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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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bozo und am Pao laufen die Nebenflüsse des Orinoko, von
denen die östlichsten (Cari, Pao, Acaru und Manapire) in
der trockenen Jahreszeit sehr wasserarm sind, nur der Quere
nach. Alle diese Flüsse reichen nicht weit gegen Nord, so
daß in der Mitte Steppen, weite, entsetzlich dürre Landstriche
(Bancos und Mesas) bleiben. Am kulturfähigsten sind die
westlichen, von der Portuguesa, vom Masparro und Orivante
und den nahe bei einander liegenden Nebenflüssen derselben
bewässerten Striche. Der Boden besteht aus mit Thon ge-
mengtem Sand über einer Schicht von Quarzgeschieben. Die
Dammerde, die Hauptnahrungsquelle der Gewächse, ist aller-
orten sehr dünn; sie erhält so gut wie keinen Zuwachs durch
das dürre Laub, das in den Wäldern der heißen Zone abfällt
wie in den gemäßigten Klimaten, wenn auch nicht so streng
periodisch. Seit Jahrtausenden wächst aber auf den Llanos
weder Baum noch Buschwerk; die einzelnen, in der Savanne
zerstreuten Palmen liefern sehr wenig von jener Kohlen- und
Wasserstoffverbindung, von jenem Extraktivstoff, auf dem (nach
den Versuchen von Saussure, Davy und Braconnot) die Frucht-
barkeit des Bodens beruht. Die geselligen Gewächse, die in
den Steppen fast ausschließlich herrschen, sind Monokotyledonen,
und es ist bekannt, wie stark die Gräser den Boden aussaugen,
in den sie ihre Wurzeln mit dichtgedrängten Fasern treiben.
Diese Wirkung der Killingia-, Paspalum- und Cenchrusarten,
aus denen der Rasen besteht, äußert sich überall gleich, wo
aber das Gestein beinahe zu Tage kommt, da ist der Boden
verschieden, je nachdem er auf rotem Sandstein oder auf festem
Kalkstein und auf Gips liegt; sowie je nachdem die perio-
dischen Ueberschwemmungen an den tiefsten Stellen Erdreich
angeschwemmt haben oder das Wasser von den kleinen Pla-
teaus die wenige Dammerde vollends weggespült hat. Bereits
bestehen mitten im Weideland einzelne Pflanzungen an Stel-
len, wo sich fließendes Wasser oder ein paar Büsche der Mau-
ritiapalme fanden. Diese Höfe, bei denen man Mais und
Maniok baut, werden sich bedeutend vermehren, wenn es ge-
lingt, mehr Bäume und Gebüsch fortzubringen.

Die Dürre der Mesas 1 und die große Hitze, die darauf
herrscht, rühren nicht allein von der Beschaffenheit ihrer Ober-
fläche und der örtlichen Reverberation des Bodens her; ihre

1 Kleine Plateaus, Bänke, die etwas höher liegen als die
übrige Steppe.

bozo und am Pao laufen die Nebenflüſſe des Orinoko, von
denen die öſtlichſten (Cari, Pao, Acaru und Manapire) in
der trockenen Jahreszeit ſehr waſſerarm ſind, nur der Quere
nach. Alle dieſe Flüſſe reichen nicht weit gegen Nord, ſo
daß in der Mitte Steppen, weite, entſetzlich dürre Landſtriche
(Bancos und Mesas) bleiben. Am kulturfähigſten ſind die
weſtlichen, von der Portugueſa, vom Masparro und Orivante
und den nahe bei einander liegenden Nebenflüſſen derſelben
bewäſſerten Striche. Der Boden beſteht aus mit Thon ge-
mengtem Sand über einer Schicht von Quarzgeſchieben. Die
Dammerde, die Hauptnahrungsquelle der Gewächſe, iſt aller-
orten ſehr dünn; ſie erhält ſo gut wie keinen Zuwachs durch
das dürre Laub, das in den Wäldern der heißen Zone abfällt
wie in den gemäßigten Klimaten, wenn auch nicht ſo ſtreng
periodiſch. Seit Jahrtauſenden wächſt aber auf den Llanos
weder Baum noch Buſchwerk; die einzelnen, in der Savanne
zerſtreuten Palmen liefern ſehr wenig von jener Kohlen- und
Waſſerſtoffverbindung, von jenem Extraktivſtoff, auf dem (nach
den Verſuchen von Sauſſure, Davy und Braconnot) die Frucht-
barkeit des Bodens beruht. Die geſelligen Gewächſe, die in
den Steppen faſt ausſchließlich herrſchen, ſind Monokotyledonen,
und es iſt bekannt, wie ſtark die Gräſer den Boden ausſaugen,
in den ſie ihre Wurzeln mit dichtgedrängten Faſern treiben.
Dieſe Wirkung der Killingia-, Paspalum- und Cenchrusarten,
aus denen der Raſen beſteht, äußert ſich überall gleich, wo
aber das Geſtein beinahe zu Tage kommt, da iſt der Boden
verſchieden, je nachdem er auf rotem Sandſtein oder auf feſtem
Kalkſtein und auf Gips liegt; ſowie je nachdem die perio-
diſchen Ueberſchwemmungen an den tiefſten Stellen Erdreich
angeſchwemmt haben oder das Waſſer von den kleinen Pla-
teaus die wenige Dammerde vollends weggeſpült hat. Bereits
beſtehen mitten im Weideland einzelne Pflanzungen an Stel-
len, wo ſich fließendes Waſſer oder ein paar Büſche der Mau-
ritiapalme fanden. Dieſe Höfe, bei denen man Mais und
Maniok baut, werden ſich bedeutend vermehren, wenn es ge-
lingt, mehr Bäume und Gebüſch fortzubringen.

Die Dürre der Meſas 1 und die große Hitze, die darauf
herrſcht, rühren nicht allein von der Beſchaffenheit ihrer Ober-
fläche und der örtlichen Reverberation des Bodens her; ihre

1 Kleine Plateaus, Bänke, die etwas höher liegen als die
übrige Steppe.
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[259/0267] bozo und am Pao laufen die Nebenflüſſe des Orinoko, von denen die öſtlichſten (Cari, Pao, Acaru und Manapire) in der trockenen Jahreszeit ſehr waſſerarm ſind, nur der Quere nach. Alle dieſe Flüſſe reichen nicht weit gegen Nord, ſo daß in der Mitte Steppen, weite, entſetzlich dürre Landſtriche (Bancos und Mesas) bleiben. Am kulturfähigſten ſind die weſtlichen, von der Portugueſa, vom Masparro und Orivante und den nahe bei einander liegenden Nebenflüſſen derſelben bewäſſerten Striche. Der Boden beſteht aus mit Thon ge- mengtem Sand über einer Schicht von Quarzgeſchieben. Die Dammerde, die Hauptnahrungsquelle der Gewächſe, iſt aller- orten ſehr dünn; ſie erhält ſo gut wie keinen Zuwachs durch das dürre Laub, das in den Wäldern der heißen Zone abfällt wie in den gemäßigten Klimaten, wenn auch nicht ſo ſtreng periodiſch. Seit Jahrtauſenden wächſt aber auf den Llanos weder Baum noch Buſchwerk; die einzelnen, in der Savanne zerſtreuten Palmen liefern ſehr wenig von jener Kohlen- und Waſſerſtoffverbindung, von jenem Extraktivſtoff, auf dem (nach den Verſuchen von Sauſſure, Davy und Braconnot) die Frucht- barkeit des Bodens beruht. Die geſelligen Gewächſe, die in den Steppen faſt ausſchließlich herrſchen, ſind Monokotyledonen, und es iſt bekannt, wie ſtark die Gräſer den Boden ausſaugen, in den ſie ihre Wurzeln mit dichtgedrängten Faſern treiben. Dieſe Wirkung der Killingia-, Paspalum- und Cenchrusarten, aus denen der Raſen beſteht, äußert ſich überall gleich, wo aber das Geſtein beinahe zu Tage kommt, da iſt der Boden verſchieden, je nachdem er auf rotem Sandſtein oder auf feſtem Kalkſtein und auf Gips liegt; ſowie je nachdem die perio- diſchen Ueberſchwemmungen an den tiefſten Stellen Erdreich angeſchwemmt haben oder das Waſſer von den kleinen Pla- teaus die wenige Dammerde vollends weggeſpült hat. Bereits beſtehen mitten im Weideland einzelne Pflanzungen an Stel- len, wo ſich fließendes Waſſer oder ein paar Büſche der Mau- ritiapalme fanden. Dieſe Höfe, bei denen man Mais und Maniok baut, werden ſich bedeutend vermehren, wenn es ge- lingt, mehr Bäume und Gebüſch fortzubringen. Die Dürre der Meſas 1 und die große Hitze, die darauf herrſcht, rühren nicht allein von der Beſchaffenheit ihrer Ober- fläche und der örtlichen Reverberation des Bodens her; ihre 1 Kleine Plateaus, Bänke, die etwas höher liegen als die übrige Steppe.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/267>, abgerufen am 22.11.2024.