Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Die kosmischen Schleimblasen, die organischen Nostoc-ähnlichen Massen, welche den Sternschnuppen seit dem Mittelalter zugeschrieben werden, die Schwefelkiese von Sterlitamak (westlich vom Uralgebirge), die das Innere von Hagelkörnern sollen gebildet haben52, gehören zu den Mythen der Meteorologie. Nur das feinkörnige Gewebe, nur die Einmengung von Olivin, Augit und Labrador53 geben einigen Aerolithen (z. B. den doleritähnlichen von Juvenas im Ardeche-Departement), wie Gustav Rose gezeigt hat, ein mehr heimisches Ansehn. Diese enthalten nämlich krystallinische Substanzen, ganz denen unsrer Erdrinde gleich; und in der sibirischen Meteor-Eisenmasse von Pallas zeichnet sich der Olivin nur durch Mangel von Nickel aus, der dort durch Zinn-Oxyd ersetzt ist54. Da die Meteor-Olivine, wie die unsrer Basalte, 47 bis 49 Hunderttheile Talkerde enthalten und in den Meteorsteinen nach Berzelius meist die Hälfte der erdigen Bestandtheile ausmachen, so muß man nicht über den großen Gehalt an Silicaten von Talkerde in diesen kosmischen Massen erstaunen. Wenn der Aerolith von Juvenas trennbare Krystalle von Augit und Labrador enthält, so wird es durch das numerische Verhältniß der Bestandtheile auf's wenigste wahrscheinlich, daß die Meteormassen von Chateau Renard ein aus Hornblende und Albit bestehender Diorit, die von Blansko und Chantonnay ein Gemenge von Hornblende und Labrador sind. Die Beweise, die man von den eben berührten oryktognostischen Aehnlichkeiten für einen tellurischen und atmosphärischen Ursprung der Aerolithen hernehmen will, scheinen mir nicht von großer Stärke. Warum sollten, und ich könnte mich auf ein merkwürdiges Gespräch von

Die kosmischen Schleimblasen, die organischen Nostoc-ähnlichen Massen, welche den Sternschnuppen seit dem Mittelalter zugeschrieben werden, die Schwefelkiese von Sterlitamak (westlich vom Uralgebirge), die das Innere von Hagelkörnern sollen gebildet haben52, gehören zu den Mythen der Meteorologie. Nur das feinkörnige Gewebe, nur die Einmengung von Olivin, Augit und Labrador53 geben einigen Aërolithen (z. B. den doleritähnlichen von Juvenas im Ardèche-Departement), wie Gustav Rose gezeigt hat, ein mehr heimisches Ansehn. Diese enthalten nämlich krystallinische Substanzen, ganz denen unsrer Erdrinde gleich; und in der sibirischen Meteor-Eisenmasse von Pallas zeichnet sich der Olivin nur durch Mangel von Nickel aus, der dort durch Zinn-Oxyd ersetzt ist54. Da die Meteor-Olivine, wie die unsrer Basalte, 47 bis 49 Hunderttheile Talkerde enthalten und in den Meteorsteinen nach Berzelius meist die Hälfte der erdigen Bestandtheile ausmachen, so muß man nicht über den großen Gehalt an Silicaten von Talkerde in diesen kosmischen Massen erstaunen. Wenn der Aërolith von Juvenas trennbare Krystalle von Augit und Labrador enthält, so wird es durch das numerische Verhältniß der Bestandtheile auf's wenigste wahrscheinlich, daß die Meteormassen von Chateau Renard ein aus Hornblende und Albit bestehender Diorit, die von Blansko und Chantonnay ein Gemenge von Hornblende und Labrador sind. Die Beweise, die man von den eben berührten oryktognostischen Aehnlichkeiten für einen tellurischen und atmosphärischen Ursprung der Aërolithen hernehmen will, scheinen mir nicht von großer Stärke. Warum sollten, und ich könnte mich auf ein merkwürdiges Gespräch von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0155" n="136"/>
          <p>Die <hi rendition="#g">kosmischen Schleimblasen,</hi> die organischen Nostoc-ähnlichen Massen, welche den Sternschnuppen seit dem Mittelalter zugeschrieben werden, die Schwefelkiese von Sterlitamak (westlich vom Uralgebirge), die das Innere von Hagelkörnern sollen gebildet haben<note xml:id="ftn82" next="ftn82-text" place="end" n="52"/>, gehören zu den Mythen der Meteorologie. Nur das feinkörnige Gewebe, nur die Einmengung von Olivin, Augit und Labrador<note xml:id="ftn83" next="ftn83-text" place="end" n="53"/> geben einigen Aërolithen (z. B. den doleritähnlichen von Juvenas im Ardèche-Departement), wie Gustav Rose gezeigt hat, ein mehr heimisches Ansehn. Diese enthalten nämlich krystallinische Substanzen, ganz denen unsrer Erdrinde gleich; und in der sibirischen Meteor-Eisenmasse von Pallas zeichnet sich der Olivin nur durch Mangel von Nickel aus, der dort durch Zinn-Oxyd ersetzt ist<note xml:id="ftn84" next="ftn84-text" place="end" n="54"/>. Da die Meteor-Olivine, wie die unsrer Basalte, 47 bis 49 Hunderttheile Talkerde enthalten und in den Meteorsteinen nach Berzelius meist die Hälfte der erdigen Bestandtheile ausmachen, so muß man nicht über den großen Gehalt an Silicaten von Talkerde in diesen kosmischen Massen erstaunen. Wenn der Aërolith von Juvenas trennbare Krystalle von Augit und Labrador enthält, so wird es durch das numerische Verhältniß der Bestandtheile auf's wenigste wahrscheinlich, daß die Meteormassen von Chateau Renard ein aus Hornblende und Albit bestehender Diorit, die von Blansko und Chantonnay ein Gemenge von Hornblende und Labrador sind. Die Beweise, die man von den eben berührten oryktognostischen Aehnlichkeiten für einen <hi rendition="#g">tellurischen</hi> und <hi rendition="#g">atmosphärischen</hi> Ursprung der Aërolithen hernehmen will, scheinen mir nicht von großer Stärke. Warum sollten, und ich könnte mich auf ein merkwürdiges Gespräch von
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0155] Die kosmischen Schleimblasen, die organischen Nostoc-ähnlichen Massen, welche den Sternschnuppen seit dem Mittelalter zugeschrieben werden, die Schwefelkiese von Sterlitamak (westlich vom Uralgebirge), die das Innere von Hagelkörnern sollen gebildet haben ⁵² , gehören zu den Mythen der Meteorologie. Nur das feinkörnige Gewebe, nur die Einmengung von Olivin, Augit und Labrador ⁵³ geben einigen Aërolithen (z. B. den doleritähnlichen von Juvenas im Ardèche-Departement), wie Gustav Rose gezeigt hat, ein mehr heimisches Ansehn. Diese enthalten nämlich krystallinische Substanzen, ganz denen unsrer Erdrinde gleich; und in der sibirischen Meteor-Eisenmasse von Pallas zeichnet sich der Olivin nur durch Mangel von Nickel aus, der dort durch Zinn-Oxyd ersetzt ist ⁵⁴ . Da die Meteor-Olivine, wie die unsrer Basalte, 47 bis 49 Hunderttheile Talkerde enthalten und in den Meteorsteinen nach Berzelius meist die Hälfte der erdigen Bestandtheile ausmachen, so muß man nicht über den großen Gehalt an Silicaten von Talkerde in diesen kosmischen Massen erstaunen. Wenn der Aërolith von Juvenas trennbare Krystalle von Augit und Labrador enthält, so wird es durch das numerische Verhältniß der Bestandtheile auf's wenigste wahrscheinlich, daß die Meteormassen von Chateau Renard ein aus Hornblende und Albit bestehender Diorit, die von Blansko und Chantonnay ein Gemenge von Hornblende und Labrador sind. Die Beweise, die man von den eben berührten oryktognostischen Aehnlichkeiten für einen tellurischen und atmosphärischen Ursprung der Aërolithen hernehmen will, scheinen mir nicht von großer Stärke. Warum sollten, und ich könnte mich auf ein merkwürdiges Gespräch von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/155
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/155>, abgerufen am 16.05.2024.