Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.gedient haben, seltsam entstellt. Ich werde, wenn von den Wir übernachteten unter freiem Himmel beim Raudal 1 "Es gibt Regen, weil man die Gießbäche näher rauschen
hört," heißt es in den Alpen wie in den Anden. Deluc hat die Erscheinung dadurch zu erklären versucht, daß infolge eines Wechsels im barometrischen Druck mehr Luftblasen an der Wasserfläche platzen. Diese Erklärung ist so gezwungen als unbefriedigend. Ich will ihr keine andere Hypothese entgegenstellen, ich mache nur darauf auf- merksam, daß die Erscheinung auf einer Modifikation der Luft be- ruht, welche auf die Schallwellen und auf die Lichtwellen zumal Einfluß äußert. Wenn die Verstärkung des Schalles als Wetterzeichen gilt, so hängt dies ganz genau damit zusammen, daß man der geringeren Schwächung des Lichtes dieselbe Bedeutung bei- legt. Die Aelpler behaupten mit Zuversicht, das Wetter ändere sich, wenn bei ruhiger Luft die mit ewigem Schnee bedeckten Alpen dem Beobachter auf einmal nahe gerückt scheinen und sich ihre Umrisse ungewöhnlich scharf vom Himmelsblau abheben. Was ist die Ur- sache, daß in den vertikalen Luftschichten der Mangel an Homogeneität so rasch aufgehoben wird? gedient haben, ſeltſam entſtellt. Ich werde, wenn von den Wir übernachteten unter freiem Himmel beim Raudal 1 „Es gibt Regen, weil man die Gießbäche näher rauſchen
hört,“ heißt es in den Alpen wie in den Anden. Deluc hat die Erſcheinung dadurch zu erklären verſucht, daß infolge eines Wechſels im barometriſchen Druck mehr Luftblaſen an der Waſſerfläche platzen. Dieſe Erklärung iſt ſo gezwungen als unbefriedigend. Ich will ihr keine andere Hypotheſe entgegenſtellen, ich mache nur darauf auf- merkſam, daß die Erſcheinung auf einer Modifikation der Luft be- ruht, welche auf die Schallwellen und auf die Lichtwellen zumal Einfluß äußert. Wenn die Verſtärkung des Schalles als Wetterzeichen gilt, ſo hängt dies ganz genau damit zuſammen, daß man der geringeren Schwächung des Lichtes dieſelbe Bedeutung bei- legt. Die Aelpler behaupten mit Zuverſicht, das Wetter ändere ſich, wenn bei ruhiger Luft die mit ewigem Schnee bedeckten Alpen dem Beobachter auf einmal nahe gerückt ſcheinen und ſich ihre Umriſſe ungewöhnlich ſcharf vom Himmelsblau abheben. Was iſt die Ur- ſache, daß in den vertikalen Luftſchichten der Mangel an Homogeneität ſo raſch aufgehoben wird? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0030" n="22"/> gedient haben, ſeltſam entſtellt. Ich werde, wenn von den<lb/> Quellen des Orinoko die Rede iſt, Gelegenheit finden, von<lb/> den Vorausſetzungen zu ſprechen, die zu dieſen Irrtümern<lb/> Anlaß gegeben haben. Hätte Pater Caulin die Karte ſehen<lb/> können, die man ſeinem Werke beigegeben, ſo hätte er ſich<lb/> nicht wenig gewundert, daß man darin die Fiktionen wieder<lb/> aufgenommen, die er mit zuverläſſigen, an Ort und Stelle<lb/> eingezogenen Nachrichten widerlegt hat. Dieſer Miſſionär ſagt<lb/> lediglich, der Idapa entſpringe in einem bergigen Lande,<lb/> bei dem die Amuiſanasindianer hauſen. Aus dieſen In-<lb/> dianern wurden Amoizanas oder Amazonas gemacht, und<lb/> den Rio Idapa ließ man aus einer Quelle entſpringen, die<lb/> am Flecke ſelbſt, wo ſie aus der Erde ſprudelt, ſich in<lb/> zwei Zweige teilt, die nach gerade entgegengeſetzten Seiten<lb/> laufen. Eine ſolche Gabelung einer Quelle iſt ein reines<lb/> Phantaſiebild.</p><lb/> <p>Wir übernachteten unter freiem Himmel beim Raudal<lb/> des Cunuri. Das Getöſe des kleinen Kataraktes wurde in der<lb/> Nacht auffallend ſtärker. Unſere Indianer behaupteten, dies<lb/> ſei ein ſicheres Vorzeichen des Regens. Ich erinnerte mich,<lb/> daß auch die Bewohner der Alpen auf dieſes Wetterzeichen <note place="foot" n="1">„Es gibt Regen, weil man die Gießbäche näher rauſchen<lb/> hört,“ heißt es in den Alpen wie in den Anden. Deluc hat die<lb/> Erſcheinung dadurch zu erklären verſucht, daß infolge eines Wechſels<lb/> im barometriſchen Druck mehr Luftblaſen an der Waſſerfläche platzen.<lb/> Dieſe Erklärung iſt ſo gezwungen als unbefriedigend. Ich will ihr<lb/> keine andere Hypotheſe entgegenſtellen, ich mache nur darauf auf-<lb/> merkſam, daß die Erſcheinung auf einer Modifikation der Luft be-<lb/> ruht, welche auf die <hi rendition="#g">Schallwellen</hi> und auf die <hi rendition="#g">Lichtwellen</hi><lb/> zumal Einfluß äußert. Wenn die Verſtärkung des Schalles als<lb/> Wetterzeichen gilt, ſo hängt dies ganz genau damit zuſammen, daß<lb/> man der geringeren Schwächung des Lichtes dieſelbe Bedeutung bei-<lb/> legt. Die Aelpler behaupten mit Zuverſicht, das Wetter ändere ſich,<lb/> wenn bei ruhiger Luft die mit ewigem Schnee bedeckten Alpen dem<lb/> Beobachter auf einmal nahe gerückt ſcheinen und ſich ihre Umriſſe<lb/> ungewöhnlich ſcharf vom Himmelsblau abheben. Was iſt die Ur-<lb/> ſache, daß in den vertikalen Luftſchichten der Mangel an Homogeneität<lb/> ſo raſch aufgehoben wird?</note><lb/> ſehr viel halten. Wirklich regnete es lange vor Sonnenauf-<lb/> gang. Uebrigens hatte uns das lange anhaltende Geheul<lb/> der Araguaten, lange bevor der Waſſerfall lauter wurde, ver-<lb/> kündet, daß ein Regenguß im Anzug ſei.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0030]
gedient haben, ſeltſam entſtellt. Ich werde, wenn von den
Quellen des Orinoko die Rede iſt, Gelegenheit finden, von
den Vorausſetzungen zu ſprechen, die zu dieſen Irrtümern
Anlaß gegeben haben. Hätte Pater Caulin die Karte ſehen
können, die man ſeinem Werke beigegeben, ſo hätte er ſich
nicht wenig gewundert, daß man darin die Fiktionen wieder
aufgenommen, die er mit zuverläſſigen, an Ort und Stelle
eingezogenen Nachrichten widerlegt hat. Dieſer Miſſionär ſagt
lediglich, der Idapa entſpringe in einem bergigen Lande,
bei dem die Amuiſanasindianer hauſen. Aus dieſen In-
dianern wurden Amoizanas oder Amazonas gemacht, und
den Rio Idapa ließ man aus einer Quelle entſpringen, die
am Flecke ſelbſt, wo ſie aus der Erde ſprudelt, ſich in
zwei Zweige teilt, die nach gerade entgegengeſetzten Seiten
laufen. Eine ſolche Gabelung einer Quelle iſt ein reines
Phantaſiebild.
Wir übernachteten unter freiem Himmel beim Raudal
des Cunuri. Das Getöſe des kleinen Kataraktes wurde in der
Nacht auffallend ſtärker. Unſere Indianer behaupteten, dies
ſei ein ſicheres Vorzeichen des Regens. Ich erinnerte mich,
daß auch die Bewohner der Alpen auf dieſes Wetterzeichen 1
ſehr viel halten. Wirklich regnete es lange vor Sonnenauf-
gang. Uebrigens hatte uns das lange anhaltende Geheul
der Araguaten, lange bevor der Waſſerfall lauter wurde, ver-
kündet, daß ein Regenguß im Anzug ſei.
1 „Es gibt Regen, weil man die Gießbäche näher rauſchen
hört,“ heißt es in den Alpen wie in den Anden. Deluc hat die
Erſcheinung dadurch zu erklären verſucht, daß infolge eines Wechſels
im barometriſchen Druck mehr Luftblaſen an der Waſſerfläche platzen.
Dieſe Erklärung iſt ſo gezwungen als unbefriedigend. Ich will ihr
keine andere Hypotheſe entgegenſtellen, ich mache nur darauf auf-
merkſam, daß die Erſcheinung auf einer Modifikation der Luft be-
ruht, welche auf die Schallwellen und auf die Lichtwellen
zumal Einfluß äußert. Wenn die Verſtärkung des Schalles als
Wetterzeichen gilt, ſo hängt dies ganz genau damit zuſammen, daß
man der geringeren Schwächung des Lichtes dieſelbe Bedeutung bei-
legt. Die Aelpler behaupten mit Zuverſicht, das Wetter ändere ſich,
wenn bei ruhiger Luft die mit ewigem Schnee bedeckten Alpen dem
Beobachter auf einmal nahe gerückt ſcheinen und ſich ihre Umriſſe
ungewöhnlich ſcharf vom Himmelsblau abheben. Was iſt die Ur-
ſache, daß in den vertikalen Luftſchichten der Mangel an Homogeneität
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