Nebenflüsse den goldhaltigen Kordilleren von Neugranada (Cundinamarca) nahe liegen, so versuchte er ihn hinaufzufahren. Er fand daselbst civilisiertere Völker als am Orinoko, die aber das Fleisch stummer Hunde aßen. In einem Gefecht wurde Herrera durch einen mit Curaresaft (Yierva) vergifteten Pfeil getötet; sterbend ernannte er Alvaro de Ordaz zu sei- nem Stellvertreter. Dieser führte (1535) die Trümmer der Expediton nach der Feste Paria zurück, nachdem er vollends die wenigen Pferde eingebüßt, die einen achtzehnmonatlichen Feldzug ausgehalten.
Dunkle Gerüchte über die Schätze der Völker am Meta und anderen Nebenflüssen am Ostabhang der Kordilleren von Neugranada veranlaßten nacheinander, in den Jahren 1535 und 1536, Geronimo de Ortal, Nikolaus Federmann und Jorge de Espira (Georg von Speier) zu Expeditionen auf Landwegen gegen Süd und Südwest. Vom Vorgebirge Paria bis zum Cabo de la Vela hatte man schon seit den Jahren 1498 und 1500 in den Händen der Eingeborenen kleine ge- gossene Goldbilder gesehen. Die Hauptmärkte für diese Amu- lette, die den Weibern als Schmuck dienten, waren die Dörfer Curiana (Coro) und Cauchieto (beim Rio la Hacha). Die Gießer in Cauchieto erhielten das Metall aus einem Berg- land weit gegen Süden. Die Expeditionen des Ordaz und des Herrera hatten das Verlangen, diese goldreichen Land- striche zu erreichen, natürlich gesteigert. Georg von Speier brach (1535) von Coro auf und zog über die Gebirge von Merida an den Apure und Meta. Er ging über diese bei- den Flüsse nahe bei ihren Quellen, wo sie noch nicht breit sind. Die Indianer erzählten ihm, weiter vorwärts ziehen weiße Menschen auf den Ebenen umher. Speier, der sich nahe am Amazonenstrome glaubte, zweifelte nicht, daß diese umherziehenden Spanier, Schiffbrüchige von der Expedi- tion des Ordaz seien. Er zog über die Savannen von San Juan de los Llanos, die reich an Gold sein sollten, und blieb lange in einem indianischen Dorfe, Pueblo de Nuestra Sennora, später Fragua genannt, südöstlich vom Paramo de la Suma Paz. Ich war am Westabhange dieses Bergstocks, in Fusagasuga, und hörte, die Ebenen gegen Ost am Fuße der Berge seien noch jetzt bei den Eingeborenen wegen ihres Reich- tums berufen. Im volkreichen Dorfe Fragua fand Speier eine Casa del Sol (Sonnentempel) und ein Jungfrauenkloster, ähnlich denen in Peru und Neugranada. Hatte sich hier der
Nebenflüſſe den goldhaltigen Kordilleren von Neugranada (Cundinamarca) nahe liegen, ſo verſuchte er ihn hinaufzufahren. Er fand daſelbſt civiliſiertere Völker als am Orinoko, die aber das Fleiſch ſtummer Hunde aßen. In einem Gefecht wurde Herrera durch einen mit Curareſaft (Yierva) vergifteten Pfeil getötet; ſterbend ernannte er Alvaro de Ordaz zu ſei- nem Stellvertreter. Dieſer führte (1535) die Trümmer der Expediton nach der Feſte Paria zurück, nachdem er vollends die wenigen Pferde eingebüßt, die einen achtzehnmonatlichen Feldzug ausgehalten.
Dunkle Gerüchte über die Schätze der Völker am Meta und anderen Nebenflüſſen am Oſtabhang der Kordilleren von Neugranada veranlaßten nacheinander, in den Jahren 1535 und 1536, Geronimo de Ortal, Nikolaus Federmann und Jorge de Eſpira (Georg von Speier) zu Expeditionen auf Landwegen gegen Süd und Südweſt. Vom Vorgebirge Paria bis zum Cabo de la Vela hatte man ſchon ſeit den Jahren 1498 und 1500 in den Händen der Eingeborenen kleine ge- goſſene Goldbilder geſehen. Die Hauptmärkte für dieſe Amu- lette, die den Weibern als Schmuck dienten, waren die Dörfer Curiana (Coro) und Cauchieto (beim Rio la Hacha). Die Gießer in Cauchieto erhielten das Metall aus einem Berg- land weit gegen Süden. Die Expeditionen des Ordaz und des Herrera hatten das Verlangen, dieſe goldreichen Land- ſtriche zu erreichen, natürlich geſteigert. Georg von Speier brach (1535) von Coro auf und zog über die Gebirge von Merida an den Apure und Meta. Er ging über dieſe bei- den Flüſſe nahe bei ihren Quellen, wo ſie noch nicht breit ſind. Die Indianer erzählten ihm, weiter vorwärts ziehen weiße Menſchen auf den Ebenen umher. Speier, der ſich nahe am Amazonenſtrome glaubte, zweifelte nicht, daß dieſe umherziehenden Spanier, Schiffbrüchige von der Expedi- tion des Ordaz ſeien. Er zog über die Savannen von San Juan de los Llanos, die reich an Gold ſein ſollten, und blieb lange in einem indianiſchen Dorfe, Pueblo de Nueſtra Señora, ſpäter Fragua genannt, ſüdöſtlich vom Paramo de la Suma Paz. Ich war am Weſtabhange dieſes Bergſtocks, in Fuſagaſuga, und hörte, die Ebenen gegen Oſt am Fuße der Berge ſeien noch jetzt bei den Eingeborenen wegen ihres Reich- tums berufen. Im volkreichen Dorfe Fragua fand Speier eine Casa del Sol (Sonnentempel) und ein Jungfrauenkloſter, ähnlich denen in Peru und Neugranada. Hatte ſich hier der
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Nebenflüſſe den goldhaltigen Kordilleren von Neugranada
(Cundinamarca) nahe liegen, ſo verſuchte er ihn hinaufzufahren.
Er fand daſelbſt civiliſiertere Völker als am Orinoko, die aber
das Fleiſch ſtummer Hunde aßen. In einem Gefecht
wurde Herrera durch einen mit Curareſaft (Yierva) vergifteten
Pfeil getötet; ſterbend ernannte er Alvaro de Ordaz zu ſei-
nem Stellvertreter. Dieſer führte (1535) die Trümmer der
Expediton nach der Feſte Paria zurück, nachdem er vollends
die wenigen Pferde eingebüßt, die einen achtzehnmonatlichen
Feldzug ausgehalten.
Dunkle Gerüchte über die Schätze der Völker am Meta
und anderen Nebenflüſſen am Oſtabhang der Kordilleren von
Neugranada veranlaßten nacheinander, in den Jahren 1535
und 1536, Geronimo de Ortal, Nikolaus Federmann und
Jorge de Eſpira (Georg von Speier) zu Expeditionen auf
Landwegen gegen Süd und Südweſt. Vom Vorgebirge Paria
bis zum Cabo de la Vela hatte man ſchon ſeit den Jahren
1498 und 1500 in den Händen der Eingeborenen kleine ge-
goſſene Goldbilder geſehen. Die Hauptmärkte für dieſe Amu-
lette, die den Weibern als Schmuck dienten, waren die Dörfer
Curiana (Coro) und Cauchieto (beim Rio la Hacha). Die
Gießer in Cauchieto erhielten das Metall aus einem Berg-
land weit gegen Süden. Die Expeditionen des Ordaz und
des Herrera hatten das Verlangen, dieſe goldreichen Land-
ſtriche zu erreichen, natürlich geſteigert. Georg von Speier
brach (1535) von Coro auf und zog über die Gebirge von
Merida an den Apure und Meta. Er ging über dieſe bei-
den Flüſſe nahe bei ihren Quellen, wo ſie noch nicht breit
ſind. Die Indianer erzählten ihm, weiter vorwärts ziehen
weiße Menſchen auf den Ebenen umher. Speier, der ſich
nahe am Amazonenſtrome glaubte, zweifelte nicht, daß
dieſe umherziehenden Spanier, Schiffbrüchige von der Expedi-
tion des Ordaz ſeien. Er zog über die Savannen von San
Juan de los Llanos, die reich an Gold ſein ſollten, und
blieb lange in einem indianiſchen Dorfe, Pueblo de Nueſtra
Señora, ſpäter Fragua genannt, ſüdöſtlich vom Paramo de
la Suma Paz. Ich war am Weſtabhange dieſes Bergſtocks,
in Fuſagaſuga, und hörte, die Ebenen gegen Oſt am Fuße der
Berge ſeien noch jetzt bei den Eingeborenen wegen ihres Reich-
tums berufen. Im volkreichen Dorfe Fragua fand Speier
eine Casa del Sol (Sonnentempel) und ein Jungfrauenkloſter,
ähnlich denen in Peru und Neugranada. Hatte ſich hier der
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/209>, abgerufen am 24.05.2024.
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