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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Gegen neun Uhr morgens befanden wir uns vor dem Meer-
busen von Cariaco, welcher der Stadt Cumana als Reede
dient. Der Hügel, auf dem das Schloß San Antonio liegt,
hob sich weiß von der dunkeln Bergwand im Inneren ab.
Mit lebhafter Empfindung sahen wir das Ufer wieder, wo
wir die ersten Pflanzen in Amerika gepflückt und wo ein paar
Monate darauf Bonpland in so großer Gefahr geschwebt
hatte. Zwischen den Kaktus, die 6,5 m hoch in Säulen- oder
Kandelaberform dastehen, kamen die Hütten der Guaykeri
zum Vorschein. Die ganze Landschaft war uns so wohl be-
kannt, der Kaktuswald, und die zerstreuten Hütten, und der
gewaltige Ceibabaum, unter dem wir bei Einbruch der Nacht
so gerne gebadet. Unsere Freunde kamen uns aus Cumana
entgegen; Menschen aller Stände, die auf unseren vielen
botanischen Exkursionen mit uns in Berührung gekommen
waren, äußerten ihre Freude um so lebhafter, da sich seit
mehreren Monaten das Gerücht verbreitet hatte, wir haben
an den Ufern des Orinoko den Tod gefunden. Anlaß dazu
mochte Bonplands schwere Krankheit gegeben haben, oder auch
der Umstand, daß unser Kanoe durch einen Windstoß ober-
halb der Mission Uruana beinahe umgeschlagen wäre.

Wir eilten, uns dem Statthalter Don Vicente Emparan
vorzustellen, dessen Empfehlungen und beständige Vorsorge
uns auf der langen, nunmehr vollendeten Reise so ungemein
förderlich gewesen waren. Er verschaffte uns mitten in der
Stadt ein Haus, 1 das für ein Land, das starken Erdbeben
ausgesetzt ist, vielleicht zu hoch, aber für unsere Instrumente
ungemein bequem war. Es hatte Terrassen (Azoteas), auf
denen man einer herrlichen Aussicht auf die See, auf die
Landenge Araya und auf den Archipel der Caracas-, Picuita-
und Borrachainseln genoß. Der Hafen von Cumana wurde
täglich strenger blockiert und durch das Ausbleiben der spani-
schen Postschiffe wurden wir noch drittehalb Monate festge-
halten. Oft fühlten wir uns versucht, auf die dänischen
Inseln überzusetzen, die einer glücklichen Neutralität genossen;

1 Casa de Don Pasqual Martinez, nordwestlich vom großen
Platz, an dem ich vom 28. Juli bis 17. November 1799 beobachtet
hatte. Alle astronomischen Beobachtungen, sowie die über die Luft-
spiegelung, nach dem 29. August 1800 sind im Hause Martinez
angestellt. Ich erwähne dieses Umstandes, da er von Interesse sein
mag, wenn einmal einer die Genauigkeit meiner Beobachtungen
prüfen will.

Gegen neun Uhr morgens befanden wir uns vor dem Meer-
buſen von Cariaco, welcher der Stadt Cumana als Reede
dient. Der Hügel, auf dem das Schloß San Antonio liegt,
hob ſich weiß von der dunkeln Bergwand im Inneren ab.
Mit lebhafter Empfindung ſahen wir das Ufer wieder, wo
wir die erſten Pflanzen in Amerika gepflückt und wo ein paar
Monate darauf Bonpland in ſo großer Gefahr geſchwebt
hatte. Zwiſchen den Kaktus, die 6,5 m hoch in Säulen- oder
Kandelaberform daſtehen, kamen die Hütten der Guaykeri
zum Vorſchein. Die ganze Landſchaft war uns ſo wohl be-
kannt, der Kaktuswald, und die zerſtreuten Hütten, und der
gewaltige Ceibabaum, unter dem wir bei Einbruch der Nacht
ſo gerne gebadet. Unſere Freunde kamen uns aus Cumana
entgegen; Menſchen aller Stände, die auf unſeren vielen
botaniſchen Exkurſionen mit uns in Berührung gekommen
waren, äußerten ihre Freude um ſo lebhafter, da ſich ſeit
mehreren Monaten das Gerücht verbreitet hatte, wir haben
an den Ufern des Orinoko den Tod gefunden. Anlaß dazu
mochte Bonplands ſchwere Krankheit gegeben haben, oder auch
der Umſtand, daß unſer Kanoe durch einen Windſtoß ober-
halb der Miſſion Uruana beinahe umgeſchlagen wäre.

Wir eilten, uns dem Statthalter Don Vicente Emparan
vorzuſtellen, deſſen Empfehlungen und beſtändige Vorſorge
uns auf der langen, nunmehr vollendeten Reiſe ſo ungemein
förderlich geweſen waren. Er verſchaffte uns mitten in der
Stadt ein Haus, 1 das für ein Land, das ſtarken Erdbeben
ausgeſetzt iſt, vielleicht zu hoch, aber für unſere Inſtrumente
ungemein bequem war. Es hatte Terraſſen (Azoteas), auf
denen man einer herrlichen Ausſicht auf die See, auf die
Landenge Araya und auf den Archipel der Caracas-, Picuita-
und Borrachainſeln genoß. Der Hafen von Cumana wurde
täglich ſtrenger blockiert und durch das Ausbleiben der ſpani-
ſchen Poſtſchiffe wurden wir noch drittehalb Monate feſtge-
halten. Oft fühlten wir uns verſucht, auf die däniſchen
Inſeln überzuſetzen, die einer glücklichen Neutralität genoſſen;

1 Casa de Don Pasqual Martinez, nordweſtlich vom großen
Platz, an dem ich vom 28. Juli bis 17. November 1799 beobachtet
hatte. Alle aſtronomiſchen Beobachtungen, ſowie die über die Luft-
ſpiegelung, nach dem 29. Auguſt 1800 ſind im Hauſe Martinez
angeſtellt. Ich erwähne dieſes Umſtandes, da er von Intereſſe ſein
mag, wenn einmal einer die Genauigkeit meiner Beobachtungen
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[274/0282] Gegen neun Uhr morgens befanden wir uns vor dem Meer- buſen von Cariaco, welcher der Stadt Cumana als Reede dient. Der Hügel, auf dem das Schloß San Antonio liegt, hob ſich weiß von der dunkeln Bergwand im Inneren ab. Mit lebhafter Empfindung ſahen wir das Ufer wieder, wo wir die erſten Pflanzen in Amerika gepflückt und wo ein paar Monate darauf Bonpland in ſo großer Gefahr geſchwebt hatte. Zwiſchen den Kaktus, die 6,5 m hoch in Säulen- oder Kandelaberform daſtehen, kamen die Hütten der Guaykeri zum Vorſchein. Die ganze Landſchaft war uns ſo wohl be- kannt, der Kaktuswald, und die zerſtreuten Hütten, und der gewaltige Ceibabaum, unter dem wir bei Einbruch der Nacht ſo gerne gebadet. Unſere Freunde kamen uns aus Cumana entgegen; Menſchen aller Stände, die auf unſeren vielen botaniſchen Exkurſionen mit uns in Berührung gekommen waren, äußerten ihre Freude um ſo lebhafter, da ſich ſeit mehreren Monaten das Gerücht verbreitet hatte, wir haben an den Ufern des Orinoko den Tod gefunden. Anlaß dazu mochte Bonplands ſchwere Krankheit gegeben haben, oder auch der Umſtand, daß unſer Kanoe durch einen Windſtoß ober- halb der Miſſion Uruana beinahe umgeſchlagen wäre. Wir eilten, uns dem Statthalter Don Vicente Emparan vorzuſtellen, deſſen Empfehlungen und beſtändige Vorſorge uns auf der langen, nunmehr vollendeten Reiſe ſo ungemein förderlich geweſen waren. Er verſchaffte uns mitten in der Stadt ein Haus, 1 das für ein Land, das ſtarken Erdbeben ausgeſetzt iſt, vielleicht zu hoch, aber für unſere Inſtrumente ungemein bequem war. Es hatte Terraſſen (Azoteas), auf denen man einer herrlichen Ausſicht auf die See, auf die Landenge Araya und auf den Archipel der Caracas-, Picuita- und Borrachainſeln genoß. Der Hafen von Cumana wurde täglich ſtrenger blockiert und durch das Ausbleiben der ſpani- ſchen Poſtſchiffe wurden wir noch drittehalb Monate feſtge- halten. Oft fühlten wir uns verſucht, auf die däniſchen Inſeln überzuſetzen, die einer glücklichen Neutralität genoſſen; 1 Casa de Don Pasqual Martinez, nordweſtlich vom großen Platz, an dem ich vom 28. Juli bis 17. November 1799 beobachtet hatte. Alle aſtronomiſchen Beobachtungen, ſowie die über die Luft- ſpiegelung, nach dem 29. Auguſt 1800 ſind im Hauſe Martinez angeſtellt. Ich erwähne dieſes Umſtandes, da er von Intereſſe ſein mag, wenn einmal einer die Genauigkeit meiner Beobachtungen prüfen will.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/282>, abgerufen am 22.11.2024.