Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.sehr gehäuft. Man sähe es lieber, wenn der Priester nicht Die Kariben sind um so schwerer an feste Wohnsitze zu 1 Die Quippos oder Schnüre der Völker im oberen Louisiana
heißen Wampum. Anghiera (Dec. III, Lib. 9) erzählt einen sehr merkwürdigen Fall, aus dem hervorzugehen scheint, daß die umher- ziehenden Kariben mit gebundenen Büchern, wie denen der Mexi- kaner und den unseren, nicht ganz unbekannt waren. Der inter- essanten Entdeckung von Bilderheften bei den Panosindianern am Ucayale habe ich anderswo gedacht (Vues des Cordilleres, T. I, ſehr gehäuft. Man ſähe es lieber, wenn der Prieſter nicht Die Kariben ſind um ſo ſchwerer an feſte Wohnſitze zu 1 Die Quippos oder Schnüre der Völker im oberen Louiſiana
heißen Wampum. Anghiera (Dec. III, Lib. 9) erzählt einen ſehr merkwürdigen Fall, aus dem hervorzugehen ſcheint, daß die umher- ziehenden Kariben mit gebundenen Büchern, wie denen der Mexi- kaner und den unſeren, nicht ganz unbekannt waren. Der inter- eſſanten Entdeckung von Bilderheften bei den Panosindianern am Ucayale habe ich anderswo gedacht (Vues des Cordillères, T. I, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0254" n="246"/> ſehr gehäuft. Man ſähe es lieber, wenn der Prieſter nicht<lb/> vom Altar weg körperliche Züchtigungen verhängte, man<lb/> wünſchte, er möchte es nicht im prieſterlichen Gewande mit<lb/> anſehen, wie Männer und Weiber abgeſtraft werden; aber<lb/> dieſer Mißbrauch, oder, wenn man will, dieſer Verſtoß gegen<lb/> den Anſtand fließt aus dem Grundſatz, auf dem das ganze<lb/> ſeltſame Miſſionsregiment beruht. Die willkürlichſte bürgerliche<lb/> Gewalt iſt mit den Rechten, welche dem Geiſtlichen der kleinen<lb/> Gemeinde zuſtehen, völlig verſchmolzen, und obgleich die Ka-<lb/> riben ſo gut wie keine <hi rendition="#g">Kannibalen</hi> ſind, und ſo ſehr man<lb/> wünſchen mag, daß ſie mit Milde und Vorſicht behandelt werden,<lb/> ſo ſieht man doch ein, daß es zuweilen etwas kräftiger Mittel<lb/> bedarf, um in einem ſo jungen Gemeinweſen die Ruhe auf-<lb/> recht zu erhalten.</p><lb/> <p>Die Kariben ſind um ſo ſchwerer an feſte Wohnſitze zu<lb/> feſſeln, da ſie ſeit Jahrhunderten auf den Flüſſen Handel<lb/> getrieben haben. Wir haben dieſes rührige Volk, ein Volk<lb/> von Handelsleuten und von Kriegern, ſchon oben kennen ge-<lb/> lernt, wie es Sklavenhandel trieb und mit ſeinen Waren<lb/> von den Küſten von Holländiſch-Guyana bis in das Becken<lb/> des Amazonenſtromes zog. Die wandernden Kariben waren<lb/> die Bocharen des tropiſchen Amerika, und ſo hatte ſie denn<lb/> auch das tägliche Bedürfnis, die Gegenſtände ihres kleinen<lb/> Handels zu berechnen und einander Nachrichten mitzuteilen,<lb/> dazu gebracht, die Handhabung der <hi rendition="#g">Quippos</hi>, oder, wie<lb/> man in den Miſſionen ſagt, der <hi rendition="#aq">Cordoncillos con nudos,</hi> zu<lb/> verbeſſern und zu erweitern. Dieſe Quippos oder Schnüre<lb/> kommen in Kanada, in Mexiko (wo Boturini welche bei den<lb/> Tlascalteken bekam), in Peru, auf den Niederungen von<lb/> Guyana, in Centralaſien, in China und in Indien vor. Als<lb/> Roſenkränze wurden ſie in den Händen der abendländiſchen<lb/> Chriſten Werkzeuge der Andacht; als <hi rendition="#g">Suampan</hi> dienten ſie<lb/> zu den Griffen der <hi rendition="#g">palpabeln</hi> oder Handarithmetik der<lb/> Chineſen, Tataren und Ruſſen. <note xml:id="seg2pn_8_1" next="#seg2pn_8_2" place="foot" n="1">Die Quippos oder Schnüre der Völker im oberen Louiſiana<lb/> heißen <hi rendition="#g">Wampum</hi>. Anghiera (<hi rendition="#aq">Dec. III, Lib.</hi> 9) erzählt einen ſehr<lb/> merkwürdigen Fall, aus dem hervorzugehen ſcheint, daß die umher-<lb/> ziehenden Kariben mit gebundenen Büchern, wie denen der Mexi-<lb/> kaner und den unſeren, nicht ganz unbekannt waren. Der inter-<lb/> eſſanten Entdeckung von Bilderheften bei den Panosindianern am<lb/> Ucayale habe ich anderswo gedacht (<hi rendition="#aq">Vues des Cordillères, T. I,</hi></note> Die unabhängigen Kariben,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [246/0254]
ſehr gehäuft. Man ſähe es lieber, wenn der Prieſter nicht
vom Altar weg körperliche Züchtigungen verhängte, man
wünſchte, er möchte es nicht im prieſterlichen Gewande mit
anſehen, wie Männer und Weiber abgeſtraft werden; aber
dieſer Mißbrauch, oder, wenn man will, dieſer Verſtoß gegen
den Anſtand fließt aus dem Grundſatz, auf dem das ganze
ſeltſame Miſſionsregiment beruht. Die willkürlichſte bürgerliche
Gewalt iſt mit den Rechten, welche dem Geiſtlichen der kleinen
Gemeinde zuſtehen, völlig verſchmolzen, und obgleich die Ka-
riben ſo gut wie keine Kannibalen ſind, und ſo ſehr man
wünſchen mag, daß ſie mit Milde und Vorſicht behandelt werden,
ſo ſieht man doch ein, daß es zuweilen etwas kräftiger Mittel
bedarf, um in einem ſo jungen Gemeinweſen die Ruhe auf-
recht zu erhalten.
Die Kariben ſind um ſo ſchwerer an feſte Wohnſitze zu
feſſeln, da ſie ſeit Jahrhunderten auf den Flüſſen Handel
getrieben haben. Wir haben dieſes rührige Volk, ein Volk
von Handelsleuten und von Kriegern, ſchon oben kennen ge-
lernt, wie es Sklavenhandel trieb und mit ſeinen Waren
von den Küſten von Holländiſch-Guyana bis in das Becken
des Amazonenſtromes zog. Die wandernden Kariben waren
die Bocharen des tropiſchen Amerika, und ſo hatte ſie denn
auch das tägliche Bedürfnis, die Gegenſtände ihres kleinen
Handels zu berechnen und einander Nachrichten mitzuteilen,
dazu gebracht, die Handhabung der Quippos, oder, wie
man in den Miſſionen ſagt, der Cordoncillos con nudos, zu
verbeſſern und zu erweitern. Dieſe Quippos oder Schnüre
kommen in Kanada, in Mexiko (wo Boturini welche bei den
Tlascalteken bekam), in Peru, auf den Niederungen von
Guyana, in Centralaſien, in China und in Indien vor. Als
Roſenkränze wurden ſie in den Händen der abendländiſchen
Chriſten Werkzeuge der Andacht; als Suampan dienten ſie
zu den Griffen der palpabeln oder Handarithmetik der
Chineſen, Tataren und Ruſſen. 1 Die unabhängigen Kariben,
1 Die Quippos oder Schnüre der Völker im oberen Louiſiana
heißen Wampum. Anghiera (Dec. III, Lib. 9) erzählt einen ſehr
merkwürdigen Fall, aus dem hervorzugehen ſcheint, daß die umher-
ziehenden Kariben mit gebundenen Büchern, wie denen der Mexi-
kaner und den unſeren, nicht ganz unbekannt waren. Der inter-
eſſanten Entdeckung von Bilderheften bei den Panosindianern am
Ucayale habe ich anderswo gedacht (Vues des Cordillères, T. I,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |