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Humboldt, Alexander von: Entwurf zu einer Tafel für die Wärme-leitende Kraft der Körper. In: Chemische Annalen. Bd. 1 (1792) S. 413-422.

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thesen zu begnügen, gegen die der schlichte Men-
schenverstand sich empörte; freilich wurde dadurch
der Beobachtungsgeist unterdrückt, oder wenigstens
irre geleitet. Aber um so merkwürdiger ist es, zu
sehen, mit welchem unglaublichen Scharfsinne schon
damahls einzelne Dinge beobachtet wurden, wel-
che theils der Untersuchung unsrer Zeitgenossen
gänzlich entgangen, theils spät erst wieder zu Spra-
che gekommen sind. Jch begnüge mich hier an
folgende Stellen im Aristoteles zu erinnern:
Problem. Sekt. X. (53) über den Wärmestoff als
Ursache der Elastizität der Dämpfe. Sekt. XXIII.
(7) über den Siedpunkt salziger Flüssigkeiten. Sekt.
XXIV. (1) über den Schutz vor Wärme durch Oel.
(2) über die Wärme der Quellen. (3) warum
heisses Wasser das Holz nicht verbrennt, und un-
mittelbar in Beziehung auf Wärmeleitung (5 und
8) warum der Boden eines Gefässes voll Wassers,
ehe das Wasser zu sieden anfängt, heiß, wenn das-
selbe siedet, weniger heiß ist. u. s. f.

So viel und genau man aber auch immer in
den ältern und mittlern Zeiten die Phänomene der
Erwärmung und Erkaltung der Körper beobachten
mochte, so mußte man doch vor der Erfindung des
Wärmemessers (da das sinnliche Gefühl (*) allein

entschied)
das Herz nicht senkrecht unter der Nase steht, können
nicht niesen, Aristot. Oper. omn. Aur. 1606. T. II.
p
. 897 und 1031. oder über die Feuchtigkeit des Gehirns
in Rücksicht auf den Wachsthum der Haare und gewisse
entomologische Folgen I. c. p . 824.
*) Die Ursachen der Empfindung von Wärme und Kälte
sind so zusammengesetzt, das sie wohl einmal eine
genaue



theſen zu begnuͤgen, gegen die der ſchlichte Men-
ſchenverſtand ſich empoͤrte; freilich wurde dadurch
der Beobachtungsgeiſt unterdruͤckt, oder wenigſtens
irre geleitet. Aber um ſo merkwuͤrdiger iſt es, zu
ſehen, mit welchem unglaublichen Scharfſinne ſchon
damahls einzelne Dinge beobachtet wurden, wel-
che theils der Unterſuchung unſrer Zeitgenoſſen
gaͤnzlich entgangen, theils ſpaͤt erſt wieder zu Spra-
che gekommen ſind. Jch begnuͤge mich hier an
folgende Stellen im Ariſtoteles zu erinnern:
Problem. Sekt. X. (53) uͤber den Waͤrmeſtoff als
Urſache der Elaſtizitaͤt der Daͤmpfe. Sekt. XXIII.
(7) uͤber den Siedpunkt ſalziger Fluͤſſigkeiten. Sekt.
XXIV. (1) uͤber den Schutz vor Waͤrme durch Oel.
(2) uͤber die Waͤrme der Quellen. (3) warum
heiſſes Waſſer das Holz nicht verbrennt, und un-
mittelbar in Beziehung auf Waͤrmeleitung (5 und
8) warum der Boden eines Gefaͤſſes voll Waſſers,
ehe das Waſſer zu ſieden anfaͤngt, heiß, wenn daſ-
ſelbe ſiedet, weniger heiß iſt. u. ſ. f.

So viel und genau man aber auch immer in
den aͤltern und mittlern Zeiten die Phaͤnomene der
Erwaͤrmung und Erkaltung der Koͤrper beobachten
mochte, ſo mußte man doch vor der Erfindung des
Waͤrmemeſſers (da das ſinnliche Gefuͤhl (*) allein

entſchied)
das Herz nicht ſenkrecht unter der Naſe ſteht, koͤnnen
nicht nieſen, Ariſtot. Oper. omn. Aur. 1606. T. II.
p
. 897 und 1031. oder uͤber die Feuchtigkeit des Gehirns
in Ruͤckſicht auf den Wachsthum der Haare und gewiſſe
entomologiſche Folgen I. c. p . 824.
*) Die Urſachen der Empfindung von Waͤrme und Kaͤlte
ſind ſo zuſammengeſetzt, das ſie wohl einmal eine
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[414/0003] theſen zu begnuͤgen, gegen die der ſchlichte Men- ſchenverſtand ſich empoͤrte; freilich wurde dadurch der Beobachtungsgeiſt unterdruͤckt, oder wenigſtens irre geleitet. Aber um ſo merkwuͤrdiger iſt es, zu ſehen, mit welchem unglaublichen Scharfſinne ſchon damahls einzelne Dinge beobachtet wurden, wel- che theils der Unterſuchung unſrer Zeitgenoſſen gaͤnzlich entgangen, theils ſpaͤt erſt wieder zu Spra- che gekommen ſind. Jch begnuͤge mich hier an folgende Stellen im Ariſtoteles zu erinnern: Problem. Sekt. X. (53) uͤber den Waͤrmeſtoff als Urſache der Elaſtizitaͤt der Daͤmpfe. Sekt. XXIII. (7) uͤber den Siedpunkt ſalziger Fluͤſſigkeiten. Sekt. XXIV. (1) uͤber den Schutz vor Waͤrme durch Oel. (2) uͤber die Waͤrme der Quellen. (3) warum heiſſes Waſſer das Holz nicht verbrennt, und un- mittelbar in Beziehung auf Waͤrmeleitung (5 und 8) warum der Boden eines Gefaͤſſes voll Waſſers, ehe das Waſſer zu ſieden anfaͤngt, heiß, wenn daſ- ſelbe ſiedet, weniger heiß iſt. u. ſ. f. So viel und genau man aber auch immer in den aͤltern und mittlern Zeiten die Phaͤnomene der Erwaͤrmung und Erkaltung der Koͤrper beobachten mochte, ſo mußte man doch vor der Erfindung des Waͤrmemeſſers (da das ſinnliche Gefuͤhl ( *) allein entſchied) *) *) Die Urſachen der Empfindung von Waͤrme und Kaͤlte ſind ſo zuſammengeſetzt, das ſie wohl einmal eine genaue *) das Herz nicht ſenkrecht unter der Naſe ſteht, koͤnnen nicht nieſen, Ariſtot. Oper. omn. Aur. 1606. T. II. p . 897 und 1031. oder uͤber die Feuchtigkeit des Gehirns in Ruͤckſicht auf den Wachsthum der Haare und gewiſſe entomologiſche Folgen I. c. p . 824.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Entwurf zu einer Tafel für die Wärme-leitende Kraft der Körper. In: Chemische Annalen. Bd. 1 (1792) S. 413-422, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_entwurf_1792/3>, abgerufen am 16.04.2024.