Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.lichen Refraktionen über einem stark erhitzten Boden die Berg- Am 26. Juli brachten wir die Nacht im indianischen 1 Fray Jose de las Piedras.
lichen Refraktionen über einem ſtark erhitzten Boden die Berg- Am 26. Juli brachten wir die Nacht im indianiſchen 1 Fray Joſe de las Piedras.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0263" n="255"/> lichen Refraktionen über einem ſtark erhitzten Boden die Berg-<lb/> gipfel, welche unter zu kleinen Höhenwinkeln erſcheinen, ver-<lb/> zieht und verrückt. Pulverſignale, deren Widerſchein am<lb/> Himmel ſo weit hin ſichtbar iſt, werden ſehr förderlich ſein.<lb/> Ich glaubte hier im Intereſſe der Sache angeben zu ſollen,<lb/> was meine Ortskenntnis und das Studium der Geographie<lb/> von Amerika mir an die Hand gegeben. Ein ausgezeichneter<lb/> Geometer, Lenz, der bei mannigfaltigen Kenntniſſen in allen<lb/> Zweigen der Mathematik im Gebrauch aſtronomiſcher Inſtru-<lb/> mente ſehr geübt iſt, beſchäftigt ſich gegenwärtig damit, die<lb/> Geographie dieſer Länder weiter auszubilden und im Auftrag<lb/> der Regierung von Venezuela die Plane, die ich bereits im<lb/> Jahre 1799 der Beachtung des ſpaniſchen Miniſteriums ver-<lb/> geblich empfohlen hatte, zum Teil auszuführen.</p><lb/> <p>Am 26. Juli brachten wir die Nacht im indianiſchen<lb/> Dorfe Santa Cruz de Cachipo zu. Dieſe Miſſion wurde im<lb/> Jahre 1749 mit mehreren karibiſchen Familien gegründet,<lb/> welche an den überſchwemmten, ungeſunden Ufern der Lagu-<lb/> netas de Anache, gegenüber dem Einfluſſe des Rio Puruay<lb/> in den Orinoko, lebten. Wir wohnten beim Miſſionär<note place="foot" n="1">Fray Joſe de las Piedras.</note> und<lb/> erſahen aus den Kirchenbüchern, welch raſche Fortſchritte der<lb/> Wohlſtand der Gemeinde durch ſeinen Eifer und ſeine Einſicht<lb/> gemacht hatte. Seit wir in die Mitte der Steppen gelangt<lb/> waren, hatte die Hitze ſo zugenommen, daß wir gerne gar<lb/> nicht mehr bei Tage gereiſt wären; wir waren aber unbe-<lb/> waffnet und die Llanos waren damals von ganzen Räuber-<lb/> banden unſicher gemacht, die mit raffinierter Grauſamkeit die<lb/> Weißen, welche ihnen in die Hände fielen, mordeten. Nichts<lb/> kläglicher, als die Rechtspflege in dieſen überſeeiſchen Kolo-<lb/> nieen! Ueberall fanden wir die Gefängniſſe mit Verbrechern<lb/> gefüllt, deren Urteil ſieben, acht Jahre auf ſich warten läßt.<lb/> Etwa ein Dritteil der Verhafteten entſpringt, und die men-<lb/> ſchenleeren, aber von Herden wimmelnden Ebenen bieten ihnen<lb/> Zuflucht und Unterhalt. Sie treiben ihr Räubergewerbe zu<lb/> Pferde in der Weiſe der Beduinen. Die Ungeſundheit der<lb/> Gefängniſſe überſtiege alles Maß, wenn ſie ſich nicht von<lb/> Zeit zu Zeit durch das Entſpringen der Verhafteten leerten.<lb/> Es kommt auch nicht ſelten vor, daß Todesurteile, wenn ſie<lb/> endlich ſpät genug von der Audiencia zu Caracas gefällt ſind,<lb/> nicht vollzogen werden können, weil es an einem Nachrichter<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [255/0263]
lichen Refraktionen über einem ſtark erhitzten Boden die Berg-
gipfel, welche unter zu kleinen Höhenwinkeln erſcheinen, ver-
zieht und verrückt. Pulverſignale, deren Widerſchein am
Himmel ſo weit hin ſichtbar iſt, werden ſehr förderlich ſein.
Ich glaubte hier im Intereſſe der Sache angeben zu ſollen,
was meine Ortskenntnis und das Studium der Geographie
von Amerika mir an die Hand gegeben. Ein ausgezeichneter
Geometer, Lenz, der bei mannigfaltigen Kenntniſſen in allen
Zweigen der Mathematik im Gebrauch aſtronomiſcher Inſtru-
mente ſehr geübt iſt, beſchäftigt ſich gegenwärtig damit, die
Geographie dieſer Länder weiter auszubilden und im Auftrag
der Regierung von Venezuela die Plane, die ich bereits im
Jahre 1799 der Beachtung des ſpaniſchen Miniſteriums ver-
geblich empfohlen hatte, zum Teil auszuführen.
Am 26. Juli brachten wir die Nacht im indianiſchen
Dorfe Santa Cruz de Cachipo zu. Dieſe Miſſion wurde im
Jahre 1749 mit mehreren karibiſchen Familien gegründet,
welche an den überſchwemmten, ungeſunden Ufern der Lagu-
netas de Anache, gegenüber dem Einfluſſe des Rio Puruay
in den Orinoko, lebten. Wir wohnten beim Miſſionär 1 und
erſahen aus den Kirchenbüchern, welch raſche Fortſchritte der
Wohlſtand der Gemeinde durch ſeinen Eifer und ſeine Einſicht
gemacht hatte. Seit wir in die Mitte der Steppen gelangt
waren, hatte die Hitze ſo zugenommen, daß wir gerne gar
nicht mehr bei Tage gereiſt wären; wir waren aber unbe-
waffnet und die Llanos waren damals von ganzen Räuber-
banden unſicher gemacht, die mit raffinierter Grauſamkeit die
Weißen, welche ihnen in die Hände fielen, mordeten. Nichts
kläglicher, als die Rechtspflege in dieſen überſeeiſchen Kolo-
nieen! Ueberall fanden wir die Gefängniſſe mit Verbrechern
gefüllt, deren Urteil ſieben, acht Jahre auf ſich warten läßt.
Etwa ein Dritteil der Verhafteten entſpringt, und die men-
ſchenleeren, aber von Herden wimmelnden Ebenen bieten ihnen
Zuflucht und Unterhalt. Sie treiben ihr Räubergewerbe zu
Pferde in der Weiſe der Beduinen. Die Ungeſundheit der
Gefängniſſe überſtiege alles Maß, wenn ſie ſich nicht von
Zeit zu Zeit durch das Entſpringen der Verhafteten leerten.
Es kommt auch nicht ſelten vor, daß Todesurteile, wenn ſie
endlich ſpät genug von der Audiencia zu Caracas gefällt ſind,
nicht vollzogen werden können, weil es an einem Nachrichter
1 Fray Joſe de las Piedras.
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