Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Haut unter einem glühenden Himmel und mitten unter sehr 1 Die dunkelfarbigsten (man könnte fast sagen die schwärzesten)
Haut unter einem glühenden Himmel und mitten unter ſehr 1 Die dunkelfarbigſten (man könnte faſt ſagen die ſchwärzeſten)
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0094" n="86"/> Haut unter einem glühenden Himmel und mitten unter ſehr<lb/> dunkelfarbigen Völkern eine auffallende Erſcheinung ſind, ſo<lb/> haben die Spanier zur Erklärung derſelben zwei ſehr gewagte<lb/> Hypotheſen aufgebracht. Die einen meinen, Holländer aus<lb/> Surinam und vom Rio Eſſequibo mögen ſich mit Guaharibos<lb/> und Guainares vermiſcht haben; andere behaupten aus Haß<lb/> gegen die Kapuziner am Carony und die Obſervanten am<lb/> Orinoko, dieſe weißlichen Indianer ſeien, was man in Dal-<lb/> matien <hi rendition="#aq">Muso di frate</hi> nennt, Kinder, deren eheliche Geburt<lb/> einigem Zweifel unterliegt. In beiden Fällen wären die<lb/> Indios blancos Meſtizen, Abkömmlinge einer Indianerin und<lb/> eines Weißen. Ich habe aber Tauſende von Meſtizen ge-<lb/> ſehen und kann behaupten, daß die Vergleichung durchaus<lb/> unrichtig iſt. Die Individuen der weißlichen Stämme, die<lb/> wir zu unterſuchen Gelegenheit hatten, haben die Geſichts-<lb/> bildung, den Wuchs, die ſchlichten, glatten ſchwarzen Haare,<lb/> wie ſie allen anderen Indianern zukommen. Unmöglich könnte<lb/> man ſie für Miſchlinge halten, ähnlich den Abkömmlingen<lb/> von Eingeborenen und Europäern. Manche ſind dabei ſehr<lb/> klein, andere haben den gewöhnlichen Wuchs der kupferroten<lb/> Indianer. Sie ſind weder ſchwächlich, noch kränklich, noch<lb/> Albinos; ſie unterſcheiden ſich von den kupferfarbigen Stämmen<lb/> allein durch weit weniger dunkle Hautfarbe. Nach dieſen<lb/> Bemerkungen braucht man den weiten Weg vom oberen<lb/> Orinoko zum Küſtenland, auf dem die Holländer ſich nieder-<lb/> gelaſſen, gar nicht in Anſchlag zu bringen. Ich leugne nicht,<lb/> daß man Abkömmlinge entlaufener Neger (<hi rendition="#aq">negros alzados<lb/> del palenque</hi>) unter den Kariben an den Quellen des Eſſe-<lb/> quibo gefunden haben mag; aber niemals iſt ein Weißer von<lb/> den Oſtküſten ſo tief in Guyana hinein, an den Rio Gehete<lb/> und an den Ocamo gekommen. Noch mehr: ſo auffallend es<lb/> erſcheinen mag, daß Völkerſchaften mit weißlicher Haut öſtlich<lb/> von Esmeralda nebeneinander wohnen, ſo iſt doch ſo viel<lb/> gewiß, daß man auch in anderen Ländern Amerikas Stämme<lb/> gefunden hat, die ſich von ihren Nachbarn durch weit weniger<lb/> dunkle Hautfarbe unterſcheiden. Dahin gehören die Ari-<lb/> virianos und Maquiritares am Rio Ventuario und am Pa-<lb/> damo, die Paudacoten und Paravenas am Erevato, die Viras<lb/> und Arigua am Caura, die Mologagos in Braſilien und<lb/> die Guayana am Uruguay. <note xml:id="seg2pn_5_1" next="#seg2pn_5_2" place="foot" n="1">Die dunkelfarbigſten (man könnte faſt ſagen die ſchwärzeſten)</note>.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0094]
Haut unter einem glühenden Himmel und mitten unter ſehr
dunkelfarbigen Völkern eine auffallende Erſcheinung ſind, ſo
haben die Spanier zur Erklärung derſelben zwei ſehr gewagte
Hypotheſen aufgebracht. Die einen meinen, Holländer aus
Surinam und vom Rio Eſſequibo mögen ſich mit Guaharibos
und Guainares vermiſcht haben; andere behaupten aus Haß
gegen die Kapuziner am Carony und die Obſervanten am
Orinoko, dieſe weißlichen Indianer ſeien, was man in Dal-
matien Muso di frate nennt, Kinder, deren eheliche Geburt
einigem Zweifel unterliegt. In beiden Fällen wären die
Indios blancos Meſtizen, Abkömmlinge einer Indianerin und
eines Weißen. Ich habe aber Tauſende von Meſtizen ge-
ſehen und kann behaupten, daß die Vergleichung durchaus
unrichtig iſt. Die Individuen der weißlichen Stämme, die
wir zu unterſuchen Gelegenheit hatten, haben die Geſichts-
bildung, den Wuchs, die ſchlichten, glatten ſchwarzen Haare,
wie ſie allen anderen Indianern zukommen. Unmöglich könnte
man ſie für Miſchlinge halten, ähnlich den Abkömmlingen
von Eingeborenen und Europäern. Manche ſind dabei ſehr
klein, andere haben den gewöhnlichen Wuchs der kupferroten
Indianer. Sie ſind weder ſchwächlich, noch kränklich, noch
Albinos; ſie unterſcheiden ſich von den kupferfarbigen Stämmen
allein durch weit weniger dunkle Hautfarbe. Nach dieſen
Bemerkungen braucht man den weiten Weg vom oberen
Orinoko zum Küſtenland, auf dem die Holländer ſich nieder-
gelaſſen, gar nicht in Anſchlag zu bringen. Ich leugne nicht,
daß man Abkömmlinge entlaufener Neger (negros alzados
del palenque) unter den Kariben an den Quellen des Eſſe-
quibo gefunden haben mag; aber niemals iſt ein Weißer von
den Oſtküſten ſo tief in Guyana hinein, an den Rio Gehete
und an den Ocamo gekommen. Noch mehr: ſo auffallend es
erſcheinen mag, daß Völkerſchaften mit weißlicher Haut öſtlich
von Esmeralda nebeneinander wohnen, ſo iſt doch ſo viel
gewiß, daß man auch in anderen Ländern Amerikas Stämme
gefunden hat, die ſich von ihren Nachbarn durch weit weniger
dunkle Hautfarbe unterſcheiden. Dahin gehören die Ari-
virianos und Maquiritares am Rio Ventuario und am Pa-
damo, die Paudacoten und Paravenas am Erevato, die Viras
und Arigua am Caura, die Mologagos in Braſilien und
die Guayana am Uruguay. 1.
1 Die dunkelfarbigſten (man könnte faſt ſagen die ſchwärzeſten)
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