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Humboldt, Alexander von: Beobachtungen über das Gesetz der Wärmeabnahme in den höhern Regionen der Athmosphäre, und über die untern Gränzen des ewigen Schnees. In: Annalen der Physik, Bd. 24, St. 9 (1806), S. 1-49.

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Jahre 1773 fanden sich 114t, bei der Reise nach
dem Gipfel des Montblanc aber nur 90t,8 für 1° R.

Das Gesetz der Wärmeabnahme im Winter ist,
bei dem Mangel an genauen Beobachtungen, unsiche-
rer, als das Gesetz für den Sommer; doch scheinen
mehrere Erfahrungen zu lehren, dass die Winter-
kälte der obern Luftregionen geringer ist, als man
es nach der im Sommer bemerkten schnellen Wär-
meabnahme vermuthen sollte. Wäre diese Vermin-
derung der Temperatur in allen Jahreßeiten diesel-
be, so müsste z. B. auf dem Kloster des St. Bern-
hards
das Thermometer jedes Mahl auf 20° her-
ab sinken, wenn es an der Ebene auf 5° steht;
und doch sind diese sehr tiefen Thermometerstände
auf hohen Bergen nicht sehr häufig. Nur im Früh-
jahre, wenn der Schnee in den tiefen Thälern be-
reits geschmolzen ist, und noch die hohen Alpen-
gipfel bedeckt, ist der Wärmeunterschied zwischen
der Ebene und dem Gebirge so auffallend gross, dass
man dann statt 150 Toisen, bisweilen nur 10 bis
27 Toisen Höhenunterschied auf 1° R. rechnen
kann. Als ich mich im Monat Mai des verflossenen
Jahres mit Herrn Gay-Lussac 5 Tage in dem
Hospice des Mont-Cenis aufhielt, um daselbst ei-
nige Versuche über die magnetischen Schwingungen
und die chemische Beschaffenheit der Bergluft anzu-
stellen, sahen wir das Thermometer ununterbro-
chen 12 bis 15° tiefer, als in Lanslebourg, ob-
gleich der Ho[]henunterschied beider Orte kaum 324

Jahre 1773 fanden ſich 114t, bei der Reiſe nach
dem Gipfel des Montblanc aber nur 90t,8 für 1° R.

Das Geſetz der Wärmeabnahme im Winter iſt,
bei dem Mangel an genauen Beobachtungen, unſiche-
rer, als das Geſetz für den Sommer; doch ſcheinen
mehrere Erfahrungen zu lehren, daſs die Winter-
kälte der obern Luftregionen geringer iſt, als man
es nach der im Sommer bemerkten ſchnellen Wär-
meabnahme vermuthen ſollte. Wäre dieſe Vermin-
derung der Temperatur in allen Jahreſzeiten dieſel-
be, ſo müſste z. B. auf dem Kloſter des St. Bern-
hards
das Thermometer jedes Mahl auf −20° her-
ab ſinken, wenn es an der Ebene auf −5° ſteht;
und doch ſind dieſe ſehr tiefen Thermometerſtände
auf hohen Bergen nicht ſehr häufig. Nur im Früh-
jahre, wenn der Schnee in den tiefen Thälern be-
reits geſchmolzen iſt, und noch die hohen Alpen-
gipfel bedeckt, iſt der Wärmeunterſchied zwiſchen
der Ebene und dem Gebirge ſo auffallend groſs, daſs
man dann ſtatt 150 Toiſen, bisweilen nur 10 bis
27 Toiſen Höhenunterſchied auf 1° R. rechnen
kann. Als ich mich im Monat Mai des verfloſſenen
Jahres mit Herrn Gay-Luſſac 5 Tage in dem
Hoſpice des Mont-Cenis aufhielt, um daſelbſt ei-
nige Verſuche über die magnetiſchen Schwingungen
und die chemiſche Beſchaffenheit der Bergluft anzu-
ſtellen, ſahen wir das Thermometer ununterbro-
chen 12 bis 15° tiefer, als in Lanslebourg, ob-
gleich der Ho[¨]henunterſchied beider Orte kaum 324

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[22/0023] Jahre 1773 fanden ſich 114t, bei der Reiſe nach dem Gipfel des Montblanc aber nur 90t,8 für 1° R. Das Geſetz der Wärmeabnahme im Winter iſt, bei dem Mangel an genauen Beobachtungen, unſiche- rer, als das Geſetz für den Sommer; doch ſcheinen mehrere Erfahrungen zu lehren, daſs die Winter- kälte der obern Luftregionen geringer iſt, als man es nach der im Sommer bemerkten ſchnellen Wär- meabnahme vermuthen ſollte. Wäre dieſe Vermin- derung der Temperatur in allen Jahreſzeiten dieſel- be, ſo müſste z. B. auf dem Kloſter des St. Bern- hards das Thermometer jedes Mahl auf −20° her- ab ſinken, wenn es an der Ebene auf −5° ſteht; und doch ſind dieſe ſehr tiefen Thermometerſtände auf hohen Bergen nicht ſehr häufig. Nur im Früh- jahre, wenn der Schnee in den tiefen Thälern be- reits geſchmolzen iſt, und noch die hohen Alpen- gipfel bedeckt, iſt der Wärmeunterſchied zwiſchen der Ebene und dem Gebirge ſo auffallend groſs, daſs man dann ſtatt 150 Toiſen, bisweilen nur 10 bis 27 Toiſen Höhenunterſchied auf 1° R. rechnen kann. Als ich mich im Monat Mai des verfloſſenen Jahres mit Herrn Gay-Luſſac 5 Tage in dem Hoſpice des Mont-Cenis aufhielt, um daſelbſt ei- nige Verſuche über die magnetiſchen Schwingungen und die chemiſche Beſchaffenheit der Bergluft anzu- ſtellen, ſahen wir das Thermometer ununterbro- chen 12 bis 15° tiefer, als in Lanslebourg, ob- gleich der Ho¨henunterſchied beider Orte kaum 324

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Beobachtungen über das Gesetz der Wärmeabnahme in den höhern Regionen der Athmosphäre, und über die untern Gränzen des ewigen Schnees. In: Annalen der Physik, Bd. 24, St. 9 (1806), S. 1-49, hier S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_gesetz_1806/23>, abgerufen am 21.11.2024.