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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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reich und theatralisch gekleidet war; da aber Leute mit ganz
weißer Haut, wo sie sich nur verständlich machen konnten,
mit unbescheidener Neugier sich auch danach erkundigten, wie-
viel Einfluß auf die Regierung von Guadeloupe die fran-
zösische Republik den Kolonisten einräume, so entwickelten die
königlichen Beamten doppelten Eifer in der Verproviantierung
der kleinen Eskadre. Fremde, die sich rühmten frei zu sein,
schienen ihnen überlästige Gäste, und in einem Lande, dessen
fortwährend steigender Wohlstand auf dem Schleichverkehr
mit den Inseln beruhte und auf einer Art Handelsfreiheit,
die man dem Ministerium abgerungen, erlebte ich es, daß
die Hispano-Europäer sich nicht entblödeten, die alte Weisheit
des Gesetzbuches (Leyes de Indias), demzufolge die Häfen
keinen fremden Fahrzeugen geöffnet werden sollen außer in
äußersten Notfällen, bis zu den Wolken zu erheben. Ich
hebe diese Gegensätze zwischen den unruhigen Wünschen der
Kolonisten und der argwöhnischen Starrheit der herrschenden
Kaste hervor, weil sie einiges Licht auf die großen politischen
Ereignisse werfen, welche, von lange her vorbereitet, Spanien
von seinen Kolonieen oder -- vielleicht richtiger gesagt --
von seinen überseeischen Provinzen losgerissen haben.

Vom 3. bis zum 5. November verbrachten wir wieder
einige sehr angenehme Tage auf der Halbinsel Araya, über
dem Meerbusen von Cariaco, Cumana gegenüber, deren Perlen,
deren Salzlager und unterseeische Quellen flüssigen, farb-
losen Steinöls ich schon oben beschrieben habe. Wir hatten
gehört, die Indianer bringen von Zeit zu Zeit natürlichen
Alaun
, der in den benachbarten Bergen vorkomme, in be-
deutenden Massen in die Stadt. An den Proben, die man
uns zeigte, sah man gleich, daß es weder Alaunstein war,
ähnlich dem Gestein von Tolfa und Piombino, noch jene
haarförmigen, seidenartigen Salze von schwefelsaurer Thon-
und Bittererde, welche Gebirgsspalten und Höhlen auskleiden,
sondern wirklich Massen natürlichen Alauns, mit muscheligem
oder unvollkommen blätterigem Bruch. Man machte uns Hoff-
nung, daß wir die Alaungrube im Schiefergebirg bei Mani-
quarez finden könnten. Eine so neue geognostische Erschei-
nung mußte unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.
Frater Juan Gonzalez und der Schatzmeister Don Manuel
Navarete, der uns seit unserer Ankunft auf dieser Küste mit
seinem Rat beigestanden hatte, begleiteten uns auf dem kleinen
Ausflug. Wir gingen am Vorgebirge Caney ans Land und

reich und theatraliſch gekleidet war; da aber Leute mit ganz
weißer Haut, wo ſie ſich nur verſtändlich machen konnten,
mit unbeſcheidener Neugier ſich auch danach erkundigten, wie-
viel Einfluß auf die Regierung von Guadeloupe die fran-
zöſiſche Republik den Koloniſten einräume, ſo entwickelten die
königlichen Beamten doppelten Eifer in der Verproviantierung
der kleinen Eskadre. Fremde, die ſich rühmten frei zu ſein,
ſchienen ihnen überläſtige Gäſte, und in einem Lande, deſſen
fortwährend ſteigender Wohlſtand auf dem Schleichverkehr
mit den Inſeln beruhte und auf einer Art Handelsfreiheit,
die man dem Miniſterium abgerungen, erlebte ich es, daß
die Hiſpano-Europäer ſich nicht entblödeten, die alte Weisheit
des Geſetzbuches (Leyes de Indias), demzufolge die Häfen
keinen fremden Fahrzeugen geöffnet werden ſollen außer in
äußerſten Notfällen, bis zu den Wolken zu erheben. Ich
hebe dieſe Gegenſätze zwiſchen den unruhigen Wünſchen der
Koloniſten und der argwöhniſchen Starrheit der herrſchenden
Kaſte hervor, weil ſie einiges Licht auf die großen politiſchen
Ereigniſſe werfen, welche, von lange her vorbereitet, Spanien
von ſeinen Kolonieen oder — vielleicht richtiger geſagt —
von ſeinen überſeeiſchen Provinzen losgeriſſen haben.

Vom 3. bis zum 5. November verbrachten wir wieder
einige ſehr angenehme Tage auf der Halbinſel Araya, über
dem Meerbuſen von Cariaco, Cumana gegenüber, deren Perlen,
deren Salzlager und unterſeeiſche Quellen flüſſigen, farb-
loſen Steinöls ich ſchon oben beſchrieben habe. Wir hatten
gehört, die Indianer bringen von Zeit zu Zeit natürlichen
Alaun
, der in den benachbarten Bergen vorkomme, in be-
deutenden Maſſen in die Stadt. An den Proben, die man
uns zeigte, ſah man gleich, daß es weder Alaunſtein war,
ähnlich dem Geſtein von Tolfa und Piombino, noch jene
haarförmigen, ſeidenartigen Salze von ſchwefelſaurer Thon-
und Bittererde, welche Gebirgsſpalten und Höhlen auskleiden,
ſondern wirklich Maſſen natürlichen Alauns, mit muſcheligem
oder unvollkommen blätterigem Bruch. Man machte uns Hoff-
nung, daß wir die Alaungrube im Schiefergebirg bei Mani-
quarez finden könnten. Eine ſo neue geognoſtiſche Erſchei-
nung mußte unſere ganze Aufmerkſamkeit in Anſpruch nehmen.
Frater Juan Gonzalez und der Schatzmeiſter Don Manuel
Navarete, der uns ſeit unſerer Ankunft auf dieſer Küſte mit
ſeinem Rat beigeſtanden hatte, begleiteten uns auf dem kleinen
Ausflug. Wir gingen am Vorgebirge Caney ans Land und

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[276/0284] reich und theatraliſch gekleidet war; da aber Leute mit ganz weißer Haut, wo ſie ſich nur verſtändlich machen konnten, mit unbeſcheidener Neugier ſich auch danach erkundigten, wie- viel Einfluß auf die Regierung von Guadeloupe die fran- zöſiſche Republik den Koloniſten einräume, ſo entwickelten die königlichen Beamten doppelten Eifer in der Verproviantierung der kleinen Eskadre. Fremde, die ſich rühmten frei zu ſein, ſchienen ihnen überläſtige Gäſte, und in einem Lande, deſſen fortwährend ſteigender Wohlſtand auf dem Schleichverkehr mit den Inſeln beruhte und auf einer Art Handelsfreiheit, die man dem Miniſterium abgerungen, erlebte ich es, daß die Hiſpano-Europäer ſich nicht entblödeten, die alte Weisheit des Geſetzbuches (Leyes de Indias), demzufolge die Häfen keinen fremden Fahrzeugen geöffnet werden ſollen außer in äußerſten Notfällen, bis zu den Wolken zu erheben. Ich hebe dieſe Gegenſätze zwiſchen den unruhigen Wünſchen der Koloniſten und der argwöhniſchen Starrheit der herrſchenden Kaſte hervor, weil ſie einiges Licht auf die großen politiſchen Ereigniſſe werfen, welche, von lange her vorbereitet, Spanien von ſeinen Kolonieen oder — vielleicht richtiger geſagt — von ſeinen überſeeiſchen Provinzen losgeriſſen haben. Vom 3. bis zum 5. November verbrachten wir wieder einige ſehr angenehme Tage auf der Halbinſel Araya, über dem Meerbuſen von Cariaco, Cumana gegenüber, deren Perlen, deren Salzlager und unterſeeiſche Quellen flüſſigen, farb- loſen Steinöls ich ſchon oben beſchrieben habe. Wir hatten gehört, die Indianer bringen von Zeit zu Zeit natürlichen Alaun, der in den benachbarten Bergen vorkomme, in be- deutenden Maſſen in die Stadt. An den Proben, die man uns zeigte, ſah man gleich, daß es weder Alaunſtein war, ähnlich dem Geſtein von Tolfa und Piombino, noch jene haarförmigen, ſeidenartigen Salze von ſchwefelſaurer Thon- und Bittererde, welche Gebirgsſpalten und Höhlen auskleiden, ſondern wirklich Maſſen natürlichen Alauns, mit muſcheligem oder unvollkommen blätterigem Bruch. Man machte uns Hoff- nung, daß wir die Alaungrube im Schiefergebirg bei Mani- quarez finden könnten. Eine ſo neue geognoſtiſche Erſchei- nung mußte unſere ganze Aufmerkſamkeit in Anſpruch nehmen. Frater Juan Gonzalez und der Schatzmeiſter Don Manuel Navarete, der uns ſeit unſerer Ankunft auf dieſer Küſte mit ſeinem Rat beigeſtanden hatte, begleiteten uns auf dem kleinen Ausflug. Wir gingen am Vorgebirge Caney ans Land und

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/284>, abgerufen am 22.11.2024.