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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

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fein zerriebener Gebirgsarten, überdeckt mit Lagen kieselgepanzerter Infusorien und mit knochenhaltigem Schuttlande, dem Sitze urweltlicher Thierformen. Was auf so verschiedenen Wegen sich unter unseren Augen erzeugt und zu Schichten gestaltet, was durch gegenseitigen Druck und vulkanische Kräfte mannigfach gestürzt, gekrümmt oder aufgerichtet wird, führt den denkenden, einfachen Analogien sich hingebenden Beobachter auf die Vergleichung der gegenwärtigen und der längst vergangenen Zeit. Durch Combination der wirklichen Erscheinungen, durch ideale Vergrößerung der Raumverhältnisse wie des Maaßes wirkender Kräfte gelangen wir in das lange ersehnte, dunkel geahndete, erst seit einem halben Jahrhundert festbegründete Reich der Geognosie.

Man hat scharfsinnig bemerkt, "daß wir, trotz des Beschauens durch große Fernröhre, in Hinsicht der anderen Planeten (den Mond etwa abgerechnet) mehr von ihrem Inneren als von ihrem Aeußeren wissen." Man hat sie gewogen und ihr Volum gemessen; man kennt ihre Masse und ihre Dichte, beide (Dank sei es den Fortschritten der beobachtenden und der rechnenden Astronomie!) mit stets wachsender numerischer Genauigkeit. Ueber ihrer physischen Beschaffenheit schwebt ein tiefes Dunkel. Nur auf unserem Erdkörper setzt uns die unmittelbare Nähe in Contact mit allen Elementen der organischen und anorganischen Schöpfung. Die ganze Fülle der verschiedenartigsten Stoffe bietet in ihrer Mischung und Umbildung, in dem ewig wechselnden Spiel hervorgerufener Kräfte dem Geiste die Nahrung, die Freuden der Erforschung, das unermeßliche Feld der Beobachtung dar, welche der intellectuellen Sphäre der Menschheit, durch Ausbildung und Erstarkung des

fein zerriebener Gebirgsarten, überdeckt mit Lagen kieselgepanzerter Infusorien und mit knochenhaltigem Schuttlande, dem Sitze urweltlicher Thierformen. Was auf so verschiedenen Wegen sich unter unseren Augen erzeugt und zu Schichten gestaltet, was durch gegenseitigen Druck und vulkanische Kräfte mannigfach gestürzt, gekrümmt oder aufgerichtet wird, führt den denkenden, einfachen Analogien sich hingebenden Beobachter auf die Vergleichung der gegenwärtigen und der längst vergangenen Zeit. Durch Combination der wirklichen Erscheinungen, durch ideale Vergrößerung der Raumverhältnisse wie des Maaßes wirkender Kräfte gelangen wir in das lange ersehnte, dunkel geahndete, erst seit einem halben Jahrhundert festbegründete Reich der Geognosie.

Man hat scharfsinnig bemerkt, „daß wir, trotz des Beschauens durch große Fernröhre, in Hinsicht der anderen Planeten (den Mond etwa abgerechnet) mehr von ihrem Inneren als von ihrem Aeußeren wissen.“ Man hat sie gewogen und ihr Volum gemessen; man kennt ihre Masse und ihre Dichte, beide (Dank sei es den Fortschritten der beobachtenden und der rechnenden Astronomie!) mit stets wachsender numerischer Genauigkeit. Ueber ihrer physischen Beschaffenheit schwebt ein tiefes Dunkel. Nur auf unserem Erdkörper setzt uns die unmittelbare Nähe in Contact mit allen Elementen der organischen und anorganischen Schöpfung. Die ganze Fülle der verschiedenartigsten Stoffe bietet in ihrer Mischung und Umbildung, in dem ewig wechselnden Spiel hervorgerufener Kräfte dem Geiste die Nahrung, die Freuden der Erforschung, das unermeßliche Feld der Beobachtung dar, welche der intellectuellen Sphäre der Menschheit, durch Ausbildung und Erstarkung des

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[164/0183] fein zerriebener Gebirgsarten, überdeckt mit Lagen kieselgepanzerter Infusorien und mit knochenhaltigem Schuttlande, dem Sitze urweltlicher Thierformen. Was auf so verschiedenen Wegen sich unter unseren Augen erzeugt und zu Schichten gestaltet, was durch gegenseitigen Druck und vulkanische Kräfte mannigfach gestürzt, gekrümmt oder aufgerichtet wird, führt den denkenden, einfachen Analogien sich hingebenden Beobachter auf die Vergleichung der gegenwärtigen und der längst vergangenen Zeit. Durch Combination der wirklichen Erscheinungen, durch ideale Vergrößerung der Raumverhältnisse wie des Maaßes wirkender Kräfte gelangen wir in das lange ersehnte, dunkel geahndete, erst seit einem halben Jahrhundert festbegründete Reich der Geognosie. Man hat scharfsinnig bemerkt, „daß wir, trotz des Beschauens durch große Fernröhre, in Hinsicht der anderen Planeten (den Mond etwa abgerechnet) mehr von ihrem Inneren als von ihrem Aeußeren wissen.“ Man hat sie gewogen und ihr Volum gemessen; man kennt ihre Masse und ihre Dichte, beide (Dank sei es den Fortschritten der beobachtenden und der rechnenden Astronomie!) mit stets wachsender numerischer Genauigkeit. Ueber ihrer physischen Beschaffenheit schwebt ein tiefes Dunkel. Nur auf unserem Erdkörper setzt uns die unmittelbare Nähe in Contact mit allen Elementen der organischen und anorganischen Schöpfung. Die ganze Fülle der verschiedenartigsten Stoffe bietet in ihrer Mischung und Umbildung, in dem ewig wechselnden Spiel hervorgerufener Kräfte dem Geiste die Nahrung, die Freuden der Erforschung, das unermeßliche Feld der Beobachtung dar, welche der intellectuellen Sphäre der Menschheit, durch Ausbildung und Erstarkung des

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/183>, abgerufen am 16.05.2024.