Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.oder durch positive Leitung überhaupt auf die Sitten gewirkt Nur dass man sich überzeugt hält, ohne bestimmte, geglaubte oder durch positive Leitung überhaupt auf die Sitten gewirkt Nur dass man sich überzeugt hält, ohne bestimmte, geglaubte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0112" n="76"/> oder durch positive Leitung überhaupt auf die Sitten gewirkt<lb/> werden soll, wie es hier der Fall ist, ist ein fremdes, von aussen<lb/> einwirkendes Mittel. Daher muss es immer des Gesetzgebers<lb/> letztes, aber — wie ihn wahre Kenntniss des Menschen bald<lb/> lehren wird — nur durch Gewährung der höchsten Freiheit<lb/> erreichbares Ziel bleiben, die Bildung der Bürger bis dahin zu<lb/> erhöhen, dass sie alle Triebfedern zur Beförderung des Zwecks<lb/> des Staats allein in der Idee des Nutzens finden, welchen ihnen<lb/> die Staatseinrichtung zu Erreichung ihrer individuellen Ab-<lb/> sichten gewährt. Zu dieser Einsicht aber ist Aufklärung und<lb/> hohe Geistesbildung nothwendig, welche da nicht emporkom-<lb/> men können, wo der freie Untersuchungsgeist durch Gesetze<lb/> beschränkt wird.</p><lb/> <p>Nur dass man sich überzeugt hält, ohne bestimmte, geglaubte<lb/> Religionssätze oder wenigstens ohne Aufsicht des Staats auf<lb/> die Religion der Bürger, können auch äussere Ruhe und Sitt-<lb/> lichkeit nicht bestehen, ohne sie sei es der bürgerlichen Gewalt<lb/> unmöglich, das Ansehen der Gesetze zu erhalten, macht, dass<lb/> man jenen Betrachtungen kein Gehör giebt. Und doch bedurfte<lb/> der Einfluss, den Religionssätze, die auf diese Weise angenom-<lb/> men werden und überhaupt jede, durch Veranstaltungen des<lb/> Staats beförderte Religiosität haben soll, wohl erst einer stren-<lb/> geren und genaueren Prüfung. Bei dem rohen Theile des Volks<lb/> rechnet man von allen Religionswahrheiten am meisten auf<lb/> die Ideen künftiger Belohnungen und Bestrafungen. Diese<lb/> mindern den Hang zu unsittlichen Handlungen nicht, beför-<lb/> dern nicht die Neigung zum Guten, verbessern also den<lb/> Charakter nicht, sie wirken blos auf die Einbildungskraft,<lb/> haben folglich, wie Bilder der Phantasie überhaupt, Ein-<lb/> fluss auf die Art zu handeln, ihr Einfluss wird aber auch<lb/> durch alles das vermindert, und aufgehoben, was die Leb-<lb/> haftigkeit der Einbildungskraft schwächt. Nimmt man nun<lb/> hinzu, dass diese Erwartungen so entfernt, und darum, selbst<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [76/0112]
oder durch positive Leitung überhaupt auf die Sitten gewirkt
werden soll, wie es hier der Fall ist, ist ein fremdes, von aussen
einwirkendes Mittel. Daher muss es immer des Gesetzgebers
letztes, aber — wie ihn wahre Kenntniss des Menschen bald
lehren wird — nur durch Gewährung der höchsten Freiheit
erreichbares Ziel bleiben, die Bildung der Bürger bis dahin zu
erhöhen, dass sie alle Triebfedern zur Beförderung des Zwecks
des Staats allein in der Idee des Nutzens finden, welchen ihnen
die Staatseinrichtung zu Erreichung ihrer individuellen Ab-
sichten gewährt. Zu dieser Einsicht aber ist Aufklärung und
hohe Geistesbildung nothwendig, welche da nicht emporkom-
men können, wo der freie Untersuchungsgeist durch Gesetze
beschränkt wird.
Nur dass man sich überzeugt hält, ohne bestimmte, geglaubte
Religionssätze oder wenigstens ohne Aufsicht des Staats auf
die Religion der Bürger, können auch äussere Ruhe und Sitt-
lichkeit nicht bestehen, ohne sie sei es der bürgerlichen Gewalt
unmöglich, das Ansehen der Gesetze zu erhalten, macht, dass
man jenen Betrachtungen kein Gehör giebt. Und doch bedurfte
der Einfluss, den Religionssätze, die auf diese Weise angenom-
men werden und überhaupt jede, durch Veranstaltungen des
Staats beförderte Religiosität haben soll, wohl erst einer stren-
geren und genaueren Prüfung. Bei dem rohen Theile des Volks
rechnet man von allen Religionswahrheiten am meisten auf
die Ideen künftiger Belohnungen und Bestrafungen. Diese
mindern den Hang zu unsittlichen Handlungen nicht, beför-
dern nicht die Neigung zum Guten, verbessern also den
Charakter nicht, sie wirken blos auf die Einbildungskraft,
haben folglich, wie Bilder der Phantasie überhaupt, Ein-
fluss auf die Art zu handeln, ihr Einfluss wird aber auch
durch alles das vermindert, und aufgehoben, was die Leb-
haftigkeit der Einbildungskraft schwächt. Nimmt man nun
hinzu, dass diese Erwartungen so entfernt, und darum, selbst
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