setzt, einen grossen Theil ihrer Zeit und ihrer Kräfte dem Ge- schäfte ihrer inneren Bildung zu weihen. Die Sorgfalt des Staats muss sich auf die grössere Anzahl erstrecken, und diese ist jenes höheren Grades der Moralität unfähig.
Ich erwähne hier nicht mehr die Sätze, welche ich in dem Anfange dieses Aufsatzes zu entwickeln versucht habe, und die in der That den Grund dieser Einwürfe umstossen, die Sätze nämlich, dass die Staatseinrichtung an sich nicht Zweck, son- dern nur Mittel zur Bildung des Menschen ist, und dass es daher dem Gesetzgeber nicht genügen kann, seinen Aussprüchen Autorität zu verschaffen, wenn nicht zugleich die Mittel, wodurch diese Autorität bewirkt wird, gut, oder doch unschädlich sind. Es ist aber auch unrichtig, dass dem Staate allein die Hand- lungen seiner Bürger und ihre Gesetzmässigkeit wichtig sei. Ein Staat ist eine so zusammengesetzte und verwickelte Ma- schine, dass Gesetze, die immer nur einfach, allgemein, und von geringer Anzahl sein müssen, unmöglich allein darin hinreichen können. Das Meiste bleibt immer den freiwilligen einstimmi- gen Bemühungen der Bürger zu thun übrig. Man braucht nur den Wohlstand kultivirter und aufgeklärter Nationen mit der Dürftigkeit roher und ungebildeter Völker zu vergleichen, um von diesem Satze überzeugt zu werden. Daher sind auch die Bemühungen aller, die sich je mit Staatseinrichtungen beschäf- tigt haben, immer dahin gegangen, das Wohl des Staats zum eignen Interesse des Bürgers zu machen, und den Staat in eine Maschine zu verwandeln, die durch die innere Kraft ihrer Trieb- federn in Gang erhalten würde, und nicht unaufhörlich neuer äusserer Einwirkungen bedürfte. Wenn die neueren Staaten sich eines Vorzugs vor den alten rühmen dürfen; so ist es vor- züglich weil sie diesen Grundsatz mehr realisirten. Selbst dass sie sich der Religion, als eines Bildungsmittels bedienen, ist ein Beweis davon. Doch auch die Religion, insofern nämlich durch gewisse bestimmte Sätze nur gute Handlungen hervorgebracht,
setzt, einen grossen Theil ihrer Zeit und ihrer Kräfte dem Ge- schäfte ihrer inneren Bildung zu weihen. Die Sorgfalt des Staats muss sich auf die grössere Anzahl erstrecken, und diese ist jenes höheren Grades der Moralität unfähig.
Ich erwähne hier nicht mehr die Sätze, welche ich in dem Anfange dieses Aufsatzes zu entwickeln versucht habe, und die in der That den Grund dieser Einwürfe umstossen, die Sätze nämlich, dass die Staatseinrichtung an sich nicht Zweck, son- dern nur Mittel zur Bildung des Menschen ist, und dass es daher dem Gesetzgeber nicht genügen kann, seinen Aussprüchen Autorität zu verschaffen, wenn nicht zugleich die Mittel, wodurch diese Autorität bewirkt wird, gut, oder doch unschädlich sind. Es ist aber auch unrichtig, dass dem Staate allein die Hand- lungen seiner Bürger und ihre Gesetzmässigkeit wichtig sei. Ein Staat ist eine so zusammengesetzte und verwickelte Ma- schine, dass Gesetze, die immer nur einfach, allgemein, und von geringer Anzahl sein müssen, unmöglich allein darin hinreichen können. Das Meiste bleibt immer den freiwilligen einstimmi- gen Bemühungen der Bürger zu thun übrig. Man braucht nur den Wohlstand kultivirter und aufgeklärter Nationen mit der Dürftigkeit roher und ungebildeter Völker zu vergleichen, um von diesem Satze überzeugt zu werden. Daher sind auch die Bemühungen aller, die sich je mit Staatseinrichtungen beschäf- tigt haben, immer dahin gegangen, das Wohl des Staats zum eignen Interesse des Bürgers zu machen, und den Staat in eine Maschine zu verwandeln, die durch die innere Kraft ihrer Trieb- federn in Gang erhalten würde, und nicht unaufhörlich neuer äusserer Einwirkungen bedürfte. Wenn die neueren Staaten sich eines Vorzugs vor den alten rühmen dürfen; so ist es vor- züglich weil sie diesen Grundsatz mehr realisirten. Selbst dass sie sich der Religion, als eines Bildungsmittels bedienen, ist ein Beweis davon. Doch auch die Religion, insofern nämlich durch gewisse bestimmte Sätze nur gute Handlungen hervorgebracht,
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setzt, einen grossen Theil ihrer Zeit und ihrer Kräfte dem Ge-
schäfte ihrer inneren Bildung zu weihen. Die Sorgfalt des
Staats muss sich auf die grössere Anzahl erstrecken, und diese
ist jenes höheren Grades der Moralität unfähig.
Ich erwähne hier nicht mehr die Sätze, welche ich in dem
Anfange dieses Aufsatzes zu entwickeln versucht habe, und die
in der That den Grund dieser Einwürfe umstossen, die Sätze
nämlich, dass die Staatseinrichtung an sich nicht Zweck, son-
dern nur Mittel zur Bildung des Menschen ist, und dass es
daher dem Gesetzgeber nicht genügen kann, seinen Aussprüchen
Autorität zu verschaffen, wenn nicht zugleich die Mittel, wodurch
diese Autorität bewirkt wird, gut, oder doch unschädlich sind.
Es ist aber auch unrichtig, dass dem Staate allein die Hand-
lungen seiner Bürger und ihre Gesetzmässigkeit wichtig sei.
Ein Staat ist eine so zusammengesetzte und verwickelte Ma-
schine, dass Gesetze, die immer nur einfach, allgemein, und von
geringer Anzahl sein müssen, unmöglich allein darin hinreichen
können. Das Meiste bleibt immer den freiwilligen einstimmi-
gen Bemühungen der Bürger zu thun übrig. Man braucht nur
den Wohlstand kultivirter und aufgeklärter Nationen mit der
Dürftigkeit roher und ungebildeter Völker zu vergleichen, um
von diesem Satze überzeugt zu werden. Daher sind auch die
Bemühungen aller, die sich je mit Staatseinrichtungen beschäf-
tigt haben, immer dahin gegangen, das Wohl des Staats zum
eignen Interesse des Bürgers zu machen, und den Staat in eine
Maschine zu verwandeln, die durch die innere Kraft ihrer Trieb-
federn in Gang erhalten würde, und nicht unaufhörlich neuer
äusserer Einwirkungen bedürfte. Wenn die neueren Staaten
sich eines Vorzugs vor den alten rühmen dürfen; so ist es vor-
züglich weil sie diesen Grundsatz mehr realisirten. Selbst dass
sie sich der Religion, als eines Bildungsmittels bedienen, ist ein
Beweis davon. Doch auch die Religion, insofern nämlich durch
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/111>, abgerufen am 16.02.2025.
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