ihres Gewerbes willen liebten, durch eigen gelenkte Kraft und eigne Erfindsamkeit verbesserten, und dadurch ihre intellec- tuellen Kräfte kultivirten, ihren Charakter veredelten, ihre Genüsse erhöhten. So würde die Menschheit durch eben die Dinge geadelt, die jetzt, wie schön sie auch an sich sind, so oft dazu dienen, sie zu entehren. Je mehr der Mensch in Ideen und Empfindungen zu leben gewohnt ist, je stärker und feiner seine intellectuelle und moralische Kraft ist; desto mehr sucht er allein solche äussere Lagen zu wählen, welche zugleich dem innern Menschen mehr Stoff geben, oder denjenigen, in welche ihn das Schicksal wirft, wenigstens solche Seiten abzuge- winnen. Der Gewinn, welchen der Mensch an Grösse und Schönheit einerntet, wenn er unaufhörlich dahin strebt, dass sein inneres Dasein immer den ersten Platz behaupte, dass es immer der erste Quell, und das letzte Ziel alles Wirkens, und alles Körperliche und Aeussere nur Hülle und Werkzeug des- selben sei, ist unabsehlich.
Wie sehr zeichnet sich nicht, um ein Beispiel zu wählen, in der Geschichte der Charakter aus, welchen der ungestörte Landbau in einem Volke bildet. Die Arbeit, welche es dem Boden widmet, und die Ernte, womit derselbe es wieder belohnt, fesseln es süss an seinen Acker und seinen Heerd; Theilnahme der segenvollen Mühe und gemeinschaftlicher Genuss des Gewonnenen schlingen ein liebevolles Band um jede Familie, von dem selbst der mitarbeitende Stier nicht ganz ausgeschlossen wird. Die Frucht, die gesäet und geerntet wer- den muss, aber alljährlich wiederkehrt, und nur selten die Hoffnung täuscht, macht geduldig, vertrauend und sparsam; das unmittelbare Empfangen aus der Hand der Natur, das immer sich aufdringende Gefühl: dass, wenn gleich die Hand des Menschen den Saamen ausstreuen muss, doch nicht sie es ist, von welcher Wachsthum und Gedeihen kommt; die ewige Abhängigkeit von günstiger und ungünstiger Witterung,
ihres Gewerbes willen liebten, durch eigen gelenkte Kraft und eigne Erfindsamkeit verbesserten, und dadurch ihre intellec- tuellen Kräfte kultivirten, ihren Charakter veredelten, ihre Genüsse erhöhten. So würde die Menschheit durch eben die Dinge geadelt, die jetzt, wie schön sie auch an sich sind, so oft dazu dienen, sie zu entehren. Je mehr der Mensch in Ideen und Empfindungen zu leben gewohnt ist, je stärker und feiner seine intellectuelle und moralische Kraft ist; desto mehr sucht er allein solche äussere Lagen zu wählen, welche zugleich dem innern Menschen mehr Stoff geben, oder denjenigen, in welche ihn das Schicksal wirft, wenigstens solche Seiten abzuge- winnen. Der Gewinn, welchen der Mensch an Grösse und Schönheit einerntet, wenn er unaufhörlich dahin strebt, dass sein inneres Dasein immer den ersten Platz behaupte, dass es immer der erste Quell, und das letzte Ziel alles Wirkens, und alles Körperliche und Aeussere nur Hülle und Werkzeug des- selben sei, ist unabsehlich.
Wie sehr zeichnet sich nicht, um ein Beispiel zu wählen, in der Geschichte der Charakter aus, welchen der ungestörte Landbau in einem Volke bildet. Die Arbeit, welche es dem Boden widmet, und die Ernte, womit derselbe es wieder belohnt, fesseln es süss an seinen Acker und seinen Heerd; Theilnahme der segenvollen Mühe und gemeinschaftlicher Genuss des Gewonnenen schlingen ein liebevolles Band um jede Familie, von dem selbst der mitarbeitende Stier nicht ganz ausgeschlossen wird. Die Frucht, die gesäet und geerntet wer- den muss, aber alljährlich wiederkehrt, und nur selten die Hoffnung täuscht, macht geduldig, vertrauend und sparsam; das unmittelbare Empfangen aus der Hand der Natur, das immer sich aufdringende Gefühl: dass, wenn gleich die Hand des Menschen den Saamen ausstreuen muss, doch nicht sie es ist, von welcher Wachsthum und Gedeihen kommt; die ewige Abhängigkeit von günstiger und ungünstiger Witterung,
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ihres Gewerbes willen liebten, durch eigen gelenkte Kraft und
eigne Erfindsamkeit verbesserten, und dadurch ihre intellec-
tuellen Kräfte kultivirten, ihren Charakter veredelten, ihre
Genüsse erhöhten. So würde die Menschheit durch eben die
Dinge geadelt, die jetzt, wie schön sie auch an sich sind, so oft
dazu dienen, sie zu entehren. Je mehr der Mensch in Ideen
und Empfindungen zu leben gewohnt ist, je stärker und feiner
seine intellectuelle und moralische Kraft ist; desto mehr sucht
er allein solche äussere Lagen zu wählen, welche zugleich dem
innern Menschen mehr Stoff geben, oder denjenigen, in welche
ihn das Schicksal wirft, wenigstens solche Seiten abzuge-
winnen. Der Gewinn, welchen der Mensch an Grösse und
Schönheit einerntet, wenn er unaufhörlich dahin strebt, dass
sein inneres Dasein immer den ersten Platz behaupte, dass es
immer der erste Quell, und das letzte Ziel alles Wirkens, und
alles Körperliche und Aeussere nur Hülle und Werkzeug des-
selben sei, ist unabsehlich.
Wie sehr zeichnet sich nicht, um ein Beispiel zu wählen, in
der Geschichte der Charakter aus, welchen der ungestörte
Landbau in einem Volke bildet. Die Arbeit, welche es dem
Boden widmet, und die Ernte, womit derselbe es wieder
belohnt, fesseln es süss an seinen Acker und seinen Heerd;
Theilnahme der segenvollen Mühe und gemeinschaftlicher
Genuss des Gewonnenen schlingen ein liebevolles Band um
jede Familie, von dem selbst der mitarbeitende Stier nicht ganz
ausgeschlossen wird. Die Frucht, die gesäet und geerntet wer-
den muss, aber alljährlich wiederkehrt, und nur selten die
Hoffnung täuscht, macht geduldig, vertrauend und sparsam;
das unmittelbare Empfangen aus der Hand der Natur, das
immer sich aufdringende Gefühl: dass, wenn gleich die Hand
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ist, von welcher Wachsthum und Gedeihen kommt; die ewige
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/60>, abgerufen am 18.06.2024.
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