Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war das unge- Außer dem eben bezeichneten Landstriche (dem Dorado de Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war das unge- Außer dem eben bezeichneten Landſtriche (dem Dorado de <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0197" n="189"/> <p>Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war das unge-<lb/> heure Gebiet zwiſchen den Bergen von Franzöſiſch-Guyana<lb/> und den Wäldern am oberen Orinoko, zwiſchen den Quellen<lb/> des Rio Carony und dem Amazonenſtrom (von 0 bis 4°<lb/> nördlicher Breite und vom 57. bis 68. Grade der Länge) ſo wenig<lb/> bekannt, daß die Geographen nach Gefallen Seen, Flußver-<lb/> bindungen, mehr oder weniger hohe Berge einzeichnen konnten.<lb/> Sie haben ſich dieſer Freiheit in vollem Maße bedient, und<lb/> die Lage der Seen, wie der Lauf und die Verzweigungen<lb/> der Flüſſe wurden ſo verſchiedenartig dargeſtellt, daß es nicht<lb/> zu wundern wäre, wenn ſich unter den zahlloſen Karten ein<lb/> paar fänden, die das Richtige getroffen hätten. Heutzutage<lb/> iſt das Feld der Hypotheſen ſehr bedeutend kleiner geworden.<lb/> Die Länge von Esmeralda am oberen Orinoko iſt von mir<lb/> beſtimmt; weiter nach Oſt, mitten in den Niederungen der<lb/> Parime (ein unbekanntes Land, wie Wangara und Dar-Saley<lb/> in Afrika) iſt ein 90 <hi rendition="#aq">km</hi> breiter Strich von Nord nach Süd<lb/> an den Ufern des Rio Carony und des Rio Branco hin,<lb/> unter dem 63. Grade der Länge, bereits begangen. Es iſt dies<lb/> der gefährliche Weg, den Don Antonio Santos von Santo<lb/> Tome de Angoſtura an den Rio Negro und den Amazonen-<lb/> ſtrom eingeſchlagen, derſelbe, auf dem in neueſter Zeit An-<lb/> ſiedler aus Surinam mit den Bewohnern von Gran Para<lb/> verkehrt haben. Dieſer Weg ſchneidet die <hi rendition="#aq">Terra incognita</hi><lb/> der Parime in zwei ungleiche Stücke; zugleich ſetzt er den<lb/> Quellen des Orinoko Grenzen, ſo daß man dieſelben nicht<lb/> mehr nach Belieben gegen Oſt ſchieben kann, weil ſonſt das<lb/> Bett des oberen Orinoko, der von Oſt nach Weſt läuft, über<lb/> das Bett des Rio Branco liefe, der von Nord nach Süd<lb/> fließt. Verfolgt man den Rio Branco oder den Streifen<lb/> Bauland, der zur <hi rendition="#aq">Capitania general</hi> von Gran Para gehört,<lb/> ſo ſieht man Seen, die von den Geographen zum Teil aus<lb/> der Luft gegriffen, zum Teil vergrößert ſind, zwei geſonderte<lb/> Gruppen bilden. Die erſte derſelben begreift die Seen, die<lb/> man zwiſchen Esmeralda und den Rio Branco verlegt, zur<lb/> zweiten gehören die, welche man auf dem Landſtrich zwiſchen<lb/> dem Rio Branco und den Bergen von Franzöſiſch- und Hollän-<lb/> diſch-Guyana einander gegenüber liegen läßt. Aus dieſer<lb/> Ueberſicht ergibt ſich, daß die Frage, ob es oſtwärts vom<lb/> Rio Branco einen See Parime gibt, mit der Frage nach den<lb/> Quellen des Orinoko gar nichts zu thun hat.</p><lb/> <p>Außer dem eben bezeichneten Landſtriche (dem <hi rendition="#aq">Dorado de<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [189/0197]
Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war das unge-
heure Gebiet zwiſchen den Bergen von Franzöſiſch-Guyana
und den Wäldern am oberen Orinoko, zwiſchen den Quellen
des Rio Carony und dem Amazonenſtrom (von 0 bis 4°
nördlicher Breite und vom 57. bis 68. Grade der Länge) ſo wenig
bekannt, daß die Geographen nach Gefallen Seen, Flußver-
bindungen, mehr oder weniger hohe Berge einzeichnen konnten.
Sie haben ſich dieſer Freiheit in vollem Maße bedient, und
die Lage der Seen, wie der Lauf und die Verzweigungen
der Flüſſe wurden ſo verſchiedenartig dargeſtellt, daß es nicht
zu wundern wäre, wenn ſich unter den zahlloſen Karten ein
paar fänden, die das Richtige getroffen hätten. Heutzutage
iſt das Feld der Hypotheſen ſehr bedeutend kleiner geworden.
Die Länge von Esmeralda am oberen Orinoko iſt von mir
beſtimmt; weiter nach Oſt, mitten in den Niederungen der
Parime (ein unbekanntes Land, wie Wangara und Dar-Saley
in Afrika) iſt ein 90 km breiter Strich von Nord nach Süd
an den Ufern des Rio Carony und des Rio Branco hin,
unter dem 63. Grade der Länge, bereits begangen. Es iſt dies
der gefährliche Weg, den Don Antonio Santos von Santo
Tome de Angoſtura an den Rio Negro und den Amazonen-
ſtrom eingeſchlagen, derſelbe, auf dem in neueſter Zeit An-
ſiedler aus Surinam mit den Bewohnern von Gran Para
verkehrt haben. Dieſer Weg ſchneidet die Terra incognita
der Parime in zwei ungleiche Stücke; zugleich ſetzt er den
Quellen des Orinoko Grenzen, ſo daß man dieſelben nicht
mehr nach Belieben gegen Oſt ſchieben kann, weil ſonſt das
Bett des oberen Orinoko, der von Oſt nach Weſt läuft, über
das Bett des Rio Branco liefe, der von Nord nach Süd
fließt. Verfolgt man den Rio Branco oder den Streifen
Bauland, der zur Capitania general von Gran Para gehört,
ſo ſieht man Seen, die von den Geographen zum Teil aus
der Luft gegriffen, zum Teil vergrößert ſind, zwei geſonderte
Gruppen bilden. Die erſte derſelben begreift die Seen, die
man zwiſchen Esmeralda und den Rio Branco verlegt, zur
zweiten gehören die, welche man auf dem Landſtrich zwiſchen
dem Rio Branco und den Bergen von Franzöſiſch- und Hollän-
diſch-Guyana einander gegenüber liegen läßt. Aus dieſer
Ueberſicht ergibt ſich, daß die Frage, ob es oſtwärts vom
Rio Branco einen See Parime gibt, mit der Frage nach den
Quellen des Orinoko gar nichts zu thun hat.
Außer dem eben bezeichneten Landſtriche (dem Dorado de
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |