſſen, die ihnen<lb/> wohlſchmeckt, und zwar ohne davon beläſtigt zu werden. Auf<lb/> unſeren Inſeln ſehen ſie ſich nun nach der Erde um, die<lb/> jener am nächſten kommt, und greifen zu einem rotgelben<lb/> (vulkaniſchen) Tuff. Man verkauft denſelben heimlich auf den<lb/> Märkten, ein Mißbrauch, dem die Polizei ſteuern ſollte. Die<lb/> Neger, welche dieſe Unſitte haben, ſind ſo lüſtern nach <hi rendition="#g">Caouac</hi>,<lb/> daß keine Strafe ſie vom Genuß desſelben abzuhalten vermag.“</p><lb/> <p>Im Indiſchen Archipel, auf Java, ſah Labillardi<hi rendition="#aq">è</hi>re zwi-<lb/> ſchen Surabaya und Samarang kleine viereckige, rötliche<lb/> Kuchen verkaufen. Dieſe Kuchen, <hi rendition="#g">Tanaampo</hi> genannt,<lb/> waren Waffeln aus leicht geröſtetem Thon, den die Ein-<lb/> geborenen mit Appetit verzehren. Da ſeit meiner Rückkehr<lb/> vom Orinoko die Phyſiologen auf dieſe Erſcheinungen von<lb/><hi rendition="#g">Geophagie</hi> aufmerkſam geworden waren, ſo machte Leſchenault<lb/> (einer der Naturforſcher bei der Entdeckungsreiſe nach Au-<lb/> ſtralien unter Kapitän Baudin) intereſſante Angaben über<lb/> den <hi rendition="#g">Tanaampo</hi> oder <hi rendition="#g">Ampo</hi> der Javaner. „Man legt,“<lb/> ſagt er, „den rötlichen, etwas eiſenſchüſſigen Thon, den die<lb/> Einwohner von Java zuweilen als Leckerei genießen, in kleinen<lb/> Rollen, in der Form wie die Zimtrinde, auf eine Blechplatte<lb/> und röſtet ihn; in dieſer Form heißt er <hi rendition="#g">Ampo</hi> und iſt<lb/> auf dem Markte feil. Die Subſtanz hat einen eigentümlichen<lb/> Geſchmack, der vom Röſten herrührt; ſie iſt ſtark abſorbierend,<lb/> klebt an der Zunge und macht ſie trocken. Der Ampo wird<lb/> faſt nur von den javaniſchen Weibern gegeſſen, entweder<lb/> in der Schwangerſchaft, oder weil ſie mager werden wollen,<lb/> denn Mangel an Körperfülle gilt dortzulande für ſchön. Der<lb/> Erdegenuß iſt der Geſundheit nachteilig; die Weiber verlieren<lb/> allmählich die Eßluſt und nehmen nur mit Widerwillen ſehr<lb/> wenig Speiſe zu ſich. Aber der Wunſch, mager und ſchlank<lb/> zu bleiben, läßt ſie aller Gefahr trotzen und erhält den Ampo<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0134]
biſſen eine gelbliche Erde, die ſie Caouac nennen. Die
nach Amerika gebrachten Sklaven ſuchen ſich denſelben Genuß
zu verſchaffen, aber immer auf Koſten ihrer Geſundheit. Sie
ſagen, „die Erde auf den Antillen ſei nicht ſo verdaulich, wie
die in ihrem Lande“. Thibaut de Chanvalon äußert in ſeiner
Reiſe nach Martinique über dieſe pathologiſche Erſcheinung
ſehr richtig: „Eine andere Urſache des Magenwehs iſt, daß
manche Neger, die von der Küſte von Guinea herüberkommen,
Erde eſſen. Es iſt dies bei ihnen nicht verdorbener Geſchmack
oder Folge einer Krankheit, ſondern Gewöhnung von Afrika
her, wo ſie, wie ſie ſagen, eine gewiſſe Erde eſſen, die ihnen
wohlſchmeckt, und zwar ohne davon beläſtigt zu werden. Auf
unſeren Inſeln ſehen ſie ſich nun nach der Erde um, die
jener am nächſten kommt, und greifen zu einem rotgelben
(vulkaniſchen) Tuff. Man verkauft denſelben heimlich auf den
Märkten, ein Mißbrauch, dem die Polizei ſteuern ſollte. Die
Neger, welche dieſe Unſitte haben, ſind ſo lüſtern nach Caouac,
daß keine Strafe ſie vom Genuß desſelben abzuhalten vermag.“
Im Indiſchen Archipel, auf Java, ſah Labillardière zwi-
ſchen Surabaya und Samarang kleine viereckige, rötliche
Kuchen verkaufen. Dieſe Kuchen, Tanaampo genannt,
waren Waffeln aus leicht geröſtetem Thon, den die Ein-
geborenen mit Appetit verzehren. Da ſeit meiner Rückkehr
vom Orinoko die Phyſiologen auf dieſe Erſcheinungen von
Geophagie aufmerkſam geworden waren, ſo machte Leſchenault
(einer der Naturforſcher bei der Entdeckungsreiſe nach Au-
ſtralien unter Kapitän Baudin) intereſſante Angaben über
den Tanaampo oder Ampo der Javaner. „Man legt,“
ſagt er, „den rötlichen, etwas eiſenſchüſſigen Thon, den die
Einwohner von Java zuweilen als Leckerei genießen, in kleinen
Rollen, in der Form wie die Zimtrinde, auf eine Blechplatte
und röſtet ihn; in dieſer Form heißt er Ampo und iſt
auf dem Markte feil. Die Subſtanz hat einen eigentümlichen
Geſchmack, der vom Röſten herrührt; ſie iſt ſtark abſorbierend,
klebt an der Zunge und macht ſie trocken. Der Ampo wird
faſt nur von den javaniſchen Weibern gegeſſen, entweder
in der Schwangerſchaft, oder weil ſie mager werden wollen,
denn Mangel an Körperfülle gilt dortzulande für ſchön. Der
Erdegenuß iſt der Geſundheit nachteilig; die Weiber verlieren
allmählich die Eßluſt und nehmen nur mit Widerwillen ſehr
wenig Speiſe zu ſich. Aber der Wunſch, mager und ſchlank
zu bleiben, läßt ſie aller Gefahr trotzen und erhält den Ampo
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