Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.Zusammenhang von Naturerscheinungen ausgesprochen worden, erst unerwiesen und mit dem Unbegründetsten vermengt, aber in späterer Zeit auf sichere Erfahrung gestützt und dann wissenschaftlich erkannt! Die ahndende Phantasie, die allbelebende Thätigkeit des Geistes, welche in Plato, in Columbus, in Kepler gewirkt hat, darf nicht angeklagt werden, als habe sie in dem Gebiet der Wissenschaft nichts geschaffen, als müsse sie nothwendig ihrem Wesen nach von der Ergründung des Wirklichen abziehen. Da wir die Geschichte der physischen Weltanschauung als die Geschichte der Erkenntniß eines Naturganzen, gleichsam als die Geschichte des Gedankens von der Einheit in den Erscheinungen und von dem Zusammenwirken der Kräfte im Weltall, definirt haben, so kann die Behandlungsweise dieser Geschichte nur in der Aufzählung dessen bestehen, wodurch der Begriff von der Einheit der Erscheinungen sich allmälig ausgebildet hat. Wir unterscheiden in dieser Hinsicht: 1) das selbstständige Streben der Vernunft nach Erkenntniß von Naturgesetzen, also eine denkende Betrachtung der Naturerscheinungen; 2) die Weltbegebenheiten, welche plötzlich den Horizont der Beobachtung erweitert haben; 3) die Erfindung neuer Mittel sinnlicher Wahrnehmung, gleichsam die Erfindung neuer Organe, welche den Menschen mit den irdischen Gegenständen wie mit den fernsten Welträumen in näheren Verkehr bringen, welche die Beobachtung schärfen und vervielfältigen. Dieser dreifache Gesichtspunkt muß uns leiten, wenn wir die Hauptepochen (Hauptmomente) bestimmen, welche die Geschichte der Lehre vom Kosmos zu durchlaufen hat. Um das Gesagte zu erläutern, wollen wir Zusammenhang von Naturerscheinungen ausgesprochen worden, erst unerwiesen und mit dem Unbegründetsten vermengt, aber in späterer Zeit auf sichere Erfahrung gestützt und dann wissenschaftlich erkannt! Die ahndende Phantasie, die allbelebende Thätigkeit des Geistes, welche in Plato, in Columbus, in Kepler gewirkt hat, darf nicht angeklagt werden, als habe sie in dem Gebiet der Wissenschaft nichts geschaffen, als müsse sie nothwendig ihrem Wesen nach von der Ergründung des Wirklichen abziehen. Da wir die Geschichte der physischen Weltanschauung als die Geschichte der Erkenntniß eines Naturganzen, gleichsam als die Geschichte des Gedankens von der Einheit in den Erscheinungen und von dem Zusammenwirken der Kräfte im Weltall, definirt haben, so kann die Behandlungsweise dieser Geschichte nur in der Aufzählung dessen bestehen, wodurch der Begriff von der Einheit der Erscheinungen sich allmälig ausgebildet hat. Wir unterscheiden in dieser Hinsicht: 1) das selbstständige Streben der Vernunft nach Erkenntniß von Naturgesetzen, also eine denkende Betrachtung der Naturerscheinungen; 2) die Weltbegebenheiten, welche plötzlich den Horizont der Beobachtung erweitert haben; 3) die Erfindung neuer Mittel sinnlicher Wahrnehmung, gleichsam die Erfindung neuer Organe, welche den Menschen mit den irdischen Gegenständen wie mit den fernsten Welträumen in näheren Verkehr bringen, welche die Beobachtung schärfen und vervielfältigen. Dieser dreifache Gesichtspunkt muß uns leiten, wenn wir die Hauptepochen (Hauptmomente) bestimmen, welche die Geschichte der Lehre vom Kosmos zu durchlaufen hat. Um das Gesagte zu erläutern, wollen wir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0143" n="138"/> Zusammenhang von Naturerscheinungen ausgesprochen worden, erst unerwiesen und mit dem Unbegründetsten vermengt, aber in späterer Zeit auf sichere Erfahrung gestützt und dann wissenschaftlich erkannt! Die ahndende Phantasie, die allbelebende Thätigkeit des Geistes, welche in Plato, in Columbus, in Kepler gewirkt hat, darf nicht angeklagt werden, als habe sie in dem Gebiet der Wissenschaft nichts geschaffen, als müsse sie nothwendig ihrem Wesen nach von der Ergründung des Wirklichen abziehen.</p> <p>Da wir die <hi rendition="#g">Geschichte der physischen Weltanschauung</hi> als die <hi rendition="#g">Geschichte der Erkenntniß eines Naturganzen,</hi> gleichsam als die Geschichte des Gedankens von der Einheit in den Erscheinungen und von dem Zusammenwirken der Kräfte im Weltall, definirt haben, so kann die <hi rendition="#g">Behandlungsweise</hi> dieser Geschichte nur in der Aufzählung dessen bestehen, wodurch der Begriff von der Einheit der Erscheinungen sich allmälig ausgebildet hat. Wir unterscheiden in dieser Hinsicht: 1) das selbstständige Streben der Vernunft nach Erkenntniß von Naturgesetzen, also eine denkende Betrachtung der Naturerscheinungen; 2) die Weltbegebenheiten, welche plötzlich den Horizont der Beobachtung erweitert haben; 3) die Erfindung neuer Mittel sinnlicher Wahrnehmung, gleichsam die Erfindung neuer Organe, welche den Menschen mit den irdischen Gegenständen wie mit den fernsten Welträumen in näheren Verkehr bringen, welche die Beobachtung schärfen und vervielfältigen. Dieser dreifache Gesichtspunkt muß uns leiten, wenn wir die Hauptepochen (Hauptmomente) bestimmen, welche die Geschichte der <hi rendition="#g">Lehre vom Kosmos</hi> zu durchlaufen hat. Um das Gesagte zu erläutern, wollen wir </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0143]
Zusammenhang von Naturerscheinungen ausgesprochen worden, erst unerwiesen und mit dem Unbegründetsten vermengt, aber in späterer Zeit auf sichere Erfahrung gestützt und dann wissenschaftlich erkannt! Die ahndende Phantasie, die allbelebende Thätigkeit des Geistes, welche in Plato, in Columbus, in Kepler gewirkt hat, darf nicht angeklagt werden, als habe sie in dem Gebiet der Wissenschaft nichts geschaffen, als müsse sie nothwendig ihrem Wesen nach von der Ergründung des Wirklichen abziehen.
Da wir die Geschichte der physischen Weltanschauung als die Geschichte der Erkenntniß eines Naturganzen, gleichsam als die Geschichte des Gedankens von der Einheit in den Erscheinungen und von dem Zusammenwirken der Kräfte im Weltall, definirt haben, so kann die Behandlungsweise dieser Geschichte nur in der Aufzählung dessen bestehen, wodurch der Begriff von der Einheit der Erscheinungen sich allmälig ausgebildet hat. Wir unterscheiden in dieser Hinsicht: 1) das selbstständige Streben der Vernunft nach Erkenntniß von Naturgesetzen, also eine denkende Betrachtung der Naturerscheinungen; 2) die Weltbegebenheiten, welche plötzlich den Horizont der Beobachtung erweitert haben; 3) die Erfindung neuer Mittel sinnlicher Wahrnehmung, gleichsam die Erfindung neuer Organe, welche den Menschen mit den irdischen Gegenständen wie mit den fernsten Welträumen in näheren Verkehr bringen, welche die Beobachtung schärfen und vervielfältigen. Dieser dreifache Gesichtspunkt muß uns leiten, wenn wir die Hauptepochen (Hauptmomente) bestimmen, welche die Geschichte der Lehre vom Kosmos zu durchlaufen hat. Um das Gesagte zu erläutern, wollen wir
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen
(2013-04-18T11:04:31Z)
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |