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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Märchen, welche Juan Martin de Albujar ausgeheckt, und
zweifelte weder an der Existenz der beiden Seen Cassipa und
Rupunuwini, noch am Bestehen des großen Reiches des Inka,
das flüchtige Fürsten (nach Atahualpas Tode) an den Quellen
des Rio Essequibo gegründet haben sollten. Die Karte, welche
Ralegh entworfen und deren Geheimhaltung er Lord Charles
Howard empfahl, besitzen wir nicht mehr; aber der Geograph
Hondius hat diese Lücke ausgefüllt; ja er gibt seiner Karte
ein Verzeichnis von Längen- und Breitenangaben bei, wobei
die Laguna del Dorado und die kaiserliche Stadt
Manoas
vorkommen. Während Ralegh an der Punta del
Gallo (auf der Insel Trinidad) sich aufhielt, ließ er durch
seine Unterbefehlshaber die Mündungen des Orinoko, nament-
lich die von Capuri, Gran Amana (Manamo grande) und
Macureo (Macareo) untersuchen. Da seine Schiffe einen
bedeutenden Tiefgang hatten, hielt es sehr schwer, in die Bocas
chicas
einzulaufen, und er mußte sich flache Fahrzeuge bauen
lassen. Er bemerkte die Feuer der Trivitivas (Tibitibies) vom
Stamme der Guaraunen auf den Mauritiapalmen, deren Frucht,
fructum squamorum, similem Palmae Pini, er zuerst nach
Europa gebracht hat. Es wundert mich, daß von der Nieder-
lassung, die Berrio unter dem Namen Santo Tome (la Vieja
Guyana
) gegründet, so gut wie gar nicht die Rede ist; und
doch reicht dieselbe bis zum Jahre 1591 hinauf, und obgleich
nach Fray Pedro Simon "Religion und Politik jeden Handels-
verkehr zwischen Christen (Spaniern) und Ketzern (Holländern
und Engländern) verbieten", wurde damals, am Ende des
16. Jahrhunderts, wie gegenwärtig ein lebhafter Schleich-
handel über die Mündungen des Orinoko getrieben. Ralegh
ging über den Fluß Europa (Guarapo) und "die Ebenen
der Saymas (Chaymas), die im selben Niveau bis Cumana
und Caracas fortstreichen"; in Morequito (vielleicht etwas
nordwärts von Villa de Upata in den Missionen am Carony)
machte er Halt, und hier bestätigte ihm ein alter Kazike alle
phantastischen Vorstellungen Berrios von einem Einfall frem-
der Völker (Orejones und Epuremei) in Guyana. Die
Katarakten des Caroli (Carony), welcher Fluß damals für
den kürzesten Weg zu den beiden am See Cassipa und
am See Rupunuwini oder Dorado gelegenen Städten
Macureguarai und Manoa galt, steckten der Expedition
ein Ziel.

Ralegh hat den Orinoko nur auf einer Strecke von kaum

Märchen, welche Juan Martin de Albujar ausgeheckt, und
zweifelte weder an der Exiſtenz der beiden Seen Caſſipa und
Rupunuwini, noch am Beſtehen des großen Reiches des Inka,
das flüchtige Fürſten (nach Atahualpas Tode) an den Quellen
des Rio Eſſequibo gegründet haben ſollten. Die Karte, welche
Ralegh entworfen und deren Geheimhaltung er Lord Charles
Howard empfahl, beſitzen wir nicht mehr; aber der Geograph
Hondius hat dieſe Lücke ausgefüllt; ja er gibt ſeiner Karte
ein Verzeichnis von Längen- und Breitenangaben bei, wobei
die Laguna del Dorado und die kaiſerliche Stadt
Manoas
vorkommen. Während Ralegh an der Punta del
Gallo (auf der Inſel Trinidad) ſich aufhielt, ließ er durch
ſeine Unterbefehlshaber die Mündungen des Orinoko, nament-
lich die von Capuri, Gran Amana (Manamo grande) und
Macureo (Macareo) unterſuchen. Da ſeine Schiffe einen
bedeutenden Tiefgang hatten, hielt es ſehr ſchwer, in die Bocas
chicas
einzulaufen, und er mußte ſich flache Fahrzeuge bauen
laſſen. Er bemerkte die Feuer der Trivitivas (Tibitibies) vom
Stamme der Guaraunen auf den Mauritiapalmen, deren Frucht,
fructum squamorum, similem Palmae Pini, er zuerſt nach
Europa gebracht hat. Es wundert mich, daß von der Nieder-
laſſung, die Berrio unter dem Namen Santo Tome (la Vieja
Guyana
) gegründet, ſo gut wie gar nicht die Rede iſt; und
doch reicht dieſelbe bis zum Jahre 1591 hinauf, und obgleich
nach Fray Pedro Simon „Religion und Politik jeden Handels-
verkehr zwiſchen Chriſten (Spaniern) und Ketzern (Holländern
und Engländern) verbieten“, wurde damals, am Ende des
16. Jahrhunderts, wie gegenwärtig ein lebhafter Schleich-
handel über die Mündungen des Orinoko getrieben. Ralegh
ging über den Fluß Europa (Guarapo) und „die Ebenen
der Saymas (Chaymas), die im ſelben Niveau bis Cumana
und Caracas fortſtreichen“; in Morequito (vielleicht etwas
nordwärts von Villa de Upata in den Miſſionen am Carony)
machte er Halt, und hier beſtätigte ihm ein alter Kazike alle
phantaſtiſchen Vorſtellungen Berrios von einem Einfall frem-
der Völker (Orejones und Epuremei) in Guyana. Die
Katarakten des Caroli (Carony), welcher Fluß damals für
den kürzeſten Weg zu den beiden am See Caſſipa und
am See Rupunuwini oder Dorado gelegenen Städten
Macureguarai und Manoa galt, ſteckten der Expedition
ein Ziel.

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[211/0219] Märchen, welche Juan Martin de Albujar ausgeheckt, und zweifelte weder an der Exiſtenz der beiden Seen Caſſipa und Rupunuwini, noch am Beſtehen des großen Reiches des Inka, das flüchtige Fürſten (nach Atahualpas Tode) an den Quellen des Rio Eſſequibo gegründet haben ſollten. Die Karte, welche Ralegh entworfen und deren Geheimhaltung er Lord Charles Howard empfahl, beſitzen wir nicht mehr; aber der Geograph Hondius hat dieſe Lücke ausgefüllt; ja er gibt ſeiner Karte ein Verzeichnis von Längen- und Breitenangaben bei, wobei die Laguna del Dorado und die kaiſerliche Stadt Manoas vorkommen. Während Ralegh an der Punta del Gallo (auf der Inſel Trinidad) ſich aufhielt, ließ er durch ſeine Unterbefehlshaber die Mündungen des Orinoko, nament- lich die von Capuri, Gran Amana (Manamo grande) und Macureo (Macareo) unterſuchen. Da ſeine Schiffe einen bedeutenden Tiefgang hatten, hielt es ſehr ſchwer, in die Bocas chicas einzulaufen, und er mußte ſich flache Fahrzeuge bauen laſſen. Er bemerkte die Feuer der Trivitivas (Tibitibies) vom Stamme der Guaraunen auf den Mauritiapalmen, deren Frucht, fructum squamorum, similem Palmae Pini, er zuerſt nach Europa gebracht hat. Es wundert mich, daß von der Nieder- laſſung, die Berrio unter dem Namen Santo Tome (la Vieja Guyana) gegründet, ſo gut wie gar nicht die Rede iſt; und doch reicht dieſelbe bis zum Jahre 1591 hinauf, und obgleich nach Fray Pedro Simon „Religion und Politik jeden Handels- verkehr zwiſchen Chriſten (Spaniern) und Ketzern (Holländern und Engländern) verbieten“, wurde damals, am Ende des 16. Jahrhunderts, wie gegenwärtig ein lebhafter Schleich- handel über die Mündungen des Orinoko getrieben. Ralegh ging über den Fluß Europa (Guarapo) und „die Ebenen der Saymas (Chaymas), die im ſelben Niveau bis Cumana und Caracas fortſtreichen“; in Morequito (vielleicht etwas nordwärts von Villa de Upata in den Miſſionen am Carony) machte er Halt, und hier beſtätigte ihm ein alter Kazike alle phantaſtiſchen Vorſtellungen Berrios von einem Einfall frem- der Völker (Orejones und Epuremei) in Guyana. Die Katarakten des Caroli (Carony), welcher Fluß damals für den kürzeſten Weg zu den beiden am See Caſſipa und am See Rupunuwini oder Dorado gelegenen Städten Macureguarai und Manoa galt, ſteckten der Expedition ein Ziel. Ralegh hat den Orinoko nur auf einer Strecke von kaum

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/219>, abgerufen am 24.11.2024.