lich, daß die Konquistadoren den jetzigen Namen des Stromes erst in der Nähe des Rio Meta zu hören bekamen. Auf diesem Nebenfluß erhielt Diego de Ordaz von den Eingeborenen die erste Kunde von civilisierten Völkern, welche auf den Hoch- ebenen der Anden von Neugranada wohnen, "von einem ge- waltigen, einäugigen Fürsten und von Tieren, kleiner als Hirsche, auf denen man aber reiten könne, wie die Spanier auf den Pferden". Ordaz zweifelte nicht, daß diese Tiere Lama oder Ovejas del Peru seien. Soll man annehmen, daß die Lama, die man in den Anden vor dem Pflug und als Lasttiere, aber nicht zum Reiten brauchte, früher nördlich und östlich von Quito verbreitet gewesen? Ich finde wirklich, daß Orellana welche am Amazonenstrom gesehen hat, oberhalb des Einflusses des Rio Negro, also in einem Klima, das von dem der Hochebene der Anden bedeutend abweicht. Das Mär- chen von einem auf Lama berittenen Heere von Omagua mußte dazu dienen, den Bericht der Begleiter Felipes de Urre über ihren ritterlichen Zug an den oberen Orinoko auszu- schmücken. Dergleichen Sagen sind äußerst beachtenswert, weil sie darauf hinzuweisen scheinen, daß die Haustiere Quitos und Perus bereits angefangen hatten von den Kordilleren herabzukommen und sich allmählich in den östlichen Landstrichen von Südamerika zu verbreiten.
Im Jahre 1533 wurde Herrera, der Schatzmeister bei Diegos de Ordaz' Expedition, vom Statthalter Geronimo de Ortal mit der weiteren Erforschung des Orinoko und des Meta beauftragt. Er brachte zwischen Punta Barima und dem Einflusse des Carony fast 13 Monate mit dem Bau platter Fahrzeuge und den notwendigen Zurüstungen zu einer langen Reise hin. Man liest nicht ohne Verwunderung die Erzählung dieser kühnen Unternehmungen, wobei man drei-, vierhundert Pferde einschiffte, um sie ans Land zu setzen, so oft die Reiterei am einen oder dem anderen Ufer etwas aus- richten konnte. Wir finden bei Herreras Expedition dieselben Stationen wieder, die wir bereits kennen gelernt: die Feste Paria, das indianische Dorf Uriaparia (wahrscheinlich unter- halb Imataca an einem Punkte, wo sich die Spanier wegen der Ueberschwemmung des Deltas kein Brennholz verschaffen konnten), Caroa in der Provinz Carora, die Flüsse Caranaca (Caura?) und Caxavana (Cuchivero?), das Dorf Cabritu (Cabruta) und den Raudal am Einfluß des Meta. Da der Rio Meta sehr berühmt war, weil seine Quellen und seine
lich, daß die Konquiſtadoren den jetzigen Namen des Stromes erſt in der Nähe des Rio Meta zu hören bekamen. Auf dieſem Nebenfluß erhielt Diego de Ordaz von den Eingeborenen die erſte Kunde von civiliſierten Völkern, welche auf den Hoch- ebenen der Anden von Neugranada wohnen, „von einem ge- waltigen, einäugigen Fürſten und von Tieren, kleiner als Hirſche, auf denen man aber reiten könne, wie die Spanier auf den Pferden“. Ordaz zweifelte nicht, daß dieſe Tiere Lama oder Ovejas del Peru ſeien. Soll man annehmen, daß die Lama, die man in den Anden vor dem Pflug und als Laſttiere, aber nicht zum Reiten brauchte, früher nördlich und öſtlich von Quito verbreitet geweſen? Ich finde wirklich, daß Orellana welche am Amazonenſtrom geſehen hat, oberhalb des Einfluſſes des Rio Negro, alſo in einem Klima, das von dem der Hochebene der Anden bedeutend abweicht. Das Mär- chen von einem auf Lama berittenen Heere von Omagua mußte dazu dienen, den Bericht der Begleiter Felipes de Urre über ihren ritterlichen Zug an den oberen Orinoko auszu- ſchmücken. Dergleichen Sagen ſind äußerſt beachtenswert, weil ſie darauf hinzuweiſen ſcheinen, daß die Haustiere Quitos und Perus bereits angefangen hatten von den Kordilleren herabzukommen und ſich allmählich in den öſtlichen Landſtrichen von Südamerika zu verbreiten.
Im Jahre 1533 wurde Herrera, der Schatzmeiſter bei Diegos de Ordaz’ Expedition, vom Statthalter Geronimo de Ortal mit der weiteren Erforſchung des Orinoko und des Meta beauftragt. Er brachte zwiſchen Punta Barima und dem Einfluſſe des Carony faſt 13 Monate mit dem Bau platter Fahrzeuge und den notwendigen Zurüſtungen zu einer langen Reiſe hin. Man lieſt nicht ohne Verwunderung die Erzählung dieſer kühnen Unternehmungen, wobei man drei-, vierhundert Pferde einſchiffte, um ſie ans Land zu ſetzen, ſo oft die Reiterei am einen oder dem anderen Ufer etwas aus- richten konnte. Wir finden bei Herreras Expedition dieſelben Stationen wieder, die wir bereits kennen gelernt: die Feſte Paria, das indianiſche Dorf Uriaparia (wahrſcheinlich unter- halb Imataca an einem Punkte, wo ſich die Spanier wegen der Ueberſchwemmung des Deltas kein Brennholz verſchaffen konnten), Caroa in der Provinz Carora, die Flüſſe Caranaca (Caura?) und Caxavana (Cuchivero?), das Dorf Cabritu (Cabruta) und den Raudal am Einfluß des Meta. Da der Rio Meta ſehr berühmt war, weil ſeine Quellen und ſeine
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[200/0208]
lich, daß die Konquiſtadoren den jetzigen Namen des Stromes
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dieſem Nebenfluß erhielt Diego de Ordaz von den Eingeborenen
die erſte Kunde von civiliſierten Völkern, welche auf den Hoch-
ebenen der Anden von Neugranada wohnen, „von einem ge-
waltigen, einäugigen Fürſten und von Tieren, kleiner als
Hirſche, auf denen man aber reiten könne, wie die Spanier
auf den Pferden“. Ordaz zweifelte nicht, daß dieſe Tiere
Lama oder Ovejas del Peru ſeien. Soll man annehmen,
daß die Lama, die man in den Anden vor dem Pflug und
als Laſttiere, aber nicht zum Reiten brauchte, früher nördlich
und öſtlich von Quito verbreitet geweſen? Ich finde wirklich,
daß Orellana welche am Amazonenſtrom geſehen hat, oberhalb
des Einfluſſes des Rio Negro, alſo in einem Klima, das von
dem der Hochebene der Anden bedeutend abweicht. Das Mär-
chen von einem auf Lama berittenen Heere von Omagua
mußte dazu dienen, den Bericht der Begleiter Felipes de Urre
über ihren ritterlichen Zug an den oberen Orinoko auszu-
ſchmücken. Dergleichen Sagen ſind äußerſt beachtenswert,
weil ſie darauf hinzuweiſen ſcheinen, daß die Haustiere Quitos
und Perus bereits angefangen hatten von den Kordilleren
herabzukommen und ſich allmählich in den öſtlichen Landſtrichen
von Südamerika zu verbreiten.
Im Jahre 1533 wurde Herrera, der Schatzmeiſter bei
Diegos de Ordaz’ Expedition, vom Statthalter Geronimo de
Ortal mit der weiteren Erforſchung des Orinoko und des
Meta beauftragt. Er brachte zwiſchen Punta Barima und
dem Einfluſſe des Carony faſt 13 Monate mit dem Bau
platter Fahrzeuge und den notwendigen Zurüſtungen zu einer
langen Reiſe hin. Man lieſt nicht ohne Verwunderung die
Erzählung dieſer kühnen Unternehmungen, wobei man drei-,
vierhundert Pferde einſchiffte, um ſie ans Land zu ſetzen, ſo
oft die Reiterei am einen oder dem anderen Ufer etwas aus-
richten konnte. Wir finden bei Herreras Expedition dieſelben
Stationen wieder, die wir bereits kennen gelernt: die Feſte
Paria, das indianiſche Dorf Uriaparia (wahrſcheinlich unter-
halb Imataca an einem Punkte, wo ſich die Spanier wegen
der Ueberſchwemmung des Deltas kein Brennholz verſchaffen
konnten), Caroa in der Provinz Carora, die Flüſſe Caranaca
(Caura?) und Caxavana (Cuchivero?), das Dorf Cabritu
(Cabruta) und den Raudal am Einfluß des Meta. Da der
Rio Meta ſehr berühmt war, weil ſeine Quellen und ſeine
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/208>, abgerufen am 25.05.2024.
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