Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Alle diese Erscheinungen verdienen desto mehr Aufmerk- Diese Stämme mit weißlicher Haut, welche wir in der Spielarten der amerikanischen Rasse sind die Otomaken und die
Guamos, und sie haben vielleicht zu den verworrenen Vorstellungen von amerikanischen Negern, die in der ersten Zeit der Er- oberung in Europa verbreitet waren, Anlaß gegeben. Was waren die Negros de Quareca, die Gomara auf denselben Isthmus von Panama versetzt, woher uns zuerst die albernen Geschichten von einem Volke von Albinos in Amerika zugekommen? Liest man die Geschichtschreiber aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts mit Auf- merksamkeit, so sieht man, daß durch die Entdeckung von Amerika, wodurch auch eine neue Menschenrasse entdeckt worden war, die Reisenden großes Interesse für die Abarten unseres Geschlechtes gewonnen hatten. Hätte nun unter den kupferfarbigen Menschen eine schwarze Rasse gelebt, wie auf den Inseln der Südsee, so hätten die Konquistadoren sich sicher bestimmt darüber ausgesprochen. Zudem kommen in den religiösen Ueberlieferungen der Amerikaner in ihren heroischen Zeiten wohl weiße bärtige Männer als Priester und Gesetzgeber vor, aber in keiner dieser Sagen ist von einem schwarzen Volksstamme die Rede. Alle dieſe Erſcheinungen verdienen deſto mehr Aufmerk- Dieſe Stämme mit weißlicher Haut, welche wir in der Spielarten der amerikaniſchen Raſſe ſind die Otomaken und die
Guamos, und ſie haben vielleicht zu den verworrenen Vorſtellungen von amerikaniſchen Negern, die in der erſten Zeit der Er- oberung in Europa verbreitet waren, Anlaß gegeben. Was waren die Negros de Quareca, die Gomara auf denſelben Iſthmus von Panama verſetzt, woher uns zuerſt die albernen Geſchichten von einem Volke von Albinos in Amerika zugekommen? Lieſt man die Geſchichtſchreiber aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts mit Auf- merkſamkeit, ſo ſieht man, daß durch die Entdeckung von Amerika, wodurch auch eine neue Menſchenraſſe entdeckt worden war, die Reiſenden großes Intereſſe für die Abarten unſeres Geſchlechtes gewonnen hatten. Hätte nun unter den kupferfarbigen Menſchen eine ſchwarze Raſſe gelebt, wie auf den Inſeln der Südſee, ſo hätten die Konquiſtadoren ſich ſicher beſtimmt darüber ausgeſprochen. Zudem kommen in den religiöſen Ueberlieferungen der Amerikaner in ihren heroiſchen Zeiten wohl weiße bärtige Männer als Prieſter und Geſetzgeber vor, aber in keiner dieſer Sagen iſt von einem ſchwarzen Volksſtamme die Rede. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0095" n="87"/> <p>Alle dieſe Erſcheinungen verdienen deſto mehr Aufmerk-<lb/> ſamkeit, als ſie den großen Zweig der amerikaniſchen Völker<lb/> betreffen, den man gemeiniglich dem am Pole lebenden Zweig,<lb/> den Eskimo-Tſchugaſen, entgegenſtellt, deren Kinder weiß ſind<lb/> und die mongoliſch gelbe Farbe erſt durch den Einfluß der<lb/> Luft und der Feuchtigkeit annehmen. In Guyana ſind die<lb/> Horden, welche mitten in den dichteſten Wäldern leben, meiſt<lb/> nicht ſo dunkel als ſolche, welche an den Ufern des Ori-<lb/> noko Fiſchfang treiben. Aber dieſer unbedeutende Unter-<lb/> ſchied, der ja auch in Europa zwiſchen den ſtädtiſchen Hand-<lb/> werkern und den Landbauern oder Küſtenfiſchern vorkommt,<lb/> erklärt keineswegs das Phänomen der Indios blancos, die<lb/> Exiſtenz von Indianerſtämmen mit einer Haut wie die der<lb/> Meſtizen. Dieſelben ſind von anderen Waldindianern (<hi rendition="#aq">Indios<lb/> del monte</hi>) umgeben, die, obgleich ganz den nämlichen<lb/> phyſiſchen Einflüſſen ausgeſetzt, braunrot ſind. Die Ur-<lb/> ſachen dieſer Erſcheinungen liegen in der Zeit ſehr weit<lb/> rückwärts, und wir ſagen wieder mit Tacitus: <hi rendition="#aq">„Est durans<lb/> originis vis.“</hi></p><lb/> <p>Dieſe Stämme mit weißlicher Haut, welche wir in der<lb/> Miſſion Esmeralda zu ſehen Gelegenheit gehabt, bewohnen<lb/> einen Strich des Berglandes zwiſchen den Quellen von ſechs<lb/> Nebenflüſſen des Orinoko, des Padamo, Jao, Ventuari,<lb/> Erevato, Aruy und Paragua. Bei den ſpaniſchen und portu-<lb/><note xml:id="seg2pn_5_2" prev="#seg2pn_5_1" place="foot" n="1">Spielarten der amerikaniſchen Raſſe ſind die Otomaken und die<lb/> Guamos, und ſie haben vielleicht zu den verworrenen Vorſtellungen<lb/> von <hi rendition="#g">amerikaniſchen Negern</hi>, die in der erſten Zeit der Er-<lb/> oberung in Europa verbreitet waren, Anlaß gegeben. Was waren<lb/> die <hi rendition="#aq">Negros de Quareca,</hi> die Gomara auf denſelben Iſthmus von<lb/> Panama verſetzt, woher uns zuerſt die albernen Geſchichten von<lb/> einem Volke von Albinos in Amerika zugekommen? Lieſt man die<lb/> Geſchichtſchreiber aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts mit Auf-<lb/> merkſamkeit, ſo ſieht man, daß durch die Entdeckung von Amerika,<lb/> wodurch auch eine neue Menſchenraſſe entdeckt worden war, die<lb/> Reiſenden großes Intereſſe für die Abarten unſeres Geſchlechtes<lb/> gewonnen hatten. Hätte nun unter den kupferfarbigen Menſchen<lb/> eine ſchwarze Raſſe gelebt, wie auf den Inſeln der Südſee, ſo<lb/> hätten die Konquiſtadoren ſich ſicher beſtimmt darüber ausgeſprochen.<lb/> Zudem kommen in den religiöſen Ueberlieferungen der Amerikaner<lb/> in ihren heroiſchen Zeiten wohl weiße bärtige Männer als Prieſter<lb/> und Geſetzgeber vor, aber in keiner dieſer Sagen iſt von einem<lb/> ſchwarzen Volksſtamme die Rede.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0095]
Alle dieſe Erſcheinungen verdienen deſto mehr Aufmerk-
ſamkeit, als ſie den großen Zweig der amerikaniſchen Völker
betreffen, den man gemeiniglich dem am Pole lebenden Zweig,
den Eskimo-Tſchugaſen, entgegenſtellt, deren Kinder weiß ſind
und die mongoliſch gelbe Farbe erſt durch den Einfluß der
Luft und der Feuchtigkeit annehmen. In Guyana ſind die
Horden, welche mitten in den dichteſten Wäldern leben, meiſt
nicht ſo dunkel als ſolche, welche an den Ufern des Ori-
noko Fiſchfang treiben. Aber dieſer unbedeutende Unter-
ſchied, der ja auch in Europa zwiſchen den ſtädtiſchen Hand-
werkern und den Landbauern oder Küſtenfiſchern vorkommt,
erklärt keineswegs das Phänomen der Indios blancos, die
Exiſtenz von Indianerſtämmen mit einer Haut wie die der
Meſtizen. Dieſelben ſind von anderen Waldindianern (Indios
del monte) umgeben, die, obgleich ganz den nämlichen
phyſiſchen Einflüſſen ausgeſetzt, braunrot ſind. Die Ur-
ſachen dieſer Erſcheinungen liegen in der Zeit ſehr weit
rückwärts, und wir ſagen wieder mit Tacitus: „Est durans
originis vis.“
Dieſe Stämme mit weißlicher Haut, welche wir in der
Miſſion Esmeralda zu ſehen Gelegenheit gehabt, bewohnen
einen Strich des Berglandes zwiſchen den Quellen von ſechs
Nebenflüſſen des Orinoko, des Padamo, Jao, Ventuari,
Erevato, Aruy und Paragua. Bei den ſpaniſchen und portu-
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1 Spielarten der amerikaniſchen Raſſe ſind die Otomaken und die
Guamos, und ſie haben vielleicht zu den verworrenen Vorſtellungen
von amerikaniſchen Negern, die in der erſten Zeit der Er-
oberung in Europa verbreitet waren, Anlaß gegeben. Was waren
die Negros de Quareca, die Gomara auf denſelben Iſthmus von
Panama verſetzt, woher uns zuerſt die albernen Geſchichten von
einem Volke von Albinos in Amerika zugekommen? Lieſt man die
Geſchichtſchreiber aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts mit Auf-
merkſamkeit, ſo ſieht man, daß durch die Entdeckung von Amerika,
wodurch auch eine neue Menſchenraſſe entdeckt worden war, die
Reiſenden großes Intereſſe für die Abarten unſeres Geſchlechtes
gewonnen hatten. Hätte nun unter den kupferfarbigen Menſchen
eine ſchwarze Raſſe gelebt, wie auf den Inſeln der Südſee, ſo
hätten die Konquiſtadoren ſich ſicher beſtimmt darüber ausgeſprochen.
Zudem kommen in den religiöſen Ueberlieferungen der Amerikaner
in ihren heroiſchen Zeiten wohl weiße bärtige Männer als Prieſter
und Geſetzgeber vor, aber in keiner dieſer Sagen iſt von einem
ſchwarzen Volksſtamme die Rede.
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