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Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Dritte Abhandlung. In: Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1839. Berlin, 1839, S. 245-253.

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veranlasst. Hr. v. H. legte der Academie eine sehr characteristische Zeichnung des Berges vor, die er seinem vieljährigen Freunde, Hrn. Schinkel, verdankt. Sie ist nach einer Skizze ausgeführt, welche der Verfasser der Abhandlung in dem Llano de Tapia entworfen hatte. Die Vergleichung dieses Berggipfels mit denen von zehen anderen Berggipfel der Andeskette, welche früher gestochen wurden, leitet auf Betrachtungen über die Ursachen, die nach Winkelmessungen aufgetragene Contoure dem Anblick, welchen Berge tief am Horizont gewähren, ganz unähnlich machen. Pittoreske Darstellungen sind ihrer Natur nach von Profilen völlig verschieden: es müssen die ersteren so entworfen werden, wie die mit Schnee bedeckten oder nackten Theile sich dem Auge darstellen, unbefreit von den Täuschungen, welche die Farben-Contraste und die verflächt scheinende Gestalt der Himmelswölbung in den Verhältnissen der Höhe und horizontalen Ausdehnung hervorbringen. Alle physischen Ursachen der Täuschung bei domartigen Schneebergen, schroffen Alpenhörnern oder mit Wald bekränzten Bergrücken, unter verschiedenartiger Beleuchtung, bei Sonnenschein oder Mondenlicht, trockner oder mehr durchscheinender, regenverkündender Atmosphäre, sind noch nicht hinlänglich ergründet und doch beruht, in jeglicher Zone, die Mannigfaltigkeit des Naturgenusses, der ewige Zauber einer Gebirgs-Landschaft, auf diesem lieblichen Wechsel, der, uns selbst fast unbewusst, die Sinne täuscht und unsere Gemüthsstimmung bedingt.

Der Beschreibung des Einsturzes des Capac-Urcu und der vieljährigen Erdbeben, welche ihn begleiteten, folgt die Beschreibung des Versinkens der Kraterränder des Carguairazo am 20. Junius 1698 und der dadurch veranlasste Ausbruch von Schlamm und todten unterirdischen Fischen, Pimelodus Cyclopum. Das letztere luftverpestende Phänomen, wird mit vielen ähnlichen, die der neuesten Zeit angehören, verglichen. Zugleich untersucht der Verfasser das Maximum der Höhe, auf denen Alpenbäche und Alpenseen in der Andeskette und in den Pyrenäen Fische nähren.

Die dritte Catastrophe, das Erdbeben von Riobamba (4. Februar 1797), ist nicht wie die beiden vorigen (1462 und 1698) von dem Einsturz hoher Berggipfel begleitet gewesen. Man hat mit Unrecht das Erdbeben von Riobamba als die Reaction eines ein-

veranlaſst. Hr. v. H. legte der Academie eine sehr characteristische Zeichnung des Berges vor, die er seinem vieljährigen Freunde, Hrn. Schinkel, verdankt. Sie ist nach einer Skizze ausgeführt, welche der Verfasser der Abhandlung in dem Llano de Tapia entworfen hatte. Die Vergleichung dieses Berggipfels mit denen von zehen anderen Berggipfel der Andeskette, welche früher gestochen wurden, leitet auf Betrachtungen über die Ursachen, die nach Winkelmessungen aufgetragene Contoure dem Anblick, welchen Berge tief am Horizont gewähren, ganz unähnlich machen. Pittoreske Darstellungen sind ihrer Natur nach von Profilen völlig verschieden: es müssen die ersteren so entworfen werden, wie die mit Schnee bedeckten oder nackten Theile sich dem Auge darstellen, unbefreit von den Täuschungen, welche die Farben-Contraste und die verflächt scheinende Gestalt der Himmelswölbung in den Verhältnissen der Höhe und horizontalen Ausdehnung hervorbringen. Alle physischen Ursachen der Täuschung bei domartigen Schneebergen, schroffen Alpenhörnern oder mit Wald bekränzten Bergrücken, unter verschiedenartiger Beleuchtung, bei Sonnenschein oder Mondenlicht, trockner oder mehr durchscheinender, regenverkündender Atmosphäre, sind noch nicht hinlänglich ergründet und doch beruht, in jeglicher Zone, die Mannigfaltigkeit des Naturgenusses, der ewige Zauber einer Gebirgs-Landschaft, auf diesem lieblichen Wechsel, der, uns selbst fast unbewuſst, die Sinne täuscht und unsere Gemüthsstimmung bedingt.

Der Beschreibung des Einsturzes des Capac-Urcu und der vieljährigen Erdbeben, welche ihn begleiteten, folgt die Beschreibung des Versinkens der Kraterränder des Carguairazo am 20. Junius 1698 und der dadurch veranlaſste Ausbruch von Schlamm und todten unterirdischen Fischen, Pimelodus Cyclopum. Das letztere luftverpestende Phänomen, wird mit vielen ähnlichen, die der neuesten Zeit angehören, verglichen. Zugleich untersucht der Verfasser das Maximum der Höhe, auf denen Alpenbäche und Alpenseen in der Andeskette und in den Pyrenäen Fische nähren.

Die dritte Catastrophe, das Erdbeben von Riobamba (4. Februar 1797), ist nicht wie die beiden vorigen (1462 und 1698) von dem Einsturz hoher Berggipfel begleitet gewesen. Man hat mit Unrecht das Erdbeben von Riobamba als die Reaction eines ein-

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[249/0006] veranlaſst. Hr. v. H. legte der Academie eine sehr characteristische Zeichnung des Berges vor, die er seinem vieljährigen Freunde, Hrn. Schinkel, verdankt. Sie ist nach einer Skizze ausgeführt, welche der Verfasser der Abhandlung in dem Llano de Tapia entworfen hatte. Die Vergleichung dieses Berggipfels mit denen von zehen anderen Berggipfel der Andeskette, welche früher gestochen wurden, leitet auf Betrachtungen über die Ursachen, die nach Winkelmessungen aufgetragene Contoure dem Anblick, welchen Berge tief am Horizont gewähren, ganz unähnlich machen. Pittoreske Darstellungen sind ihrer Natur nach von Profilen völlig verschieden: es müssen die ersteren so entworfen werden, wie die mit Schnee bedeckten oder nackten Theile sich dem Auge darstellen, unbefreit von den Täuschungen, welche die Farben-Contraste und die verflächt scheinende Gestalt der Himmelswölbung in den Verhältnissen der Höhe und horizontalen Ausdehnung hervorbringen. Alle physischen Ursachen der Täuschung bei domartigen Schneebergen, schroffen Alpenhörnern oder mit Wald bekränzten Bergrücken, unter verschiedenartiger Beleuchtung, bei Sonnenschein oder Mondenlicht, trockner oder mehr durchscheinender, regenverkündender Atmosphäre, sind noch nicht hinlänglich ergründet und doch beruht, in jeglicher Zone, die Mannigfaltigkeit des Naturgenusses, der ewige Zauber einer Gebirgs-Landschaft, auf diesem lieblichen Wechsel, der, uns selbst fast unbewuſst, die Sinne täuscht und unsere Gemüthsstimmung bedingt. Der Beschreibung des Einsturzes des Capac-Urcu und der vieljährigen Erdbeben, welche ihn begleiteten, folgt die Beschreibung des Versinkens der Kraterränder des Carguairazo am 20. Junius 1698 und der dadurch veranlaſste Ausbruch von Schlamm und todten unterirdischen Fischen, Pimelodus Cyclopum. Das letztere luftverpestende Phänomen, wird mit vielen ähnlichen, die der neuesten Zeit angehören, verglichen. Zugleich untersucht der Verfasser das Maximum der Höhe, auf denen Alpenbäche und Alpenseen in der Andeskette und in den Pyrenäen Fische nähren. Die dritte Catastrophe, das Erdbeben von Riobamba (4. Februar 1797), ist nicht wie die beiden vorigen (1462 und 1698) von dem Einsturz hoher Berggipfel begleitet gewesen. Man hat mit Unrecht das Erdbeben von Riobamba als die Reaction eines ein-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Dritte Abhandlung. In: Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1839. Berlin, 1839, S. 245-253, hier S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_geognostisch_1839/6>, abgerufen am 21.11.2024.