Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

dieser stets bewegten, oscillirend fortschreitenden Curven bleiben nicht immer dieselben. Die totale Abweichung (Variation oder Declination der Magnetnadel) verändert sich an gewissen Punkten20 der Erde, z. B. in dem westlichen Theil der Antillen und in Spitzbergen, in einem ganzen Jahrhundert gar nicht oder auf eine bisher kaum bemerkbare Weise. Eben so zeigt sich, daß die isogonischen Curven, wenn sie in ihrer seculären Bewegung von der Oberfläche des Meers auf einen Continent oder eine Insel von beträchtlichem Umfange gerathen, lange auf denselben verweilen und dann im Fortschreiten sich krümmen.

Diese allmälige Umwandlung der Gestaltungen, welche die Translation begleiten und die Gebiete der östlichen und westlichen Abweichung im Laufe der Zeiten so ungleich erweitern, macht es schwer, in den graphischen Darstellungen, welche verschiedenen Jahrhunderten angehören, die Uebergänge und Analogie der Formen aufzufinden. Jeder Zweig einer Curve hat seine Geschichte; aber diese Geschichte steigt bei den westlichen Völkern nirgends höher hinauf, als bis zu der denkwürdigen Epoche (13 Sept. 1492), wo der Wieder-Entdecker der Neuen Welt 3° westlich vom Meridian der azorischen Insel Flores eine Linie ohne Abweichung erkannte21. Ganz Europa hat jetzt, einen kleinen Theil von Rußland abgerechnet, eine westliche Abweichung, während daß am Ende des 17ten Jahrhunderts, erst in London 1657 und dann 1669 in Paris (also trotz der kleinen Entfernung mit einem Unterschiede von 12 Jahren), die Nadel gerade nach dem Nordpol wies. Im östlichen Rußland, im Osten von dem Ausfluß der Wolga, von Saratow, Nischni-Nowgorod und Archangelsk, dringt von Asien her die östliche Abweichung zu

dieser stets bewegten, oscillirend fortschreitenden Curven bleiben nicht immer dieselben. Die totale Abweichung (Variation oder Declination der Magnetnadel) verändert sich an gewissen Punkten20 der Erde, z. B. in dem westlichen Theil der Antillen und in Spitzbergen, in einem ganzen Jahrhundert gar nicht oder auf eine bisher kaum bemerkbare Weise. Eben so zeigt sich, daß die isogonischen Curven, wenn sie in ihrer seculären Bewegung von der Oberfläche des Meers auf einen Continent oder eine Insel von beträchtlichem Umfange gerathen, lange auf denselben verweilen und dann im Fortschreiten sich krümmen.

Diese allmälige Umwandlung der Gestaltungen, welche die Translation begleiten und die Gebiete der östlichen und westlichen Abweichung im Laufe der Zeiten so ungleich erweitern, macht es schwer, in den graphischen Darstellungen, welche verschiedenen Jahrhunderten angehören, die Uebergänge und Analogie der Formen aufzufinden. Jeder Zweig einer Curve hat seine Geschichte; aber diese Geschichte steigt bei den westlichen Völkern nirgends höher hinauf, als bis zu der denkwürdigen Epoche (13 Sept. 1492), wo der Wieder-Entdecker der Neuen Welt 3° westlich vom Meridian der azorischen Insel Flores eine Linie ohne Abweichung erkannte21. Ganz Europa hat jetzt, einen kleinen Theil von Rußland abgerechnet, eine westliche Abweichung, während daß am Ende des 17ten Jahrhunderts, erst in London 1657 und dann 1669 in Paris (also trotz der kleinen Entfernung mit einem Unterschiede von 12 Jahren), die Nadel gerade nach dem Nordpol wies. Im östlichen Rußland, im Osten von dem Ausfluß der Wolga, von Saratow, Nischni-Nowgorod und Archangelsk, dringt von Asien her die östliche Abweichung zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0207" n="188"/>
dieser stets bewegten, oscillirend fortschreitenden Curven bleiben nicht immer dieselben. Die totale Abweichung (Variation oder Declination der Magnetnadel) verändert sich an gewissen Punkten<note place="end" n="20" xml:id="ftn150" next="#ftn150-text"/> der Erde, z. B. in dem westlichen Theil der Antillen und in Spitzbergen, in einem ganzen Jahrhundert gar nicht oder auf eine bisher kaum bemerkbare Weise. Eben so zeigt sich, daß die isogonischen Curven, wenn sie in ihrer seculären Bewegung von der Oberfläche des Meers auf einen Continent oder eine Insel von beträchtlichem Umfange gerathen, lange auf denselben verweilen und dann im Fortschreiten sich krümmen.</p>
          <p>Diese allmälige Umwandlung der Gestaltungen, welche die Translation begleiten und die Gebiete der östlichen und westlichen Abweichung im Laufe der Zeiten so ungleich erweitern, macht es schwer, in den graphischen Darstellungen, welche verschiedenen Jahrhunderten angehören, die Uebergänge und Analogie der Formen aufzufinden. Jeder Zweig einer Curve hat seine Geschichte; aber diese Geschichte steigt bei den westlichen Völkern nirgends höher hinauf, als bis zu der denkwürdigen Epoche (13 Sept. 1492), wo der Wieder-Entdecker der Neuen Welt 3° westlich vom Meridian der azorischen Insel Flores eine Linie ohne Abweichung erkannte<note place="end" n="21" xml:id="ftn151" next="#ftn151-text"/>. Ganz Europa hat jetzt, einen kleinen Theil von Rußland abgerechnet, eine westliche Abweichung, während daß am Ende des 17ten Jahrhunderts, erst in London 1657 und dann 1669 in Paris (also trotz der kleinen Entfernung mit einem Unterschiede von 12 Jahren), die Nadel gerade nach dem Nordpol wies. Im östlichen Rußland, im Osten von dem Ausfluß der Wolga, von Saratow, Nischni-Nowgorod und Archangelsk, dringt von Asien her die östliche Abweichung zu
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0207] dieser stets bewegten, oscillirend fortschreitenden Curven bleiben nicht immer dieselben. Die totale Abweichung (Variation oder Declination der Magnetnadel) verändert sich an gewissen Punkten ²⁰ der Erde, z. B. in dem westlichen Theil der Antillen und in Spitzbergen, in einem ganzen Jahrhundert gar nicht oder auf eine bisher kaum bemerkbare Weise. Eben so zeigt sich, daß die isogonischen Curven, wenn sie in ihrer seculären Bewegung von der Oberfläche des Meers auf einen Continent oder eine Insel von beträchtlichem Umfange gerathen, lange auf denselben verweilen und dann im Fortschreiten sich krümmen. Diese allmälige Umwandlung der Gestaltungen, welche die Translation begleiten und die Gebiete der östlichen und westlichen Abweichung im Laufe der Zeiten so ungleich erweitern, macht es schwer, in den graphischen Darstellungen, welche verschiedenen Jahrhunderten angehören, die Uebergänge und Analogie der Formen aufzufinden. Jeder Zweig einer Curve hat seine Geschichte; aber diese Geschichte steigt bei den westlichen Völkern nirgends höher hinauf, als bis zu der denkwürdigen Epoche (13 Sept. 1492), wo der Wieder-Entdecker der Neuen Welt 3° westlich vom Meridian der azorischen Insel Flores eine Linie ohne Abweichung erkannte ²¹ . Ganz Europa hat jetzt, einen kleinen Theil von Rußland abgerechnet, eine westliche Abweichung, während daß am Ende des 17ten Jahrhunderts, erst in London 1657 und dann 1669 in Paris (also trotz der kleinen Entfernung mit einem Unterschiede von 12 Jahren), die Nadel gerade nach dem Nordpol wies. Im östlichen Rußland, im Osten von dem Ausfluß der Wolga, von Saratow, Nischni-Nowgorod und Archangelsk, dringt von Asien her die östliche Abweichung zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/207
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/207>, abgerufen am 24.11.2024.