Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. [Tübingen], [1806].Lebensfunctionen fähig sind. Je näher dagegen Diese Zunahme kann leicht von denen be- Lebensfunctionen fähig sind. Je näher dagegen Diese Zunahme kann leicht von denen be- <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0008" n="9"/> Lebensfunctionen fähig sind. Je näher dagegen<lb/> den Tropen, desto mehr nimmt Mannichfaltigkeit<lb/> der Bildungen, Anmuth der Form und des Far-<lb/> bengemisches, ewige Jugend und Kraft des orga-<lb/> nischen Lebens zu.</p><lb/> <p>Diese Zunahme kann leicht von denen be-<lb/> zweifelt werden, welche nie unsern Welttheil<lb/> verlassen, oder das Studium der allgemeinen Erd-<lb/> kunde vernachlässiget haben. Wenn man aus<lb/> unsern dicklaubigen Eichenwäldern über die <placeName>Al-<lb/> pen-</placeName> oder <placeName>Pyrenäen-Kette</placeName> nach <placeName>Welschland</placeName> oder<lb/><placeName>Spanien</placeName> hinabsteigt; wenn man gar seinen Blick<lb/> auf die <placeName>afrikanischen Küstenländer</placeName> des <placeName>Mittel-<lb/> meeres</placeName> richtet: so wird man leicht zu dem Fehl-<lb/> schlusse verleitet, als sei Baumlosigkeit der Cha-<lb/> rakter heißer Klimate. Aber man vergisst, daß<lb/> das südliche <placeName>Europa</placeName> eine andere Gestalt hatte, als<lb/> pelasgische oder carthagische Pflanzvölker sich<lb/> zuerst darin festsezten; man vergißt, daß frühere<lb/> Bildung des Menschengeschlechts die Waldungen<lb/> verdrängt, und daß der umschaffende Geist der<lb/> Nazionen der Erde allmälig den Schmuck raubt,<lb/> der uns in dem Norden erfreut, und der (mehr,<lb/> als alle Geschichte) die Jugend unserer sittlichen<lb/> Kultur anzeigt. Die große Katastrophe, durch<lb/> welche das <placeName>Mittelmeer</placeName> sich gebildet, indem es,<lb/> ein anschwellendes Binnenwasser, die Schleusen<lb/> der <placeName>Dardanellen</placeName> und die <placeName>Säulen des Herkules</placeName><lb/> durchbrochen, diese Katastrophe scheint die an-<lb/> gränzenden Länder eines großen Theils ihrer<lb/> Dammerde beraubt zu haben. Was bei den<lb/></p> </body> </text> </TEI> [9/0008]
Lebensfunctionen fähig sind. Je näher dagegen
den Tropen, desto mehr nimmt Mannichfaltigkeit
der Bildungen, Anmuth der Form und des Far-
bengemisches, ewige Jugend und Kraft des orga-
nischen Lebens zu.
Diese Zunahme kann leicht von denen be-
zweifelt werden, welche nie unsern Welttheil
verlassen, oder das Studium der allgemeinen Erd-
kunde vernachlässiget haben. Wenn man aus
unsern dicklaubigen Eichenwäldern über die Al-
pen- oder Pyrenäen-Kette nach Welschland oder
Spanien hinabsteigt; wenn man gar seinen Blick
auf die afrikanischen Küstenländer des Mittel-
meeres richtet: so wird man leicht zu dem Fehl-
schlusse verleitet, als sei Baumlosigkeit der Cha-
rakter heißer Klimate. Aber man vergisst, daß
das südliche Europa eine andere Gestalt hatte, als
pelasgische oder carthagische Pflanzvölker sich
zuerst darin festsezten; man vergißt, daß frühere
Bildung des Menschengeschlechts die Waldungen
verdrängt, und daß der umschaffende Geist der
Nazionen der Erde allmälig den Schmuck raubt,
der uns in dem Norden erfreut, und der (mehr,
als alle Geschichte) die Jugend unserer sittlichen
Kultur anzeigt. Die große Katastrophe, durch
welche das Mittelmeer sich gebildet, indem es,
ein anschwellendes Binnenwasser, die Schleusen
der Dardanellen und die Säulen des Herkules
durchbrochen, diese Katastrophe scheint die an-
gränzenden Länder eines großen Theils ihrer
Dammerde beraubt zu haben. Was bei den
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