Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Denkvermögens, einen Theil ihrer erhabenen Größe verleiht. Die Welt sinnlicher Erscheinungen reflectirt sich in den Tiefen der Ideenwelt; der Reichthum der Natur, die Masse des Unterscheidbaren gehen allmälig in eine Vernunfterkenntniß über.

Hier berühre ich wieder einen Vorzug, auf welchen ich schon mehrmals hingewiesen, den Vorzug des Wissens, das einen heimathlichen Ursprung hat, dessen Möglichkeit recht eigentlich an unsere irdische Existenz geknüpft ist. Die Himmelsbeschreibung, von den fern schimmernden Nebelsternen (mit deren Sonnen) bis herab zu dem Centralkörper unsres Systemes, fanden wir auf die allgemeinen Begriffe von Volum und Quantität der Materie beschränkt. Keine Lebensregung offenbart sich da unseren Sinnen. Nur nach Aehnlichkeiten, oft nach phantasiereichen Combinationen hat man Vermuthungen über die specifische Natur der Stoffe, über ihre Abwesenheit in diesem oder jenem Weltkörper gewagt. Die Heterogeneität der Materie, ihre chemische Verschiedenheit, die regelmäßigen Gestalten, zu denen ihre Theile sich krystallinisch und körnig an einander reihen; ihr Verhalten zu den eindringenden, abgelenkten oder getheilten Lichtwellen, zur strahlenden, durchgeleiteten oder polarisirten Wärme, zu den glanzvollen oder unsichtbaren, aber darum nicht minder wirksamen Erscheinungen des Electro-Magnetismus: diesen unermeßlichen, die Weltanschauung erhöhenden Schatz physischer Erkenntniß verdanken wir der Oberfläche des Planeten, den wir bewohnen; mehr noch dem starren als dem flüssigen Theile derselben. Wie diese Erkenntniß der Naturdinge und Naturkräfte, wie die unermeßliche Mannigfaltigkeit objectiver Wahrnehmung die geistige Thätigkeit des

Denkvermögens, einen Theil ihrer erhabenen Größe verleiht. Die Welt sinnlicher Erscheinungen reflectirt sich in den Tiefen der Ideenwelt; der Reichthum der Natur, die Masse des Unterscheidbaren gehen allmälig in eine Vernunfterkenntniß über.

Hier berühre ich wieder einen Vorzug, auf welchen ich schon mehrmals hingewiesen, den Vorzug des Wissens, das einen heimathlichen Ursprung hat, dessen Möglichkeit recht eigentlich an unsere irdische Existenz geknüpft ist. Die Himmelsbeschreibung, von den fern schimmernden Nebelsternen (mit deren Sonnen) bis herab zu dem Centralkörper unsres Systemes, fanden wir auf die allgemeinen Begriffe von Volum und Quantität der Materie beschränkt. Keine Lebensregung offenbart sich da unseren Sinnen. Nur nach Aehnlichkeiten, oft nach phantasiereichen Combinationen hat man Vermuthungen über die specifische Natur der Stoffe, über ihre Abwesenheit in diesem oder jenem Weltkörper gewagt. Die Heterogeneität der Materie, ihre chemische Verschiedenheit, die regelmäßigen Gestalten, zu denen ihre Theile sich krystallinisch und körnig an einander reihen; ihr Verhalten zu den eindringenden, abgelenkten oder getheilten Lichtwellen, zur strahlenden, durchgeleiteten oder polarisirten Wärme, zu den glanzvollen oder unsichtbaren, aber darum nicht minder wirksamen Erscheinungen des Electro-Magnetismus: diesen unermeßlichen, die Weltanschauung erhöhenden Schatz physischer Erkenntniß verdanken wir der Oberfläche des Planeten, den wir bewohnen; mehr noch dem starren als dem flüssigen Theile derselben. Wie diese Erkenntniß der Naturdinge und Naturkräfte, wie die unermeßliche Mannigfaltigkeit objectiver Wahrnehmung die geistige Thätigkeit des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0184" n="165"/>
Denkvermögens, einen Theil ihrer erhabenen Größe verleiht. Die Welt sinnlicher Erscheinungen reflectirt sich in den Tiefen der Ideenwelt; der Reichthum der Natur, die Masse des Unterscheidbaren gehen allmälig in eine Vernunfterkenntniß über.</p>
          <p>Hier berühre ich wieder einen Vorzug, auf welchen ich schon mehrmals hingewiesen, den Vorzug des Wissens, das einen heimathlichen Ursprung hat, dessen Möglichkeit recht eigentlich an unsere irdische Existenz geknüpft ist. Die <hi rendition="#g">Himmelsbeschreibung,</hi> von den fern schimmernden Nebelsternen (mit deren Sonnen) bis herab zu dem Centralkörper unsres Systemes, fanden wir auf die allgemeinen Begriffe von Volum und Quantität der Materie beschränkt. Keine Lebensregung offenbart sich da unseren Sinnen. Nur nach Aehnlichkeiten, oft nach phantasiereichen Combinationen hat man Vermuthungen über die specifische Natur der Stoffe, über ihre Abwesenheit in diesem oder jenem Weltkörper gewagt. Die Heterogeneität der Materie, ihre chemische Verschiedenheit, die regelmäßigen Gestalten, zu denen ihre Theile sich krystallinisch und körnig an einander reihen; ihr Verhalten zu den eindringenden, abgelenkten oder getheilten Lichtwellen, zur strahlenden, durchgeleiteten oder polarisirten Wärme, zu den glanzvollen oder unsichtbaren, aber darum nicht minder wirksamen Erscheinungen des Electro-Magnetismus: diesen unermeßlichen, die Weltanschauung erhöhenden Schatz physischer Erkenntniß verdanken wir der Oberfläche des Planeten, den wir bewohnen; mehr noch dem starren als dem flüssigen Theile derselben. Wie diese Erkenntniß der Naturdinge und Naturkräfte, wie die unermeßliche Mannigfaltigkeit objectiver Wahrnehmung die geistige Thätigkeit des
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0184] Denkvermögens, einen Theil ihrer erhabenen Größe verleiht. Die Welt sinnlicher Erscheinungen reflectirt sich in den Tiefen der Ideenwelt; der Reichthum der Natur, die Masse des Unterscheidbaren gehen allmälig in eine Vernunfterkenntniß über. Hier berühre ich wieder einen Vorzug, auf welchen ich schon mehrmals hingewiesen, den Vorzug des Wissens, das einen heimathlichen Ursprung hat, dessen Möglichkeit recht eigentlich an unsere irdische Existenz geknüpft ist. Die Himmelsbeschreibung, von den fern schimmernden Nebelsternen (mit deren Sonnen) bis herab zu dem Centralkörper unsres Systemes, fanden wir auf die allgemeinen Begriffe von Volum und Quantität der Materie beschränkt. Keine Lebensregung offenbart sich da unseren Sinnen. Nur nach Aehnlichkeiten, oft nach phantasiereichen Combinationen hat man Vermuthungen über die specifische Natur der Stoffe, über ihre Abwesenheit in diesem oder jenem Weltkörper gewagt. Die Heterogeneität der Materie, ihre chemische Verschiedenheit, die regelmäßigen Gestalten, zu denen ihre Theile sich krystallinisch und körnig an einander reihen; ihr Verhalten zu den eindringenden, abgelenkten oder getheilten Lichtwellen, zur strahlenden, durchgeleiteten oder polarisirten Wärme, zu den glanzvollen oder unsichtbaren, aber darum nicht minder wirksamen Erscheinungen des Electro-Magnetismus: diesen unermeßlichen, die Weltanschauung erhöhenden Schatz physischer Erkenntniß verdanken wir der Oberfläche des Planeten, den wir bewohnen; mehr noch dem starren als dem flüssigen Theile derselben. Wie diese Erkenntniß der Naturdinge und Naturkräfte, wie die unermeßliche Mannigfaltigkeit objectiver Wahrnehmung die geistige Thätigkeit des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/184
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/184>, abgerufen am 16.05.2024.