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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Durch diese Ansammlung von Wolken erkennt man die Lage
der niedrigsten Inseln in sehr bedeutender Entfernung.

Am 29. November. Bei Sonnenaufgang sahen wir fast
dicht am Meereshorizont die Kuppel der Silla bei Caracas
noch ganz deutlich. Wir glaubten 175 bis 180 km davon
entfernt zu sein, woraus, die Höhe des Berges (2630 m),
seine astronomische Lage und den Schiffsort als richtig be-
stimmt angenommen, eine für diese Breite etwas starke Re-
fraktion zwischen 1/6 und 1/7 folgte. Um Mittag verkündeten
alle Zeichen am Himmel gegen Nord einen Witterungswechsel;
die Luft kühlte sich auf einmal auf 22,8° ab, während die
See an der Oberfläche eine Temperatur von 25,6° behielt.
Während der Beobachtung um Mittag brachten daher auch die
Schwingungen des Horizontes, der von schwarzen Streifen
oder Bändern von sehr veränderlicher Breite durchzogen war,
einen Wechsel von 3 bis 4 Minuten in der Refraktion hervor.
Bei ganz stiller Luft fing die See an hoch zu gehen; alles
deutete auf einen Sturm zwischen den Kaimanseilanden und
dem Kap San Antonio. Und wirklich sprang am 30. No-
vember der Wind auf einmal nach Nord-Nord-Ost um und
die Wogen wurden ausnehmend hoch. Gegen Nord war der
Himmel schwarzblau, und unser kleines Fahrzeug schlingerte
um so stärker, da man im Anschlagen der Wellen zwei sich
kreuzende Seen unterschied, eine aus Nord, eine andere aus
Nord-Nord-Ost. Auf 2 km weit bildeten sich Wasserhosen und
liefen rasch von Nord-Nord-Ost nach Nord-Nord-West. So oft
die Wasserhose uns am nächsten kam, fühlten wir den Wind
stärker werden. Gegen Abend brach durch die Unvorsichtigkeit
unseres amerikanischen Kochs Feuer auf dem Oberleuf aus.
Es wurde leicht gelöscht; bei sehr schlimmem Wetter mit
Windstößen, und da wir Fleisch geladen hatten, das des Fettes
wegen ungemein leicht brennt, hätte das Feuer rasch um sich
greifen können. Am 1. Dezember morgens wurde die See
allmählich ruhiger, je mehr sich der Wind in Nordost festsetzte.
Ich war zu dieser Zeit des gleichförmigen Ganges meines
Chronometers ziemlich gewiß; der Kapitän wollte aber zur
Beruhigung einige Punkte der Insel Domingo peilen. Am
2. Dezember kam wirklich Kap Beata in Sicht, an einem
Punkte, wo wir schon lange Wolkenhaufen gesehen hatten.
Nach Höhen des Achernar, die ich in der Nacht aufnahm,
waren wir 118 km davon entfernt. In dieser Nacht be-
obachtete ich eine sehr interessante optische Erscheinung, die

Durch dieſe Anſammlung von Wolken erkennt man die Lage
der niedrigſten Inſeln in ſehr bedeutender Entfernung.

Am 29. November. Bei Sonnenaufgang ſahen wir faſt
dicht am Meereshorizont die Kuppel der Silla bei Caracas
noch ganz deutlich. Wir glaubten 175 bis 180 km davon
entfernt zu ſein, woraus, die Höhe des Berges (2630 m),
ſeine aſtronomiſche Lage und den Schiffsort als richtig be-
ſtimmt angenommen, eine für dieſe Breite etwas ſtarke Re-
fraktion zwiſchen ⅙ und 1/7 folgte. Um Mittag verkündeten
alle Zeichen am Himmel gegen Nord einen Witterungswechſel;
die Luft kühlte ſich auf einmal auf 22,8° ab, während die
See an der Oberfläche eine Temperatur von 25,6° behielt.
Während der Beobachtung um Mittag brachten daher auch die
Schwingungen des Horizontes, der von ſchwarzen Streifen
oder Bändern von ſehr veränderlicher Breite durchzogen war,
einen Wechſel von 3 bis 4 Minuten in der Refraktion hervor.
Bei ganz ſtiller Luft fing die See an hoch zu gehen; alles
deutete auf einen Sturm zwiſchen den Kaimanseilanden und
dem Kap San Antonio. Und wirklich ſprang am 30. No-
vember der Wind auf einmal nach Nord-Nord-Oſt um und
die Wogen wurden ausnehmend hoch. Gegen Nord war der
Himmel ſchwarzblau, und unſer kleines Fahrzeug ſchlingerte
um ſo ſtärker, da man im Anſchlagen der Wellen zwei ſich
kreuzende Seen unterſchied, eine aus Nord, eine andere aus
Nord-Nord-Oſt. Auf 2 km weit bildeten ſich Waſſerhoſen und
liefen raſch von Nord-Nord-Oſt nach Nord-Nord-Weſt. So oft
die Waſſerhoſe uns am nächſten kam, fühlten wir den Wind
ſtärker werden. Gegen Abend brach durch die Unvorſichtigkeit
unſeres amerikaniſchen Kochs Feuer auf dem Oberleuf aus.
Es wurde leicht gelöſcht; bei ſehr ſchlimmem Wetter mit
Windſtößen, und da wir Fleiſch geladen hatten, das des Fettes
wegen ungemein leicht brennt, hätte das Feuer raſch um ſich
greifen können. Am 1. Dezember morgens wurde die See
allmählich ruhiger, je mehr ſich der Wind in Nordoſt feſtſetzte.
Ich war zu dieſer Zeit des gleichförmigen Ganges meines
Chronometers ziemlich gewiß; der Kapitän wollte aber zur
Beruhigung einige Punkte der Inſel Domingo peilen. Am
2. Dezember kam wirklich Kap Beata in Sicht, an einem
Punkte, wo wir ſchon lange Wolkenhaufen geſehen hatten.
Nach Höhen des Achernar, die ich in der Nacht aufnahm,
waren wir 118 km davon entfernt. In dieſer Nacht be-
obachtete ich eine ſehr intereſſante optiſche Erſcheinung, die

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[296/0304] Durch dieſe Anſammlung von Wolken erkennt man die Lage der niedrigſten Inſeln in ſehr bedeutender Entfernung. Am 29. November. Bei Sonnenaufgang ſahen wir faſt dicht am Meereshorizont die Kuppel der Silla bei Caracas noch ganz deutlich. Wir glaubten 175 bis 180 km davon entfernt zu ſein, woraus, die Höhe des Berges (2630 m), ſeine aſtronomiſche Lage und den Schiffsort als richtig be- ſtimmt angenommen, eine für dieſe Breite etwas ſtarke Re- fraktion zwiſchen ⅙ und 1/7 folgte. Um Mittag verkündeten alle Zeichen am Himmel gegen Nord einen Witterungswechſel; die Luft kühlte ſich auf einmal auf 22,8° ab, während die See an der Oberfläche eine Temperatur von 25,6° behielt. Während der Beobachtung um Mittag brachten daher auch die Schwingungen des Horizontes, der von ſchwarzen Streifen oder Bändern von ſehr veränderlicher Breite durchzogen war, einen Wechſel von 3 bis 4 Minuten in der Refraktion hervor. Bei ganz ſtiller Luft fing die See an hoch zu gehen; alles deutete auf einen Sturm zwiſchen den Kaimanseilanden und dem Kap San Antonio. Und wirklich ſprang am 30. No- vember der Wind auf einmal nach Nord-Nord-Oſt um und die Wogen wurden ausnehmend hoch. Gegen Nord war der Himmel ſchwarzblau, und unſer kleines Fahrzeug ſchlingerte um ſo ſtärker, da man im Anſchlagen der Wellen zwei ſich kreuzende Seen unterſchied, eine aus Nord, eine andere aus Nord-Nord-Oſt. Auf 2 km weit bildeten ſich Waſſerhoſen und liefen raſch von Nord-Nord-Oſt nach Nord-Nord-Weſt. So oft die Waſſerhoſe uns am nächſten kam, fühlten wir den Wind ſtärker werden. Gegen Abend brach durch die Unvorſichtigkeit unſeres amerikaniſchen Kochs Feuer auf dem Oberleuf aus. Es wurde leicht gelöſcht; bei ſehr ſchlimmem Wetter mit Windſtößen, und da wir Fleiſch geladen hatten, das des Fettes wegen ungemein leicht brennt, hätte das Feuer raſch um ſich greifen können. Am 1. Dezember morgens wurde die See allmählich ruhiger, je mehr ſich der Wind in Nordoſt feſtſetzte. Ich war zu dieſer Zeit des gleichförmigen Ganges meines Chronometers ziemlich gewiß; der Kapitän wollte aber zur Beruhigung einige Punkte der Inſel Domingo peilen. Am 2. Dezember kam wirklich Kap Beata in Sicht, an einem Punkte, wo wir ſchon lange Wolkenhaufen geſehen hatten. Nach Höhen des Achernar, die ich in der Nacht aufnahm, waren wir 118 km davon entfernt. In dieſer Nacht be- obachtete ich eine ſehr intereſſante optiſche Erſcheinung, die

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/304>, abgerufen am 21.11.2024.