Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.sollte, heißt in der Mission der Giftmeister (amo del Diese chemische Operation, auf die der Meister des ſollte, heißt in der Miſſion der Giftmeiſter (amo del Dieſe chemiſche Operation, auf die der Meiſter des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0070" n="62"/> ſollte, heißt in der Miſſion der <hi rendition="#g">Giftmeiſter</hi> <hi rendition="#aq">(amo del<lb/> Curare);</hi> er hatte das ſteife Weſen und den pedantiſchen<lb/> Ton, den man früher in Europa den Apothekern zum Vor-<lb/> wurf machte. „Ich weiß,“ ſagte er, „die Weißen ver-<lb/> ſtehen die Kunſt, Seife zu machen und das ſchwarze Pulver,<lb/> bei dem das Ueble iſt, daß es Lärm macht und die Tiere<lb/> verſcheucht, wenn man ſie fehlt. Das Curare, deſſen Berei-<lb/> tung bei uns vom Vater auf den Sohn übergeht, iſt beſſer<lb/> als alles, was ihr dort drüben (über dem Meere) zu machen<lb/> wißt. Es iſt der Saft einer Pflanze, <hi rendition="#g">der ganz leiſe</hi> tötet<lb/> (ohne daß man weiß, woher der Schuß kommt).“</p><lb/> <p>Dieſe chemiſche Operation, auf die der <hi rendition="#g">Meiſter des<lb/> Curare</hi> ſo großes Gewicht legte, ſchien uns ſehr einfach.<lb/> Das Schlinggewächs <hi rendition="#aq">(Bejuco)</hi>, aus dem man in Esmeralda<lb/> das Gift bereitet, heißt hier wie in den Wäldern bei Javita.<lb/> Es iſt der <hi rendition="#aq">Bejuco de Mavacure,</hi> und er kommt öſtlich von<lb/> der Miſſion am linken Ufer des Orinoko, jenſeits des Rio<lb/> Amaguaca im granitiſchen Bergland von Guanaya und Yu-<lb/> mariquin in Menge vor. Obgleich die Bejucobündel, die wir<lb/> im Hauſe des Indianers fanden, gar keine Blätter mehr<lb/> hatten, blieb uns doch kein Zweifel, daß es dasſelbe Gewächs<lb/> aus der Familie der Strychneen (Aublets Rouhamon ſehr<lb/> nahe ſtehend), das wir im Wald beim Pimichin unterſucht.<lb/> Der <hi rendition="#g">Mavacure</hi> wird ohne Unterſchied friſch oder ſeit meh-<lb/> reren Wochen getrocknet verarbeitet. Der friſche Saft der<lb/> Liane gilt nicht für giftig; vielleicht zeigt er ſich nur wirkſam,<lb/> wenn er ſtark konzentriert iſt. Das furchtbare Gift iſt in<lb/> der Rinde und einem Teil des Splintes enthalten. Man<lb/> ſchabt mit einem Meſſer 8 bis 11 <hi rendition="#aq">mm</hi> dicke Mavacurezweige<lb/> ab und zerſtößt die abgeſchabte Rinde auf einem Stein, wie<lb/> er zum Reiben des Maniokmehls dient, in ganz dünne Faſern.<lb/> Da der giftige Saft gelb iſt, ſo nimmt die ganze faſerige<lb/> Maſſe die nämliche Farbe an. Man bringt dieſelbe in einen<lb/> 24 <hi rendition="#aq">cm</hi> hohen, 10 <hi rendition="#aq">cm</hi> weiten Trichter. Dieſen Trichter ſtrich<lb/> der Giftmeiſter unter allen Gerätſchaften des indianiſchen La-<lb/> boratoriums am meiſten heraus. Er fragte uns mehreremal,<lb/> ob wir <hi rendition="#aq">por alla</hi> (dort drüben, das heißt in Europa) jemals<lb/> etwas geſehen hätten, das ſeinem <hi rendition="#aq">Embudo</hi> gleiche? Es war<lb/> ein tütenförmig aufgerolltes Bananenblatt, das in einer an-<lb/> deren ſtärkeren Tüte aus Palmblättern ſteckte; die ganze Vor-<lb/> richtung ruhte auf einem leichten Geſtell von Blattſtielen und<lb/> Fruchtſpindeln einer Palme. Man macht zuerſt einen kalten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0070]
ſollte, heißt in der Miſſion der Giftmeiſter (amo del
Curare); er hatte das ſteife Weſen und den pedantiſchen
Ton, den man früher in Europa den Apothekern zum Vor-
wurf machte. „Ich weiß,“ ſagte er, „die Weißen ver-
ſtehen die Kunſt, Seife zu machen und das ſchwarze Pulver,
bei dem das Ueble iſt, daß es Lärm macht und die Tiere
verſcheucht, wenn man ſie fehlt. Das Curare, deſſen Berei-
tung bei uns vom Vater auf den Sohn übergeht, iſt beſſer
als alles, was ihr dort drüben (über dem Meere) zu machen
wißt. Es iſt der Saft einer Pflanze, der ganz leiſe tötet
(ohne daß man weiß, woher der Schuß kommt).“
Dieſe chemiſche Operation, auf die der Meiſter des
Curare ſo großes Gewicht legte, ſchien uns ſehr einfach.
Das Schlinggewächs (Bejuco), aus dem man in Esmeralda
das Gift bereitet, heißt hier wie in den Wäldern bei Javita.
Es iſt der Bejuco de Mavacure, und er kommt öſtlich von
der Miſſion am linken Ufer des Orinoko, jenſeits des Rio
Amaguaca im granitiſchen Bergland von Guanaya und Yu-
mariquin in Menge vor. Obgleich die Bejucobündel, die wir
im Hauſe des Indianers fanden, gar keine Blätter mehr
hatten, blieb uns doch kein Zweifel, daß es dasſelbe Gewächs
aus der Familie der Strychneen (Aublets Rouhamon ſehr
nahe ſtehend), das wir im Wald beim Pimichin unterſucht.
Der Mavacure wird ohne Unterſchied friſch oder ſeit meh-
reren Wochen getrocknet verarbeitet. Der friſche Saft der
Liane gilt nicht für giftig; vielleicht zeigt er ſich nur wirkſam,
wenn er ſtark konzentriert iſt. Das furchtbare Gift iſt in
der Rinde und einem Teil des Splintes enthalten. Man
ſchabt mit einem Meſſer 8 bis 11 mm dicke Mavacurezweige
ab und zerſtößt die abgeſchabte Rinde auf einem Stein, wie
er zum Reiben des Maniokmehls dient, in ganz dünne Faſern.
Da der giftige Saft gelb iſt, ſo nimmt die ganze faſerige
Maſſe die nämliche Farbe an. Man bringt dieſelbe in einen
24 cm hohen, 10 cm weiten Trichter. Dieſen Trichter ſtrich
der Giftmeiſter unter allen Gerätſchaften des indianiſchen La-
boratoriums am meiſten heraus. Er fragte uns mehreremal,
ob wir por alla (dort drüben, das heißt in Europa) jemals
etwas geſehen hätten, das ſeinem Embudo gleiche? Es war
ein tütenförmig aufgerolltes Bananenblatt, das in einer an-
deren ſtärkeren Tüte aus Palmblättern ſteckte; die ganze Vor-
richtung ruhte auf einem leichten Geſtell von Blattſtielen und
Fruchtſpindeln einer Palme. Man macht zuerſt einen kalten
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