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Humboldt, Alexander von: Aus einem Briefe des Herrn Oberbergraths von Humboldt an Herrn Hofrath Blumenbach. In: Neues Journal der Physik, Bd. 2, H. 4 (1795), S. 471-473.

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was mehr als leitende Substanz schiene, daß es wirklich
reitze. Herr Volta hat dieß jetzt zur höchsten Evidenz
gebracht, und wenn ich gleich seine geistreiche Wirbeltheo-
rie nicht ganz annehme, so kann sich den Factis doch mei-
ne Bewunderung nicht entziehen. Was ich erzähle, habe
ich theils Herrn Volta unter meinen Augen experimenti-
ren sehen, theils habe ich es, bey meinem Aufenthalte
in Como, selbst wiederholt. Ziehen Sie einem Frosche
die Haut ab und präpariren Sie ihn so, daß Rumpf und
Schenkel nur durch die entblößten Jschiadnerven zusam-
menhängen. Setzen Sie zwey mit Wasser gefüllte Wein-
gläser neben einander, tauchen Sie den Rumpf in das
eine, die Schenkel ins andere Glas, und verbinden Sie
das Wasser beider Gläser durch einen Bogen von trocke-
nem Zink. Es erfolgt keine Zuckung. Der Zink ist an
gleichartige Substanzen gekettet, oder nach Herrn Vol-
ta's
Theorie, die aus den Enden des Bogens aus-
strömende E. wird auf gleiche Weise durch einerley Kraft
zurückgehalten. Es ist kein Grund, warum die E.
mehr so -- oder so hin -- strömen sollte. Benetzen Sie
das eine Ende des Bogens mit Fruchtsäure, besonders
mit flüssigem vegetabilischen Laugensalz, und tauchen Sie
den Bogen nun in die zwey Gläser, so ist die Zuckung
heftig vorhanden. Das Gleichgewicht am Bogen ist,
nach Herrn Volta, aufgehoben. Auf einer Seite steht
dem Zink das Alkali, auf der andern Wasser entgegen, also
strömt die Electricität mehr nach einer als nach der an-
dern Seite. ..... Bestreichen Sie beide Spitzen
des Bogens mit dem Ol. tartari p. del., so erfolgt kein
Reitz; wischen Sie die eine Spitze ab, so ist er da;
wischen Sie beide ab, so verschwindet er! Herr Vol-
ta
hat bey mehr lebhaften Fröschen gesehen, daß seine
rechte und linke Hand die Stelle des Bogens vertrat.
Der Frosch zuckte, wenn der Finger der einen Hand mit
Alcali bestrichen war. Hier ist Reitz ohne alles Metall,

und

was mehr als leitende Subſtanz ſchiene, daß es wirklich
reitze. Herr Volta hat dieß jetzt zur hoͤchſten Evidenz
gebracht, und wenn ich gleich ſeine geiſtreiche Wirbeltheo-
rie nicht ganz annehme, ſo kann ſich den Factis doch mei-
ne Bewunderung nicht entziehen. Was ich erzaͤhle, habe
ich theils Herrn Volta unter meinen Augen experimenti-
ren ſehen, theils habe ich es, bey meinem Aufenthalte
in Como, ſelbſt wiederholt. Ziehen Sie einem Froſche
die Haut ab und praͤpariren Sie ihn ſo, daß Rumpf und
Schenkel nur durch die entbloͤßten Jſchiadnerven zuſam-
menhaͤngen. Setzen Sie zwey mit Waſſer gefuͤllte Wein-
glaͤſer neben einander, tauchen Sie den Rumpf in das
eine, die Schenkel ins andere Glas, und verbinden Sie
das Waſſer beider Glaͤſer durch einen Bogen von trocke-
nem Zink. Es erfolgt keine Zuckung. Der Zink iſt an
gleichartige Subſtanzen gekettet, oder nach Herrn Vol-
ta's
Theorie, die aus den Enden des Bogens aus-
ſtroͤmende E. wird auf gleiche Weiſe durch einerley Kraft
zuruͤckgehalten. Es iſt kein Grund, warum die E.
mehr ſo — oder ſo hin — ſtroͤmen ſollte. Benetzen Sie
das eine Ende des Bogens mit Fruchtſaͤure, beſonders
mit fluͤſſigem vegetabiliſchen Laugenſalz, und tauchen Sie
den Bogen nun in die zwey Glaͤſer, ſo iſt die Zuckung
heftig vorhanden. Das Gleichgewicht am Bogen iſt,
nach Herrn Volta, aufgehoben. Auf einer Seite ſteht
dem Zink das Alkali, auf der andern Waſſer entgegen, alſo
ſtroͤmt die Electricitaͤt mehr nach einer als nach der an-
dern Seite. ..... Beſtreichen Sie beide Spitzen
des Bogens mit dem Ol. tartari p. del., ſo erfolgt kein
Reitz; wiſchen Sie die eine Spitze ab, ſo iſt er da;
wiſchen Sie beide ab, ſo verſchwindet er! Herr Vol-
ta
hat bey mehr lebhaften Froͤſchen geſehen, daß ſeine
rechte und linke Hand die Stelle des Bogens vertrat.
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[472/0003] was mehr als leitende Subſtanz ſchiene, daß es wirklich reitze. Herr Volta hat dieß jetzt zur hoͤchſten Evidenz gebracht, und wenn ich gleich ſeine geiſtreiche Wirbeltheo- rie nicht ganz annehme, ſo kann ſich den Factis doch mei- ne Bewunderung nicht entziehen. Was ich erzaͤhle, habe ich theils Herrn Volta unter meinen Augen experimenti- ren ſehen, theils habe ich es, bey meinem Aufenthalte in Como, ſelbſt wiederholt. Ziehen Sie einem Froſche die Haut ab und praͤpariren Sie ihn ſo, daß Rumpf und Schenkel nur durch die entbloͤßten Jſchiadnerven zuſam- menhaͤngen. Setzen Sie zwey mit Waſſer gefuͤllte Wein- glaͤſer neben einander, tauchen Sie den Rumpf in das eine, die Schenkel ins andere Glas, und verbinden Sie das Waſſer beider Glaͤſer durch einen Bogen von trocke- nem Zink. Es erfolgt keine Zuckung. Der Zink iſt an gleichartige Subſtanzen gekettet, oder nach Herrn Vol- ta's Theorie, die aus den Enden des Bogens aus- ſtroͤmende E. wird auf gleiche Weiſe durch einerley Kraft zuruͤckgehalten. Es iſt kein Grund, warum die E. mehr ſo — oder ſo hin — ſtroͤmen ſollte. Benetzen Sie das eine Ende des Bogens mit Fruchtſaͤure, beſonders mit fluͤſſigem vegetabiliſchen Laugenſalz, und tauchen Sie den Bogen nun in die zwey Glaͤſer, ſo iſt die Zuckung heftig vorhanden. Das Gleichgewicht am Bogen iſt, nach Herrn Volta, aufgehoben. Auf einer Seite ſteht dem Zink das Alkali, auf der andern Waſſer entgegen, alſo ſtroͤmt die Electricitaͤt mehr nach einer als nach der an- dern Seite. ..... Beſtreichen Sie beide Spitzen des Bogens mit dem Ol. tartari p. del., ſo erfolgt kein Reitz; wiſchen Sie die eine Spitze ab, ſo iſt er da; wiſchen Sie beide ab, ſo verſchwindet er! Herr Vol- ta hat bey mehr lebhaften Froͤſchen geſehen, daß ſeine rechte und linke Hand die Stelle des Bogens vertrat. Der Froſch zuckte, wenn der Finger der einen Hand mit Alcali beſtrichen war. Hier iſt Reitz ohne alles Metall, und

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Aus einem Briefe des Herrn Oberbergraths von Humboldt an Herrn Hofrath Blumenbach. In: Neues Journal der Physik, Bd. 2, H. 4 (1795), S. 471-473, hier S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_blumenbach_1795/3>, abgerufen am 21.11.2024.