Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.Sie beruht auf einer Vorstellung von überwiegender Macht. -- mit Göttern soll sich nicht messen irgend ein Mensch +); Rettung ist nicht Sieg; was das Schicksal wohlthätig schenkt, Niemand wird es mir zutrauen, den Tod eines gefallenen +) Göthe in dem Gedicht: Grenzen der Menschheit. II. p. 69. (Ausg. v. 1840.) 4
Sie beruht auf einer Vorstellung von überwiegender Macht. — mit Göttern soll sich nicht messen irgend ein Mensch †); Rettung ist nicht Sieg; was das Schicksal wohlthätig schenkt, Niemand wird es mir zutrauen, den Tod eines gefallenen †) Göthe in dem Gedicht: Grenzen der Menschheit. II. p. 69. (Ausg. v. 1840.) 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0085" n="49"/> Sie beruht auf einer Vorstellung von überwiegender Macht.<lb/> Den Elementen sucht man mehr zu entrinnen, ihre Gewalt<lb/> mehr auszudauern, als sie zu besiegen:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>— mit Göttern</l><lb/> <l>soll sich nicht messen</l><lb/> <l>irgend ein Mensch <note place="foot" n="†)">Göthe in dem Gedicht: Grenzen der Menschheit. II. p. 69. (Ausg.<lb/> v. 1840.)</note>;</l> </lg><lb/> <p>Rettung ist nicht Sieg; was das Schicksal wohlthätig schenkt,<lb/> und menschlicher Muth, oder menschliche Empfindsamkeit nur<lb/> benutzt, ist nicht Frucht, oder Beweis der Obergewalt. Auch<lb/> denkt jeder im Kriege, das Recht auf seiner Seite zu haben,<lb/> jeder eine Beleidigung zu rächen. Nun aber achtet der natür-<lb/> liche Mensch, und mit einem Gefühl, das auch der kultivirteste<lb/> nicht abläugnen kann, es höher, seine Ehre zu reinigen, als Be-<lb/> darf fürs Leben zu sammeln.</p><lb/> <p>Niemand wird es mir zutrauen, den Tod eines gefallenen<lb/> Kriegers schöner zu nennen, als den Tod eines kühnen Plinius,<lb/> oder, um vielleicht nicht genug geehrte Männer zu nennen, den<lb/> Tod von Robert und Pilatre du Rozier. Allein diese Beispiele<lb/> sind selten, und wer weiss, ob ohne jene sie überhaupt nur<lb/> wären? Auch habe ich für den Krieg gerade keine günstige<lb/> Lage gewählt. Man nehme die Spartaner bei Thermopylä. Ich<lb/> frage einen jeden, was solch ein Beispiel auf eine Nation wirkt?<lb/> Wohl weiss ichs, eben dieser Muth, eben diese Selbstverläug-<lb/> nung kann sich in jeder Situation des Lebens zeigen, und zeigt<lb/> sich wirklich in jeder. Aber will man es dem sinnlichen Men-<lb/> schen verargen, wenn der lebendigste Ausdruck ihn auch am<lb/> meisten hinreisst, und kann man es läugnen, dass ein Ausdruck<lb/> dieser Art wenigstens in der grössesten Allgemeinheit wirkt?<lb/> Und bei alle dem, was ich auch je von Uebeln <hi rendition="#g">hörte</hi>, welche<lb/> schrecklicher wären, als der Tod; ich <hi rendition="#g">sah</hi> noch keinen Men-<lb/> schen, der das Leben in üppiger Fülle genoss, und der — ohne<lb/> <fw place="bottom" type="sig">4</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [49/0085]
Sie beruht auf einer Vorstellung von überwiegender Macht.
Den Elementen sucht man mehr zu entrinnen, ihre Gewalt
mehr auszudauern, als sie zu besiegen:
— mit Göttern
soll sich nicht messen
irgend ein Mensch †);
Rettung ist nicht Sieg; was das Schicksal wohlthätig schenkt,
und menschlicher Muth, oder menschliche Empfindsamkeit nur
benutzt, ist nicht Frucht, oder Beweis der Obergewalt. Auch
denkt jeder im Kriege, das Recht auf seiner Seite zu haben,
jeder eine Beleidigung zu rächen. Nun aber achtet der natür-
liche Mensch, und mit einem Gefühl, das auch der kultivirteste
nicht abläugnen kann, es höher, seine Ehre zu reinigen, als Be-
darf fürs Leben zu sammeln.
Niemand wird es mir zutrauen, den Tod eines gefallenen
Kriegers schöner zu nennen, als den Tod eines kühnen Plinius,
oder, um vielleicht nicht genug geehrte Männer zu nennen, den
Tod von Robert und Pilatre du Rozier. Allein diese Beispiele
sind selten, und wer weiss, ob ohne jene sie überhaupt nur
wären? Auch habe ich für den Krieg gerade keine günstige
Lage gewählt. Man nehme die Spartaner bei Thermopylä. Ich
frage einen jeden, was solch ein Beispiel auf eine Nation wirkt?
Wohl weiss ichs, eben dieser Muth, eben diese Selbstverläug-
nung kann sich in jeder Situation des Lebens zeigen, und zeigt
sich wirklich in jeder. Aber will man es dem sinnlichen Men-
schen verargen, wenn der lebendigste Ausdruck ihn auch am
meisten hinreisst, und kann man es läugnen, dass ein Ausdruck
dieser Art wenigstens in der grössesten Allgemeinheit wirkt?
Und bei alle dem, was ich auch je von Uebeln hörte, welche
schrecklicher wären, als der Tod; ich sah noch keinen Men-
schen, der das Leben in üppiger Fülle genoss, und der — ohne
†) Göthe in dem Gedicht: Grenzen der Menschheit. II. p. 69. (Ausg.
v. 1840.)
4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeWilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |