Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Thatsache ist auffallend genug) die Kenntniß der Richtkraft einer Magnetnadel, ihre Beziehung auf den Erdmagnetismus nur dem äußersten Osten von Asien, den Chinesen, eigenthümlich. Tausend und mehr Jahre vor unserer Zeitrechnung, zu der dunklen Epoche des Kodros und der Rückkehr der Herakliden nach dem Peloponnes hatten die Chinesen schon magnetische Wagen, auf denen der bewegliche Arm einer Menschengestalt unausgesetzt nach Süden wies, um sicher den Landweg durch die unermeßlichen Grasebenen der Tatarei zu finden; ja im dritten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung, also wenigstens 700 Jahre vor der Einführung des Schiffscompasses in den europäischen Meeren, segelten schon chinesische Fahrzeuge in dem indischen Ocean18 nach magnetischer Süd-Weisung. Ich habe in einem anderen Werke gezeigt, welche Vorzüge19 dieses Mittel topographischer Orientirung, diese frühe Kenntniß und Anwendung der dem Westen unbekannten Magnetnadel den chinesischen Geographen vor den griechischen und römischen gegeben hat, denen z. B. die wahre Richtung der Apenninen und Pyrenäen stets unbekannt blieb.

Die magnetische Kraft unsres Planeten offenbart sich an seiner Oberfläche in drei Classen von Erscheinungen, deren eine die veränderliche Intensität der Kraft, zwei andere die veränderliche Richtung in der Neigung und in der horizontalen Abweichung vom terrestrischen Meridiane des Orts darbieten. Die Gesammtwirkung nach außen wird also graphisch durch drei Systeme von Linien bezeichnet, die der isodynamischen, isoklinischen und isogonischen (gleicher Kraft, gleicher Neigung und gleicher Abweichung). Der Abstand und die relative Lage

Thatsache ist auffallend genug) die Kenntniß der Richtkraft einer Magnetnadel, ihre Beziehung auf den Erdmagnetismus nur dem äußersten Osten von Asien, den Chinesen, eigenthümlich. Tausend und mehr Jahre vor unserer Zeitrechnung, zu der dunklen Epoche des Kodros und der Rückkehr der Herakliden nach dem Peloponnes hatten die Chinesen schon magnetische Wagen, auf denen der bewegliche Arm einer Menschengestalt unausgesetzt nach Süden wies, um sicher den Landweg durch die unermeßlichen Grasebenen der Tatarei zu finden; ja im dritten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung, also wenigstens 700 Jahre vor der Einführung des Schiffscompasses in den europäischen Meeren, segelten schon chinesische Fahrzeuge in dem indischen Ocean18 nach magnetischer Süd-Weisung. Ich habe in einem anderen Werke gezeigt, welche Vorzüge19 dieses Mittel topographischer Orientirung, diese frühe Kenntniß und Anwendung der dem Westen unbekannten Magnetnadel den chinesischen Geographen vor den griechischen und römischen gegeben hat, denen z. B. die wahre Richtung der Apenninen und Pyrenäen stets unbekannt blieb.

Die magnetische Kraft unsres Planeten offenbart sich an seiner Oberfläche in drei Classen von Erscheinungen, deren eine die veränderliche Intensität der Kraft, zwei andere die veränderliche Richtung in der Neigung und in der horizontalen Abweichung vom terrestrischen Meridiane des Orts darbieten. Die Gesammtwirkung nach außen wird also graphisch durch drei Systeme von Linien bezeichnet, die der isodynamischen, isoklinischen und isogonischen (gleicher Kraft, gleicher Neigung und gleicher Abweichung). Der Abstand und die relative Lage

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0206" n="187"/>
Thatsache ist auffallend genug) die Kenntniß der <hi rendition="#g">Richtkraft</hi> einer Magnetnadel, ihre Beziehung auf den Erdmagnetismus nur dem äußersten Osten von Asien, den Chinesen, eigenthümlich. Tausend und mehr Jahre vor unserer Zeitrechnung, zu der dunklen Epoche des Kodros und der Rückkehr der Herakliden nach dem Peloponnes hatten die Chinesen schon <hi rendition="#g">magnetische Wagen,</hi> auf denen der bewegliche Arm einer Menschengestalt unausgesetzt nach Süden wies, um sicher den Landweg durch die unermeßlichen Grasebenen der Tatarei zu finden; ja im dritten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung, also wenigstens 700 Jahre vor der Einführung des Schiffscompasses in den europäischen Meeren, segelten schon chinesische Fahrzeuge in dem indischen Ocean<note place="end" n="18" xml:id="ftn148" next="#ftn148-text"/> nach magnetischer <hi rendition="#g">Süd-Weisung.</hi> Ich habe in einem anderen Werke gezeigt, welche Vorzüge<note place="end" n="19" xml:id="ftn149" next="#ftn149-text"/> dieses Mittel topographischer Orientirung, diese frühe Kenntniß und Anwendung der dem Westen unbekannten Magnetnadel den chinesischen Geographen vor den griechischen und römischen gegeben hat, denen z. B. die wahre Richtung der Apenninen und Pyrenäen stets unbekannt blieb.</p>
          <p>Die magnetische Kraft unsres Planeten offenbart sich an seiner Oberfläche in drei Classen von Erscheinungen, deren eine die veränderliche <hi rendition="#g">Intensität</hi> der Kraft, zwei andere die veränderliche Richtung in der <hi rendition="#g">Neigung</hi> und in der horizontalen <hi rendition="#g">Abweichung</hi> vom terrestrischen Meridiane des Orts darbieten. Die Gesammtwirkung nach außen wird also graphisch durch drei Systeme von Linien bezeichnet, die der <hi rendition="#g">isodynamischen, isoklinischen</hi> und <hi rendition="#g">isogonischen</hi> (gleicher Kraft, gleicher Neigung und gleicher Abweichung). Der Abstand und die relative Lage
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0206] Thatsache ist auffallend genug) die Kenntniß der Richtkraft einer Magnetnadel, ihre Beziehung auf den Erdmagnetismus nur dem äußersten Osten von Asien, den Chinesen, eigenthümlich. Tausend und mehr Jahre vor unserer Zeitrechnung, zu der dunklen Epoche des Kodros und der Rückkehr der Herakliden nach dem Peloponnes hatten die Chinesen schon magnetische Wagen, auf denen der bewegliche Arm einer Menschengestalt unausgesetzt nach Süden wies, um sicher den Landweg durch die unermeßlichen Grasebenen der Tatarei zu finden; ja im dritten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung, also wenigstens 700 Jahre vor der Einführung des Schiffscompasses in den europäischen Meeren, segelten schon chinesische Fahrzeuge in dem indischen Ocean ¹⁸ nach magnetischer Süd-Weisung. Ich habe in einem anderen Werke gezeigt, welche Vorzüge ¹⁹ dieses Mittel topographischer Orientirung, diese frühe Kenntniß und Anwendung der dem Westen unbekannten Magnetnadel den chinesischen Geographen vor den griechischen und römischen gegeben hat, denen z. B. die wahre Richtung der Apenninen und Pyrenäen stets unbekannt blieb. Die magnetische Kraft unsres Planeten offenbart sich an seiner Oberfläche in drei Classen von Erscheinungen, deren eine die veränderliche Intensität der Kraft, zwei andere die veränderliche Richtung in der Neigung und in der horizontalen Abweichung vom terrestrischen Meridiane des Orts darbieten. Die Gesammtwirkung nach außen wird also graphisch durch drei Systeme von Linien bezeichnet, die der isodynamischen, isoklinischen und isogonischen (gleicher Kraft, gleicher Neigung und gleicher Abweichung). Der Abstand und die relative Lage

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/206
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/206>, abgerufen am 21.11.2024.