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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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geworfen; sie treiben mit der Strömung fort und der Eigen-
tümer mit seinen ältesten Söhnen schwimmt bald hier- bald
dorthin, um die Stücke, die in den Krümmungen des Flusses
stecken bleiben, wieder flott zu machen. In den meisten
amerikanischen Flüssen, in denen Krokodile vorkommen, ver-
böte sich ein solches Verfahren von selbst. Die Stadt Bar-
celona hat nicht, wie Cumana, eine indianische Vorstadt, und
sieht man hie und da einen Indianer, so sind sie aus den
benachbarten Missionen, oder aus den über die Ebene zer-
streuten Hütten. Beide sind nicht von karibischem Stamm,
sondern ein Mischvolk von Cumanagoten, Palenques und
Piritu, von kleinem Wuchs, untersetzt, arbeitsscheu und dem
Trunk ergeben. Der gegorene Maniok ist hier das belieb-
teste Getränk; der Palmwein, den man am Orinoko hat, ist
an den Küsten so gut wie unbekannt. Es ist merkwürdig,
wie in den verschiedenen Erdstrichen der Mensch, um den Hang
zur Trunkenheit zu befriedigen, nicht nur alle Familien
monokotyledonischer und dikotyledonischer Gewächse herbeizieht,
sondern sogar den giftigen Fliegenschwamm (Amanita mus-
caria
), von dem die Korjäken denselben Saft zu wiederholten
Malen fünf Tage hintereinander trinken, worauf sie aus ekel-
hafter Sparsamkeit gekommen sind. 1

Die Paketboote (Correos), die von Coruna nach der
Havana und nach Mexiko laufen, waren seit drei Monaten
ausgeblieben. Man vermutete, sie seien von den englischen
Kreuzern aufgebracht worden. Da wir Eile hatten, nach
Cumana zu kommen, um mit der ersten Gelegenheit nach Vera-
cruz gehen zu können, so mieteten wir (am 26. August 1800)
ein Kanoe ohne Verdeck (Lancha). Solcher Fahrzeuge bedient
man sich gewöhnlich in diesen Strichen, wo ostwärts vom
Kap Codera die See fast nie unruhig ist. Die Lancha war

1 Langsdorf (Wetterauisches Journal, Teil I, Seite 254) hat
diese sehr merkwürdige physiologische Erscheinung zuerst bekannt ge-
macht. Ich beschreibe sie hier, doch lieber lateinisch. -- Coriae-
corum gens, in ora Asiae septentrioni opposita, potum sibi
excogitavit ex succo inebriante Agarici muscarii, qui succus
(aeque ut asparagorum), vel per humanum corpus transfusus,
temulentiam nihilominus facit. Quare gens misera et inops,
quo rarius mentis sit suae, propriam urinam bibit identidem;
continuoque mingens rursusque hauriens eundem succum (dicas,
ne ulla in parte mundi desit ebrietas) pauculis agaricis pro-
ducere in diem quintum temulentiam potest.

geworfen; ſie treiben mit der Strömung fort und der Eigen-
tümer mit ſeinen älteſten Söhnen ſchwimmt bald hier- bald
dorthin, um die Stücke, die in den Krümmungen des Fluſſes
ſtecken bleiben, wieder flott zu machen. In den meiſten
amerikaniſchen Flüſſen, in denen Krokodile vorkommen, ver-
böte ſich ein ſolches Verfahren von ſelbſt. Die Stadt Bar-
celona hat nicht, wie Cumana, eine indianiſche Vorſtadt, und
ſieht man hie und da einen Indianer, ſo ſind ſie aus den
benachbarten Miſſionen, oder aus den über die Ebene zer-
ſtreuten Hütten. Beide ſind nicht von karibiſchem Stamm,
ſondern ein Miſchvolk von Cumanagoten, Palenques und
Piritu, von kleinem Wuchs, unterſetzt, arbeitsſcheu und dem
Trunk ergeben. Der gegorene Maniok iſt hier das belieb-
teſte Getränk; der Palmwein, den man am Orinoko hat, iſt
an den Küſten ſo gut wie unbekannt. Es iſt merkwürdig,
wie in den verſchiedenen Erdſtrichen der Menſch, um den Hang
zur Trunkenheit zu befriedigen, nicht nur alle Familien
monokotyledoniſcher und dikotyledoniſcher Gewächſe herbeizieht,
ſondern ſogar den giftigen Fliegenſchwamm (Amanita mus-
caria
), von dem die Korjäken denſelben Saft zu wiederholten
Malen fünf Tage hintereinander trinken, worauf ſie aus ekel-
hafter Sparſamkeit gekommen ſind. 1

Die Paketboote (Correos), die von Coruna nach der
Havana und nach Mexiko laufen, waren ſeit drei Monaten
ausgeblieben. Man vermutete, ſie ſeien von den engliſchen
Kreuzern aufgebracht worden. Da wir Eile hatten, nach
Cumana zu kommen, um mit der erſten Gelegenheit nach Vera-
cruz gehen zu können, ſo mieteten wir (am 26. Auguſt 1800)
ein Kanoe ohne Verdeck (Lancha). Solcher Fahrzeuge bedient
man ſich gewöhnlich in dieſen Strichen, wo oſtwärts vom
Kap Codera die See faſt nie unruhig iſt. Die Lancha war

1 Langsdorf (Wetterauiſches Journal, Teil I, Seite 254) hat
dieſe ſehr merkwürdige phyſiologiſche Erſcheinung zuerſt bekannt ge-
macht. Ich beſchreibe ſie hier, doch lieber lateiniſch. — Coriae-
corum gens, in ora Asiae septentrioni opposita, potum sibi
excogitavit ex succo inebriante Agarici muscarii, qui succus
(aeque ut asparagorum), vel per humanum corpus transfusus,
temulentiam nihilominus facit. Quare gens misera et inops,
quo rarius mentis sit suae, propriam urinam bibit identidem;
continuoque mingens rursusque hauriens eundem succum (dicas,
ne ulla in parte mundi desit ebrietas) pauculis agaricis pro-
ducere in diem quintum temulentiam potest.
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[271/0279] geworfen; ſie treiben mit der Strömung fort und der Eigen- tümer mit ſeinen älteſten Söhnen ſchwimmt bald hier- bald dorthin, um die Stücke, die in den Krümmungen des Fluſſes ſtecken bleiben, wieder flott zu machen. In den meiſten amerikaniſchen Flüſſen, in denen Krokodile vorkommen, ver- böte ſich ein ſolches Verfahren von ſelbſt. Die Stadt Bar- celona hat nicht, wie Cumana, eine indianiſche Vorſtadt, und ſieht man hie und da einen Indianer, ſo ſind ſie aus den benachbarten Miſſionen, oder aus den über die Ebene zer- ſtreuten Hütten. Beide ſind nicht von karibiſchem Stamm, ſondern ein Miſchvolk von Cumanagoten, Palenques und Piritu, von kleinem Wuchs, unterſetzt, arbeitsſcheu und dem Trunk ergeben. Der gegorene Maniok iſt hier das belieb- teſte Getränk; der Palmwein, den man am Orinoko hat, iſt an den Küſten ſo gut wie unbekannt. Es iſt merkwürdig, wie in den verſchiedenen Erdſtrichen der Menſch, um den Hang zur Trunkenheit zu befriedigen, nicht nur alle Familien monokotyledoniſcher und dikotyledoniſcher Gewächſe herbeizieht, ſondern ſogar den giftigen Fliegenſchwamm (Amanita mus- caria), von dem die Korjäken denſelben Saft zu wiederholten Malen fünf Tage hintereinander trinken, worauf ſie aus ekel- hafter Sparſamkeit gekommen ſind. 1 Die Paketboote (Correos), die von Coruna nach der Havana und nach Mexiko laufen, waren ſeit drei Monaten ausgeblieben. Man vermutete, ſie ſeien von den engliſchen Kreuzern aufgebracht worden. Da wir Eile hatten, nach Cumana zu kommen, um mit der erſten Gelegenheit nach Vera- cruz gehen zu können, ſo mieteten wir (am 26. Auguſt 1800) ein Kanoe ohne Verdeck (Lancha). Solcher Fahrzeuge bedient man ſich gewöhnlich in dieſen Strichen, wo oſtwärts vom Kap Codera die See faſt nie unruhig iſt. Die Lancha war 1 Langsdorf (Wetterauiſches Journal, Teil I, Seite 254) hat dieſe ſehr merkwürdige phyſiologiſche Erſcheinung zuerſt bekannt ge- macht. Ich beſchreibe ſie hier, doch lieber lateiniſch. — Coriae- corum gens, in ora Asiae septentrioni opposita, potum sibi excogitavit ex succo inebriante Agarici muscarii, qui succus (aeque ut asparagorum), vel per humanum corpus transfusus, temulentiam nihilominus facit. Quare gens misera et inops, quo rarius mentis sit suae, propriam urinam bibit identidem; continuoque mingens rursusque hauriens eundem succum (dicas, ne ulla in parte mundi desit ebrietas) pauculis agaricis pro- ducere in diem quintum temulentiam potest.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/279>, abgerufen am 22.11.2024.