Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.lange zwischen den Fingern rieb, wurden mir die Hände pel- Ich lasse mich hier auf keine Erörterung der physiologi- lange zwiſchen den Fingern rieb, wurden mir die Hände pel- Ich laſſe mich hier auf keine Erörterung der phyſiologi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0074" n="66"/> lange zwiſchen den Fingern rieb, wurden mir die Hände pel-<lb/> zig; eine Perſon, die mit mir arbeitete, ſpürte gleich mir dieſe<lb/> Folgen einer raſchen Aufſaugung durch die unverletzten Haut-<lb/> decken.</p><lb/> <p>Ich laſſe mich hier auf keine Erörterung der phyſiologi-<lb/> ſchen Wirkungen dieſer Gifte der Neuen Welt ein, die ſo raſch<lb/> töten, wie die Strychnosarten Aſiens (die Brechnuß, das Upas-<lb/> tieute und die Ignatiusbohne), aber ohne, wenn ſie in den<lb/> Magen kommen, Erbrechen zu erregen und ohne die gewaltige<lb/> Reizung des Rückenmarkes, welche den bevorſtehenden Tod<lb/> verkündet. Wir haben während unſeres Aufenthaltes in<lb/> Amerika Curare vom Orinoko und Bamburohrſtücke mit Gift<lb/> der Ticuna und von Moyobamba den Chemikern Fourcroy<lb/> und Vauquelin übermacht; wir haben ferner nach unſerer<lb/> Rückkehr Magendie und Delille, die mit den Giften der<lb/> Neuen Welt ſo ſchöne Verſuche angeſtellt, Curare mitge-<lb/> teilt, das auf dem Transport durch feuchte Länder ſchwächer<lb/> geworden war. Am Orinoko wird ſelten ein Huhn geſpeiſt,<lb/> das nicht durch einen Stich mit einem vergifteten Pfeil ge-<lb/> tötet worden wäre; ja die Miſſionäre behaupten, das Fleiſch<lb/> der Tiere ſei nur dann gut, wenn man dieſes Mittel an-<lb/> wende. Unſer Reiſebegleiter, der am dreitägigen Fieber lei-<lb/> dende Pater Zea, ließ ſich jeden Morgen einen Pfeil und<lb/> das Huhn, das wir ſpeiſen ſollten, lebend in ſeine Hänge-<lb/> matte bringen. Er hätte eine Operation, auf die er trotz<lb/> ſeines Schwächezuſtandes ein ſehr großes Gewicht legte, keinem<lb/> anderen überlaſſen mögen. Große Vögel, z. B. ein Guan<lb/><hi rendition="#aq">(Pava de monte)</hi> oder ein Hocco <hi rendition="#aq">(Alector)</hi> ſterben, wenn<lb/> man ſie in den Schenkel ſticht, in 2 bis 3 Minuten; bei einem<lb/> Schwein oder Pecari dauert es oft 10 bis 12. Bonpland fand,<lb/> daß dasſelbe Gift in verſchiedenen Dörfern, wo man es kaufte,<lb/> ſehr verſchieden war. Wir bekamen am Amazonenſtrom echtes<lb/> Gift der Ticunaindianer, das ſchwächer war als alle Sorten<lb/> des Curare vom Orinoko. Es wäre unnütz, den Reiſenden<lb/> die Angſt ausreden zu wollen, die ſie häufig äußern, wenn<lb/> ſie bei der Ankunft in den Miſſionen hören, daß die Hühner,<lb/> die Affen, die Leguane, die großen Flußfiſche, die ſie eſſen,<lb/> mit giftigen Pfeilen getötet ſind. Gewöhnung und Nach-<lb/> denken machen dieſer Angſt bald ein Ende. Magendie hat<lb/> ſogar durch ſinnreiche Verſuche mit der Transfuſion dargethan,<lb/> daß das Blut von Tieren, die mit den oſtindiſchen bitteren<lb/> Strychnosarten getötet worden ſind, auf andere Tiere keine<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0074]
lange zwiſchen den Fingern rieb, wurden mir die Hände pel-
zig; eine Perſon, die mit mir arbeitete, ſpürte gleich mir dieſe
Folgen einer raſchen Aufſaugung durch die unverletzten Haut-
decken.
Ich laſſe mich hier auf keine Erörterung der phyſiologi-
ſchen Wirkungen dieſer Gifte der Neuen Welt ein, die ſo raſch
töten, wie die Strychnosarten Aſiens (die Brechnuß, das Upas-
tieute und die Ignatiusbohne), aber ohne, wenn ſie in den
Magen kommen, Erbrechen zu erregen und ohne die gewaltige
Reizung des Rückenmarkes, welche den bevorſtehenden Tod
verkündet. Wir haben während unſeres Aufenthaltes in
Amerika Curare vom Orinoko und Bamburohrſtücke mit Gift
der Ticuna und von Moyobamba den Chemikern Fourcroy
und Vauquelin übermacht; wir haben ferner nach unſerer
Rückkehr Magendie und Delille, die mit den Giften der
Neuen Welt ſo ſchöne Verſuche angeſtellt, Curare mitge-
teilt, das auf dem Transport durch feuchte Länder ſchwächer
geworden war. Am Orinoko wird ſelten ein Huhn geſpeiſt,
das nicht durch einen Stich mit einem vergifteten Pfeil ge-
tötet worden wäre; ja die Miſſionäre behaupten, das Fleiſch
der Tiere ſei nur dann gut, wenn man dieſes Mittel an-
wende. Unſer Reiſebegleiter, der am dreitägigen Fieber lei-
dende Pater Zea, ließ ſich jeden Morgen einen Pfeil und
das Huhn, das wir ſpeiſen ſollten, lebend in ſeine Hänge-
matte bringen. Er hätte eine Operation, auf die er trotz
ſeines Schwächezuſtandes ein ſehr großes Gewicht legte, keinem
anderen überlaſſen mögen. Große Vögel, z. B. ein Guan
(Pava de monte) oder ein Hocco (Alector) ſterben, wenn
man ſie in den Schenkel ſticht, in 2 bis 3 Minuten; bei einem
Schwein oder Pecari dauert es oft 10 bis 12. Bonpland fand,
daß dasſelbe Gift in verſchiedenen Dörfern, wo man es kaufte,
ſehr verſchieden war. Wir bekamen am Amazonenſtrom echtes
Gift der Ticunaindianer, das ſchwächer war als alle Sorten
des Curare vom Orinoko. Es wäre unnütz, den Reiſenden
die Angſt ausreden zu wollen, die ſie häufig äußern, wenn
ſie bei der Ankunft in den Miſſionen hören, daß die Hühner,
die Affen, die Leguane, die großen Flußfiſche, die ſie eſſen,
mit giftigen Pfeilen getötet ſind. Gewöhnung und Nach-
denken machen dieſer Angſt bald ein Ende. Magendie hat
ſogar durch ſinnreiche Verſuche mit der Transfuſion dargethan,
daß das Blut von Tieren, die mit den oſtindiſchen bitteren
Strychnosarten getötet worden ſind, auf andere Tiere keine
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