möglich darzustellen. Auf jeden Fall aber hoffe ich, mich nur sehr kurz fassen zu können, da alle Grundsätze, deren ich zu dieser Arbeit bedarf, schon im Vorigen -- wenigstens so viel es meine Kräfte erlaubten -- erörtert und bewiesen wor- den sind.
Sicher nenne ich die Bürger in einem Staat, wenn sie in der Ausübung der ihnen zustehenden Rechte, dieselben mögen nun ihre Person, oder ihr Eigenthum betreffen, nicht durch fremde Eingriffe gestört werden; Sicherheit folglich -- wenn der Ausdruck nicht zu kurz, und vielleicht dadurch undeutlich scheint, Gewissheit der gesetzmässigen Freiheit. Diese Sicherheit wird nun nicht durch alle diejenigen Hand- lungen gestört, welche den Menschen an irgend einer Thätig- keit seiner Kräfte, oder irgend einem Genuss seines Vermögens hindern, sondern nur durch solche, welche dies widerrecht- lich thun. Diese Bestimmung, so wie die obige Definition, ist nicht willkürlich von mir hinzugefügt, oder gewählt worden. Beide fliessen unmittelbar aus dem oben entwickelten Raison- nement. Nur wenn man dem Ausdrucke der Sicherheit diese Bedeutung unterlegt, kann jenes Anwendung finden. Denn nur wirkliche Verletzungen des Rechts bedürfen einer andern Macht, als die ist, welche jedes Individuum besitzt; nur was diese Verletzungen verhindert, bringt der wahren Menschenbil- dung reinen Gewinn, indess jedes andre Bemühen des Staats ihr gleichsam Hindernisse in den Weg legt; nur das endlich fliesst aus dem untrüglichen Princip der Nothwendigkeit, da alles andre blos auf den unsichern Grund einer, nach täu- schenden Wahrscheinlichkeiten berechneten Nützlichkeit gebaut ist.
Diejenigen, deren Sicherheit erhalten werden muss, sind auf der einen Seite alle Bürger, in völliger Gleichheit, auf der andern der Staat selbst. Die Sicherheit des Staats selbst hat ein Objekt von grösserem oder geringerem Umfange, je weiter
möglich darzustellen. Auf jeden Fall aber hoffe ich, mich nur sehr kurz fassen zu können, da alle Grundsätze, deren ich zu dieser Arbeit bedarf, schon im Vorigen — wenigstens so viel es meine Kräfte erlaubten — erörtert und bewiesen wor- den sind.
Sicher nenne ich die Bürger in einem Staat, wenn sie in der Ausübung der ihnen zustehenden Rechte, dieselben mögen nun ihre Person, oder ihr Eigenthum betreffen, nicht durch fremde Eingriffe gestört werden; Sicherheit folglich — wenn der Ausdruck nicht zu kurz, und vielleicht dadurch undeutlich scheint, Gewissheit der gesetzmässigen Freiheit. Diese Sicherheit wird nun nicht durch alle diejenigen Hand- lungen gestört, welche den Menschen an irgend einer Thätig- keit seiner Kräfte, oder irgend einem Genuss seines Vermögens hindern, sondern nur durch solche, welche dies widerrecht- lich thun. Diese Bestimmung, so wie die obige Definition, ist nicht willkürlich von mir hinzugefügt, oder gewählt worden. Beide fliessen unmittelbar aus dem oben entwickelten Raison- nement. Nur wenn man dem Ausdrucke der Sicherheit diese Bedeutung unterlegt, kann jenes Anwendung finden. Denn nur wirkliche Verletzungen des Rechts bedürfen einer andern Macht, als die ist, welche jedes Individuum besitzt; nur was diese Verletzungen verhindert, bringt der wahren Menschenbil- dung reinen Gewinn, indess jedes andre Bemühen des Staats ihr gleichsam Hindernisse in den Weg legt; nur das endlich fliesst aus dem untrüglichen Princip der Nothwendigkeit, da alles andre blos auf den unsichern Grund einer, nach täu- schenden Wahrscheinlichkeiten berechneten Nützlichkeit gebaut ist.
Diejenigen, deren Sicherheit erhalten werden muss, sind auf der einen Seite alle Bürger, in völliger Gleichheit, auf der andern der Staat selbst. Die Sicherheit des Staats selbst hat ein Objekt von grösserem oder geringerem Umfange, je weiter
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möglich darzustellen. Auf jeden Fall aber hoffe ich, mich nur
sehr kurz fassen zu können, da alle Grundsätze, deren ich zu
dieser Arbeit bedarf, schon im Vorigen — wenigstens so viel
es meine Kräfte erlaubten — erörtert und bewiesen wor-
den sind.
Sicher nenne ich die Bürger in einem Staat, wenn sie in
der Ausübung der ihnen zustehenden Rechte, dieselben mögen
nun ihre Person, oder ihr Eigenthum betreffen, nicht durch
fremde Eingriffe gestört werden; Sicherheit folglich — wenn
der Ausdruck nicht zu kurz, und vielleicht dadurch undeutlich
scheint, Gewissheit der gesetzmässigen Freiheit.
Diese Sicherheit wird nun nicht durch alle diejenigen Hand-
lungen gestört, welche den Menschen an irgend einer Thätig-
keit seiner Kräfte, oder irgend einem Genuss seines Vermögens
hindern, sondern nur durch solche, welche dies widerrecht-
lich thun. Diese Bestimmung, so wie die obige Definition,
ist nicht willkürlich von mir hinzugefügt, oder gewählt worden.
Beide fliessen unmittelbar aus dem oben entwickelten Raison-
nement. Nur wenn man dem Ausdrucke der Sicherheit diese
Bedeutung unterlegt, kann jenes Anwendung finden. Denn
nur wirkliche Verletzungen des Rechts bedürfen einer andern
Macht, als die ist, welche jedes Individuum besitzt; nur was
diese Verletzungen verhindert, bringt der wahren Menschenbil-
dung reinen Gewinn, indess jedes andre Bemühen des Staats
ihr gleichsam Hindernisse in den Weg legt; nur das endlich
fliesst aus dem untrüglichen Princip der Nothwendigkeit, da
alles andre blos auf den unsichern Grund einer, nach täu-
schenden Wahrscheinlichkeiten berechneten Nützlichkeit
gebaut ist.
Diejenigen, deren Sicherheit erhalten werden muss, sind
auf der einen Seite alle Bürger, in völliger Gleichheit, auf der
andern der Staat selbst. Die Sicherheit des Staats selbst hat
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/139>, abgerufen am 16.02.2025.
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