Resultat sieht, zu dem sie führt, und sie selbst nur als Mittel betrachtet. Denn alles, was in sich selbst reizend ist, erweckt Achtung und Liebe, was nur als Mittel Nutzen verspricht, bloss Interesse; und nun wird der Mensch durch Achtung und Liebe eben so sehr geadelt, als er durch Interesse in Gefahr ist, entehrt zu werden. Wenn nun der Staat eine solche posi- tive Sorgfalt übt, als die, von der ich hier rede, so kann er seinen Gesichtspunkt nur auf die Resultate richten, und nun die Regeln feststellen, deren Befolgung der Vervollkommnung dieser am zuträglichsten ist.
Dieser beschränkte Gesichtspunkt richtet nirgends grösseren Schaden an, als wo der wahre Zweck des Menschen völlig mora- lisch, oder intellectuell ist, oder doch die Sache selbst, nicht ihre Folgen beabsichtet, und diese Folgen nur nothwendig oder zufällig damit zusammenhängen. So ist es bei wissenschaft- lichen Untersuchungen, und religiösen Meinungen, so mit allen Verbindungen der Menschen unter einander, und mit der natürlichsten, die für den einzelnen Menschen, wie für den Staat, die wichtigste ist, mit der Ehe.
Eine Verbindung von Personen beiderlei Geschlechts, welche sich gerade auf die Geschlechtsverschiedenheit gründet, wie vielleicht die Ehe am richtigsten definirt werden könnte, lässt sich auf eben so mannigfaltige Weise denken, als mannigfaltige Gestalten die Ansicht jener Verschiedenheit, und die, aus der- selben entspringenden Neigungen des Herzens und Zwecke der Vernunft anzunehmen vermögen; und bei jedem Menschen wird sein ganzer moralischer Charakter, vorzüglich die Stärke, und die Art seiner Empfindungskraft darin sichtbar sein. Ob der Mensch mehr äussere Zwecke verfolgt, oder lieber sein innres Wesen beschäftigt? ob sein Verstand thätiger ist oder sein Gefühl? ob er lebhaft umfasst und schnell verlässt; oder langsam eindringt und treu bewahrt? ob er losere Bande knüpft, oder sich enger anschliesst? ob er bei der innigsten
Resultat sieht, zu dem sie führt, und sie selbst nur als Mittel betrachtet. Denn alles, was in sich selbst reizend ist, erweckt Achtung und Liebe, was nur als Mittel Nutzen verspricht, bloss Interesse; und nun wird der Mensch durch Achtung und Liebe eben so sehr geadelt, als er durch Interesse in Gefahr ist, entehrt zu werden. Wenn nun der Staat eine solche posi- tive Sorgfalt übt, als die, von der ich hier rede, so kann er seinen Gesichtspunkt nur auf die Resultate richten, und nun die Regeln feststellen, deren Befolgung der Vervollkommnung dieser am zuträglichsten ist.
Dieser beschränkte Gesichtspunkt richtet nirgends grösseren Schaden an, als wo der wahre Zweck des Menschen völlig mora- lisch, oder intellectuell ist, oder doch die Sache selbst, nicht ihre Folgen beabsichtet, und diese Folgen nur nothwendig oder zufällig damit zusammenhängen. So ist es bei wissenschaft- lichen Untersuchungen, und religiösen Meinungen, so mit allen Verbindungen der Menschen unter einander, und mit der natürlichsten, die für den einzelnen Menschen, wie für den Staat, die wichtigste ist, mit der Ehe.
Eine Verbindung von Personen beiderlei Geschlechts, welche sich gerade auf die Geschlechtsverschiedenheit gründet, wie vielleicht die Ehe am richtigsten definirt werden könnte, lässt sich auf eben so mannigfaltige Weise denken, als mannigfaltige Gestalten die Ansicht jener Verschiedenheit, und die, aus der- selben entspringenden Neigungen des Herzens und Zwecke der Vernunft anzunehmen vermögen; und bei jedem Menschen wird sein ganzer moralischer Charakter, vorzüglich die Stärke, und die Art seiner Empfindungskraft darin sichtbar sein. Ob der Mensch mehr äussere Zwecke verfolgt, oder lieber sein innres Wesen beschäftigt? ob sein Verstand thätiger ist oder sein Gefühl? ob er lebhaft umfasst und schnell verlässt; oder langsam eindringt und treu bewahrt? ob er losere Bande knüpft, oder sich enger anschliesst? ob er bei der innigsten
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Resultat sieht, zu dem sie führt, und sie selbst nur als Mittel
betrachtet. Denn alles, was in sich selbst reizend ist, erweckt
Achtung und Liebe, was nur als Mittel Nutzen verspricht,
bloss Interesse; und nun wird der Mensch durch Achtung und
Liebe eben so sehr geadelt, als er durch Interesse in Gefahr
ist, entehrt zu werden. Wenn nun der Staat eine solche posi-
tive Sorgfalt übt, als die, von der ich hier rede, so kann er
seinen Gesichtspunkt nur auf die Resultate richten, und nun
die Regeln feststellen, deren Befolgung der Vervollkommnung
dieser am zuträglichsten ist.
Dieser beschränkte Gesichtspunkt richtet nirgends grösseren
Schaden an, als wo der wahre Zweck des Menschen völlig mora-
lisch, oder intellectuell ist, oder doch die Sache selbst, nicht
ihre Folgen beabsichtet, und diese Folgen nur nothwendig oder
zufällig damit zusammenhängen. So ist es bei wissenschaft-
lichen Untersuchungen, und religiösen Meinungen, so mit
allen Verbindungen der Menschen unter einander, und mit der
natürlichsten, die für den einzelnen Menschen, wie für den
Staat, die wichtigste ist, mit der Ehe.
Eine Verbindung von Personen beiderlei Geschlechts, welche
sich gerade auf die Geschlechtsverschiedenheit gründet, wie
vielleicht die Ehe am richtigsten definirt werden könnte, lässt
sich auf eben so mannigfaltige Weise denken, als mannigfaltige
Gestalten die Ansicht jener Verschiedenheit, und die, aus der-
selben entspringenden Neigungen des Herzens und Zwecke der
Vernunft anzunehmen vermögen; und bei jedem Menschen
wird sein ganzer moralischer Charakter, vorzüglich die Stärke,
und die Art seiner Empfindungskraft darin sichtbar sein. Ob
der Mensch mehr äussere Zwecke verfolgt, oder lieber sein
innres Wesen beschäftigt? ob sein Verstand thätiger ist oder
sein Gefühl? ob er lebhaft umfasst und schnell verlässt; oder
langsam eindringt und treu bewahrt? ob er losere Bande
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/62>, abgerufen am 16.02.2025.
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