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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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im Bau und in den grammatischen Formen von den ihrigen
abweicht. Man that damit nur, was die Inka oder die
priesterlichen Könige von Peru seit Jahrhunderten zur Aus-
führung gebracht, um die barbarischen Völkerschaften am
oberen Amazonenstrom unter ihrer Gewalt zu behalten und
zu humanisieren, und solch ein System ist doch nicht ganz so
seltsam als der Vorschlag, der auf einem Provinzialkonzil in
Mexiko alles Ernstes gemacht worden, man solle die Einge-
borenen Amerikas lateinisch sprechen lehren.

Wie man uns sagte, zieht man am unteren Orinoko,
besonders in Angostura, die Indianer vom Cassiquiare und
Rio Negro wegen ihres Verstandes und ihrer Rührigkeit den
Bewohnern der anderen Missionen vor. Die in Mandavaca
sind bei den Völkern ihrer Rasse berühmt, weil sie ein Curare-
gift bereiten, das in der Stärke dem von Esmeralda nicht
nachsteht. Leider geben sich die Eingeborenen damit weit
mehr ab als mit dem Ackerbau, und doch ist an den Ufern
des Cassiquiare der Boden ausgezeichnet. Es findet sich da-
selbst ein schwarzbrauner Granitsand, der in den Wäldern
mit dicken Humusschichten, am Ufer mit einem Thon bedeckt
ist, der fast kein Wasser durchläßt. Am Cassiquiare scheint
der Boden fruchtbarer als im Thale des Rio Negro, wo der
Mais ziemlich schlecht gerät. Reis, Bohnen, Baumwolle,
Zucker und Indigo geben reichen Ertrag, wo man sie nur
anzubauen versucht hat. Bei den Missionen San Miguel de
Davipe, San Carlos und Mandavaca sahen wir Indigo wild
wachsen. Es läßt sich nicht in Abrede ziehen, daß mehrere
amerikanische Völker, namentlich die Mexikaner, sich lange vor
der Eroberung zu ihren hieroglyphischen Malereien eines wirk-
lichen Indigos bedienten, und daß dieser Farbstoff in kleinen
Broten auf dem großen Markte von Tenochtitlan verkauft
wurde. Aber ein chemisch identischer Farbstoff kann aus
Pflanzen gezogen werden, die einander nahe stehenden Gat-
tungen angehören, und so möchte ich jetzt nicht entscheiden,
ob die in Amerika einheimischen Indigofera sich nicht generisch
von Indigofera anil und Indigofera argentea der Alten
Welt unterscheiden. Bei den Kaffeebäumen der beiden Welten
ist ein solcher Unterschied wirklich beobachtet.

Die feuchte Luft und, als natürliche Folge davon, die
Masse von Insekten lassen hier wie am Rio Negro neue
Kulturen fast gar nicht aufkommen. Selbst bei hellem, blauem
Himmel sahen wir das Delucsche Hygrometer niemals unter

im Bau und in den grammatiſchen Formen von den ihrigen
abweicht. Man that damit nur, was die Inka oder die
prieſterlichen Könige von Peru ſeit Jahrhunderten zur Aus-
führung gebracht, um die barbariſchen Völkerſchaften am
oberen Amazonenſtrom unter ihrer Gewalt zu behalten und
zu humaniſieren, und ſolch ein Syſtem iſt doch nicht ganz ſo
ſeltſam als der Vorſchlag, der auf einem Provinzialkonzil in
Mexiko alles Ernſtes gemacht worden, man ſolle die Einge-
borenen Amerikas lateiniſch ſprechen lehren.

Wie man uns ſagte, zieht man am unteren Orinoko,
beſonders in Angoſtura, die Indianer vom Caſſiquiare und
Rio Negro wegen ihres Verſtandes und ihrer Rührigkeit den
Bewohnern der anderen Miſſionen vor. Die in Mandavaca
ſind bei den Völkern ihrer Raſſe berühmt, weil ſie ein Curare-
gift bereiten, das in der Stärke dem von Esmeralda nicht
nachſteht. Leider geben ſich die Eingeborenen damit weit
mehr ab als mit dem Ackerbau, und doch iſt an den Ufern
des Caſſiquiare der Boden ausgezeichnet. Es findet ſich da-
ſelbſt ein ſchwarzbrauner Granitſand, der in den Wäldern
mit dicken Humusſchichten, am Ufer mit einem Thon bedeckt
iſt, der faſt kein Waſſer durchläßt. Am Caſſiquiare ſcheint
der Boden fruchtbarer als im Thale des Rio Negro, wo der
Mais ziemlich ſchlecht gerät. Reis, Bohnen, Baumwolle,
Zucker und Indigo geben reichen Ertrag, wo man ſie nur
anzubauen verſucht hat. Bei den Miſſionen San Miguel de
Davipe, San Carlos und Mandavaca ſahen wir Indigo wild
wachſen. Es läßt ſich nicht in Abrede ziehen, daß mehrere
amerikaniſche Völker, namentlich die Mexikaner, ſich lange vor
der Eroberung zu ihren hieroglyphiſchen Malereien eines wirk-
lichen Indigos bedienten, und daß dieſer Farbſtoff in kleinen
Broten auf dem großen Markte von Tenochtitlan verkauft
wurde. Aber ein chemiſch identiſcher Farbſtoff kann aus
Pflanzen gezogen werden, die einander nahe ſtehenden Gat-
tungen angehören, und ſo möchte ich jetzt nicht entſcheiden,
ob die in Amerika einheimiſchen Indigofera ſich nicht generiſch
von Indigofera anil und Indigofera argentea der Alten
Welt unterſcheiden. Bei den Kaffeebäumen der beiden Welten
iſt ein ſolcher Unterſchied wirklich beobachtet.

Die feuchte Luft und, als natürliche Folge davon, die
Maſſe von Inſekten laſſen hier wie am Rio Negro neue
Kulturen faſt gar nicht aufkommen. Selbſt bei hellem, blauem
Himmel ſahen wir das Delucſche Hygrometer niemals unter

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[20/0028] im Bau und in den grammatiſchen Formen von den ihrigen abweicht. Man that damit nur, was die Inka oder die prieſterlichen Könige von Peru ſeit Jahrhunderten zur Aus- führung gebracht, um die barbariſchen Völkerſchaften am oberen Amazonenſtrom unter ihrer Gewalt zu behalten und zu humaniſieren, und ſolch ein Syſtem iſt doch nicht ganz ſo ſeltſam als der Vorſchlag, der auf einem Provinzialkonzil in Mexiko alles Ernſtes gemacht worden, man ſolle die Einge- borenen Amerikas lateiniſch ſprechen lehren. Wie man uns ſagte, zieht man am unteren Orinoko, beſonders in Angoſtura, die Indianer vom Caſſiquiare und Rio Negro wegen ihres Verſtandes und ihrer Rührigkeit den Bewohnern der anderen Miſſionen vor. Die in Mandavaca ſind bei den Völkern ihrer Raſſe berühmt, weil ſie ein Curare- gift bereiten, das in der Stärke dem von Esmeralda nicht nachſteht. Leider geben ſich die Eingeborenen damit weit mehr ab als mit dem Ackerbau, und doch iſt an den Ufern des Caſſiquiare der Boden ausgezeichnet. Es findet ſich da- ſelbſt ein ſchwarzbrauner Granitſand, der in den Wäldern mit dicken Humusſchichten, am Ufer mit einem Thon bedeckt iſt, der faſt kein Waſſer durchläßt. Am Caſſiquiare ſcheint der Boden fruchtbarer als im Thale des Rio Negro, wo der Mais ziemlich ſchlecht gerät. Reis, Bohnen, Baumwolle, Zucker und Indigo geben reichen Ertrag, wo man ſie nur anzubauen verſucht hat. Bei den Miſſionen San Miguel de Davipe, San Carlos und Mandavaca ſahen wir Indigo wild wachſen. Es läßt ſich nicht in Abrede ziehen, daß mehrere amerikaniſche Völker, namentlich die Mexikaner, ſich lange vor der Eroberung zu ihren hieroglyphiſchen Malereien eines wirk- lichen Indigos bedienten, und daß dieſer Farbſtoff in kleinen Broten auf dem großen Markte von Tenochtitlan verkauft wurde. Aber ein chemiſch identiſcher Farbſtoff kann aus Pflanzen gezogen werden, die einander nahe ſtehenden Gat- tungen angehören, und ſo möchte ich jetzt nicht entſcheiden, ob die in Amerika einheimiſchen Indigofera ſich nicht generiſch von Indigofera anil und Indigofera argentea der Alten Welt unterſcheiden. Bei den Kaffeebäumen der beiden Welten iſt ein ſolcher Unterſchied wirklich beobachtet. Die feuchte Luft und, als natürliche Folge davon, die Maſſe von Inſekten laſſen hier wie am Rio Negro neue Kulturen faſt gar nicht aufkommen. Selbſt bei hellem, blauem Himmel ſahen wir das Delucſche Hygrometer niemals unter

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/28>, abgerufen am 21.11.2024.