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Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Erste Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 40 (1837), S. 161-193.

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Cordilleren gehe ich zu der Schilderung einzelner Vul-
kane der Hochebene von Quito über. Ich beginne mit
einem der niedrigsten Gipfel, Pichincha, weil er der Stadt
am nächsten liegt, weil er eine von der der meisten
feuerspeienden Berge sehr abweichende Form hat, und für
mich der Gegenstand dreier Expeditionen war. In Eu-
ropa hat dieser Berg in der Mitte des vorigen Jahrhun-
derts einen grossen, jetzt freilich längs verhallten Ruf ge-
habt, da Bouguer und La Condamine auf seinem
Rücken drei Wochen lang eine Hütte bewohnten, in der
sie meteorologische Beobachtungen anstellten. Diese Hütte
lag 2430 T. hoch, also nur 180 Fuss tiefer als der Gi-
pfel des Montblanc. Derjenige Theil des Längenthals
zwischen der östlichen und westlichen Cordillere, oder,
wie ich mich lieber ausdrücke; zwischen der Cordillere
des Antisana und Cotopaxi, und der des Pichincha und
Chimborazo, in welchem die Stadt Quito liegt, ist wie-
derum durch eine niedrige Hügelkette, die von Ichimbio
und Poingasi, der Länge nach von Süden nach Norden
in zwei Hälften getheilt. Oestlich von diesen Hügeln lie-
gen die fruchtbaren anmuthigen Ebenen von Puembo und
Chillo, westlich dem Vulkan Pichincha näher, die öderen
Grassflächen von Innaquito und Turabamba. Das Niveau
beider Hälften des Thals ist verschieden. In der östli-
chen milderen ist der Thalboden 8040, in der rauheren
westlichen ist er fast 9000 Fuss (nach mir 1492, nach
Boussingault 1496 T.) über dem Meeresspiegel er-
hoben. Die lateinische Inschrift, welche die französischen
Astronomen in dem Jesuiten-Collegium aufgestellt haben,
und welche die Länge von Quito viel zu westlich setzt,
giebt auch die Höhe der Stadt, aus Gründen, die ich
oben berührt habe, 270 Fuss zu niedrig an. Wenn man
nun erwägt, dass Quito dicht an der Felsmauer des Pi-
chincha erbaut und von vielen, sehr tiefen, offenen, meist
wasserleeren Spalten, Guaycos, durchschnitten ist, die
alle dem Vulkan rechtwinklich zulaufen, wenn man sich

Cordilleren gehe ich zu der Schilderung einzelner Vul-
kane der Hochebene von Quito über. Ich beginne mit
einem der niedrigsten Gipfel, Pichincha, weil er der Stadt
am nächsten liegt, weil er eine von der der meisten
feuerspeienden Berge sehr abweichende Form hat, und für
mich der Gegenstand dreier Expeditionen war. In Eu-
ropa hat dieser Berg in der Mitte des vorigen Jahrhun-
derts einen groſsen, jetzt freilich längs verhallten Ruf ge-
habt, da Bouguer und La Condamine auf seinem
Rücken drei Wochen lang eine Hütte bewohnten, in der
sie meteorologische Beobachtungen anstellten. Diese Hütte
lag 2430 T. hoch, also nur 180 Fuſs tiefer als der Gi-
pfel des Montblanc. Derjenige Theil des Längenthals
zwischen der östlichen und westlichen Cordillere, oder,
wie ich mich lieber ausdrücke; zwischen der Cordillere
des Antisana und Cotopaxi, und der des Pichincha und
Chimborazo, in welchem die Stadt Quito liegt, ist wie-
derum durch eine niedrige Hügelkette, die von Ichimbio
und Poingasi, der Länge nach von Süden nach Norden
in zwei Hälften getheilt. Oestlich von diesen Hügeln lie-
gen die fruchtbaren anmuthigen Ebenen von Puembo und
Chillo, westlich dem Vulkan Pichincha näher, die öderen
Graſsflächen von Iñaquito und Turabamba. Das Niveau
beider Hälften des Thals ist verschieden. In der östli-
chen milderen ist der Thalboden 8040, in der rauheren
westlichen ist er fast 9000 Fuſs (nach mir 1492, nach
Boussingault 1496 T.) über dem Meeresspiegel er-
hoben. Die lateinische Inschrift, welche die französischen
Astronomen in dem Jesuiten-Collegium aufgestellt haben,
und welche die Länge von Quito viel zu westlich setzt,
giebt auch die Höhe der Stadt, aus Gründen, die ich
oben berührt habe, 270 Fuſs zu niedrig an. Wenn man
nun erwägt, daſs Quito dicht an der Felsmauer des Pi-
chincha erbaut und von vielen, sehr tiefen, offenen, meist
wasserleeren Spalten, Guaycos, durchschnitten ist, die
alle dem Vulkan rechtwinklich zulaufen, wenn man sich

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[174/0014] Cordilleren gehe ich zu der Schilderung einzelner Vul- kane der Hochebene von Quito über. Ich beginne mit einem der niedrigsten Gipfel, Pichincha, weil er der Stadt am nächsten liegt, weil er eine von der der meisten feuerspeienden Berge sehr abweichende Form hat, und für mich der Gegenstand dreier Expeditionen war. In Eu- ropa hat dieser Berg in der Mitte des vorigen Jahrhun- derts einen groſsen, jetzt freilich längs verhallten Ruf ge- habt, da Bouguer und La Condamine auf seinem Rücken drei Wochen lang eine Hütte bewohnten, in der sie meteorologische Beobachtungen anstellten. Diese Hütte lag 2430 T. hoch, also nur 180 Fuſs tiefer als der Gi- pfel des Montblanc. Derjenige Theil des Längenthals zwischen der östlichen und westlichen Cordillere, oder, wie ich mich lieber ausdrücke; zwischen der Cordillere des Antisana und Cotopaxi, und der des Pichincha und Chimborazo, in welchem die Stadt Quito liegt, ist wie- derum durch eine niedrige Hügelkette, die von Ichimbio und Poingasi, der Länge nach von Süden nach Norden in zwei Hälften getheilt. Oestlich von diesen Hügeln lie- gen die fruchtbaren anmuthigen Ebenen von Puembo und Chillo, westlich dem Vulkan Pichincha näher, die öderen Graſsflächen von Iñaquito und Turabamba. Das Niveau beider Hälften des Thals ist verschieden. In der östli- chen milderen ist der Thalboden 8040, in der rauheren westlichen ist er fast 9000 Fuſs (nach mir 1492, nach Boussingault 1496 T.) über dem Meeresspiegel er- hoben. Die lateinische Inschrift, welche die französischen Astronomen in dem Jesuiten-Collegium aufgestellt haben, und welche die Länge von Quito viel zu westlich setzt, giebt auch die Höhe der Stadt, aus Gründen, die ich oben berührt habe, 270 Fuſs zu niedrig an. Wenn man nun erwägt, daſs Quito dicht an der Felsmauer des Pi- chincha erbaut und von vielen, sehr tiefen, offenen, meist wasserleeren Spalten, Guaycos, durchschnitten ist, die alle dem Vulkan rechtwinklich zulaufen, wenn man sich

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Erste Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 40 (1837), S. 161-193, hier S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_geognostisch_1837/14>, abgerufen am 29.03.2024.